Herr Klude, die EZB hat heute mit einer erneuten Zinssenkung und negativen Einlagenzinsen eine historische Entscheidung getroffen. Hat die EZB richtig gehandelt?
Ja, die EZB musste angesichts der zu niedrigen Inflationsrate, der weiter nachgebenden Kreditvergabe und des äußerst schwachen Geldmengenwachstums handeln. Das heute beschlossene Maßnahmenpaket geht über das hinaus, was von den meisten erwartet wurde. Es ist mutig, weil mit dem negativen Einlagezins, der Vorbereitung für den Ankauf von Asset Backed Securities und neuen gezielten langfristigen Refinanzierungsgeschäften, die bis 2018 laufen, von der EZB geldpolitisches Neuland betreten wird. Natürlich sind diese Maßnahmen nicht frei von Risiken, weil im Vorhinein nicht klar ist, ob sie den gewünschten Erfolg bringen werden. Aber nicht zu handeln, wäre die schlechtere Alternative gewesen.
Was bedeutet der Schritt für die Aktienmärkte: Wird die Ralley jetzt weitergehen oder ist alles schon eingepreist?
Die positive Kursentwicklung sollte sich fortsetzen, auch wenn sich der DAX zunächst schwer tun wird, die 10.000 Punkte-Marke nachhaltig zu überwinden. Die neuen Inflationsprognosen der EZB deuten darauf hin, dass die Zinsen sogar noch länger niedrig bleiben werden als bislang erwartet wurde und eine erste Zinserhöhung frühestens 2017 kommen wird. Da sich die Wirtschaft zwar nur langsam, aber doch stetig erholen wird, verbessert sich das Umfeld für Unternehmen und Unternehmensgewinne. Aktien bleiben somit attraktiv, das Ende der Fahnenstange bei den Kursen ist noch nicht erreicht.
Wie sollten Anleger jetzt reagieren? Weiter auf Aktien setzen oder Gewinne mitnehmen?
Aktien bleiben vor diesem Hintergrund eine attraktive Anlageklasse. Wer investiert ist, sollte dabei bleiben und die Gewinne laufen lassen. Wer nicht investiert ist, kann auf mögliche Rückschläge warten, wobei sich zeigt, dass es die wenigsten Anleger dann wirklich schaffen, in den Markt zu kommen. Ist unsere längerfristige Einschätzung richtig, kann man von daher auch auf dem jetzigen Niveau Aktien kaufen, denn Aktien sind weder überbewertet, noch ist für 2014 oder 2015 mit einer Rezession oder mit sinkenden Unternehmensgewinnen zu rechnen. Deutschland bleibt als Anlageregion interessant, obwohl es nicht die größten Kursgewinne verspricht. Die eigentliche Musik spielt in Europas Peripherie: Sollte sich die Wirtschaft erholen, werden sich dort die Unternehmensgewinne deutlich verbessern. Auch am US-Aktienmarkt dürften die Kurse weiter zulegen. Im Anleihebereich kann man auf eine weitere Spread-Einengung in der europäischen Peripherie setzen. Auch Unternehmensanleihen mit weniger guter Bonität dürften von der Geldpolitik der EZB profitieren.