Seit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), ab März die Notenpresse anzuwerfen, beschleunigte der Euro seine Talfahrt. In den seitdem vergangenen sieben Wochen stürzte die Gemeinschaftswährung von 1,16 Dollar um mehr als zehn Cent ab - derzeit notiert sie knapp unter 1,06 Dollar auf dem tiefsten Stand seit zwölf Jahren. Da wird selbst manch hartgesottenem Börsenprofi schwindelig.

"Die Bewegungen am Devisenmarkt sind extrem", konstatiert Analyst Jan Bopp vom Bankhaus Metzler. Viele Geldinstitute kommen mit der Anpassung ihrer Prognosen für den Euro-Kurs kaum hinterher: beeilte sich die Deutsche Bank noch Ende Januar die Parität für Ende 2016 auszurufen, ein Jahr früher als zuvor erwartet, schraubte sie ihre Schätzungen nun abermals herunter. Die Parität sei noch vor dem Jahresende zu erwarten. Für Ende 2017 sagt Deutschlands größtes Kreditinstitut nun sogar einen Euro-Kurs von 85 US-Cent voraus. Das wäre dann nicht mehr weit vom bisherigen Rekordtief von 0,8225 Dollar entfernt. So billig war die Gemeinschaftswährung am 26. Oktober 2000.

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US-ZINSWENDE WIRFT SCHATTEN VORAUS

Halt findet der Euro derzeit nirgendwo, im Gegenteil: Mit ihrer Geldpolitik drückt auch die US-Notenbank zusätzlich auf den Euro-Kurs. Kommende Woche könnten in Washington die US-Zentralbanker um Fed-Chefin Janet Yellen die erste Zinserhöhung seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 vorbereiten. Die meisten Experten rechnen für den Sommer mit der Zinswende in den USA und gehen davon aus, dass der Dollar schon vorher weiter steigt. "Es spricht nicht viel dafür, dass sich etwas am Euro-Abwärtstrend ändert", sagt Chris Turner, Devisenstratege der niederländischen ING Bank. Die US-Notenbanker haben wegen zuletzt überraschend starker Jobdaten Argumente an der Hand, eine geldpolitische Straffung bereits im Juni ins Auge zu fassen - schneller als von Beobachtern erwartet.

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GRIECHEN-AUSTRITT KÖNNTE IMAGESCHADEN FÜR EURO BEDEUTEN

Weniger als einen Dollar hatte man für den Euro zuletzt im Dezember 2002 bekommen. Seither ging es trotz zahlreicher Auf und Abs nach oben - selbst während der Euro-Schuldenkrise von 2010 bis 2012. Noch im Mai vorigen Jahres hatte der Euro bei fast 1,40 Dollar notiert.

Blessuren musste und muss die Gemeinschaftswährung wegen der Krise der Euro-Zone hinnehmen. Vor allem der Dauerstreit des finanziell schwerst angeschlagenen Griechenland mit seinem Geldgebern im Rest der Währungsunion belastet das Vertrauen vieler Investoren. Allerdings hat ein mögliches Ausscheiden des Landes für viele Börsianer seinen Schrecken verloren. Laut Commerzbank haben einige Händler sogar schon angekündigt, in diesem Fall sofort Euro zu kaufen. Andere Analysten fürchten jedoch einen kaum mehr reparablen Imageschaden, sollte es so weit kommen. Auch ein Dominoeffekt sei möglich. Denn schließlich stehen im Jahresverlauf noch Wahlen in Spanien an, wo der Sparkurs auch nicht sonderlich populär ist.

Deutschland andererseits profitiert von der Talfahrt der Währung: für den Export-Vizeweltmeister wirkt ein schwächerer Euro wie ein Konjunkturprogramm. Multinationale Konzerne, die den Großteil ihrer Geschäfte im Ausland machen, können die in Stuttgart, München, Essen oder Wolfsburg gefertigten Produkte im Ausland deutlich günstiger verkaufen. Euro-Ländern ohne großes Auslandsgeschäft wie Spanien, Portugal und Griechenland nutzt das hingegen wenig. Die Konjunkturentwicklungen in der Euro-Zone könnten also weiter auseinanderklaffen. Christian Jasperneite von der Hamburger Privatbank MM Warburg: "Die Euroschwäche ist ein zweischneidiges Schwert."

Reuters