WETTEN AUF KURZZEIT-TRENDS
Hinter binären Optionen verbergen sich ganz schlichte Wetten auf die Entwicklung von zwei verschiedenen Bezugswerten. So kann man etwa darauf setzen, dass die Aktie X in einer bestimmten Zeitspanne besser laufen wird als die Aktie Y. Auch Börsenindizes und Rohstoffpreise können miteinander verglichen werden. Mitunter geht es nur um Stunden oder gar Minuten. Wegen der kaum berechenbaren Schwankungen in so kurzer Zeit sprechen Kritiker daher eher von Glücksspiel als von Geldanlage. Darüber hinaus häufen sich Betrugsvorwürfe gegen einzelne Anbieter. Britische Behörden warnen allgemein vor Brokern, die binäre Optionen im Angebot haben. Frankreichs Finanzaufsicht stuft die gesamte Branche als "hochriskant und sehr gefährlich" ein.
Die für die deutsche Wertpapieraufsicht zuständige BaFin-Exekutivdirektorin Elisabeth Roegele stellte sich jüngst in einem Zeitungsinterview "voll und ganz" hinter eine entsprechende Warnung ihrer Kollegen von der europäischen Behörde ESMA. Ob die BaFin ein Verbot binärer Optionen anstrebt, ließ sie aber offen. Israel - eine Art Zentrum der Branche - hat die Reißleine bereits gezogen und die Produkte verbannt. In den USA ist der Handel nur auf kontrollierten Märkten erlaubt, während er in Europa trotz der verstärkten Restriktionen weiter auf Hunderten unregulierten Internet-Plattformen floriert. Verlässliche Zahlen zum Marktvolumen gibt es daher nicht.
Beim auch in Deutschland tätigen Brokerhaus CMC Markets machten binäre Optionen nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus, sagt Craig Iinglis, Chef des Deutschland- und Österreich-Geschäfts. "Wir haben mit Binaries einen Wunsch unserer Kunden erfüllt, aber locken niemanden mit irreführender Werbung und hohen Renditeversprechen."
DUBIOSE INTERNETSEITEN
Gerade der unregulierte Handel - zumal in den Weiten des Netzes - öffnet Manipulationen Tür und Tor. So kann es mitunter passieren, dass auch dann alles verloren ist, wenn richtig getippt wurde. Dies beklagt etwa Jutta Strake: Die 58-Jährige selbstständige Unternehmensberaterin wollte eigenen Worten zufolge nach Verlusten mit Aktiengeschäften ihr Finanzpolster für den Ruhestand stärken und investierte 13.000 Euro bei der Firma NRGbinary mit Ursprung in Israel und späterem Sitz auf den Seychellen. Ein angeblich in Großbritannien ansässiger Mitarbeiter habe in E-Mails geworben, es gebe kaum Risiko, der Gewinn sei so gut wie sicher.
Doch dann wurde Strakes Einsatz erst ohne ihre Erlaubnis von einem Konto zum anderen verschoben, schließlich war er ganz weg. Die Kölnerin ging zur Polizei, doch der vorher so eifrige Berater war nicht mehr aufzufinden. Sie bat auch die israelische Botschaft in Berlin um Hilfe - vergeblich. "Wenn man übers Ohr gehauen wurde, hilft einem niemand", sagt Strake.
Inzwischen gehört die Geprellte zu den Wortführern des Online-Forums "Forex Peace Army", wo sich Leidensgenossen aus aller Welt über ihre Erfahrungen austauschen. Sie haben nach eigener Auskunft bei verschiedenen Anbietern viele Millionen Dollar verloren. Immer wieder taucht auf der Betrugsopfer-Website das Unternehmen NRGbinary auf, das auf Reuters-Anfragen zu den Vorwürfen nicht reagierte. Es wurde bereits in mehreren Ländern verboten, sein Personal scheint aber unter anderem Firmennamen nach altem Muster weiterzumachen.
Anbieter wie NRGbinary sorgen in der Branche für Unmut, etwa bei Nadex, der größten US-Plattform für binäre Optionen. "Wir sorgen uns seit langem, dass diese Leute im Ausland unseren Ruf schädigen", sagt Nadex-Chef Timothy McDermott.
rtr