Wenn Anleger Verluste realisieren, dürfen sie diese in der Steuererklärung mit Gewinnen verrechnen. Doch Vorsicht: Bisher durften die Verluste nicht zu hoch sein. Der Bundesfinanzhof schlug sich aber nun auf die Seite der Börsianer. Von Brigitte Watermann

Kaum zu glauben, aber wahr: Die Regeln der Abgeltungsteuer gelten schon seit fast zehn Jahren für die Versteuerung von Kapitalanlagen, aber noch immer sind die Finanzgerichte mit dem Auslegen von Detailfragen beschäftigt. Vor allem dann, wenn die Finanzverwaltung Regelungen, die eigentlich klar zu sein scheinen, kompliziert macht. So geschehen bei der Verrechnung von Verlusten mit Aktiengeschäften. Grundsätzlich dürfen realisierte Verluste aus Aktien, die seit 2009 erworben wurden, mit neuen Aktiengewinnen verrechnet werden. Doch Vorsicht: Das gilt nur dann, wenn der Verlust nicht zu groß ist, sodass der Erlös gerade mal die Bankspesen deckt oder nicht einmal die.

Dann will das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nämlich einen realisierten Verlust steuerlich nicht anerkennen. So steht das derzeit in Randziffer 59 des bereits mehrfach aktualisierten Anwendungsschreibens zu Einzelfragen der Abgeltungsteuer des BMF vom 18. Januar 2016 (Geschäftszeichen: IV C 1 - S 2252/08/10004 : 017, Dokumentennummer: 2015/0468306). Im Klartext bedeutet die Passage: Verkauft ein Anleger seine Position mit einem so hohen Verlust, dass der Erlös gerade noch für die Spesen der Bank reicht, wird der Verlust steuerlich nicht anerkannt. Für Anleger ist das natürlich ausgesprochen ärgerlich.

Fiskus eingebremst



Mit deutlichen Worten verwies der Bundesfinanzhof (BFH) den Fiskus in einem jetzt veröffentlichten Urteil (Az. VIII R 32/16 vom 12. Juni 2018) in die Schranken: Die Höhe der Veräußerungskosten sei nicht entscheidend dafür, ob ein Verlust aus der Veräußerung von Aktien steuerlich geltend gemacht werden darf. Es zählt allein, dass eine Veräußerung vorliegt, die mit einem Verlust endet. Jede entgeltliche Übertragung des - zumindest wirtschaftlichen - Eigentums auf einen Dritten werteten die Richter als eine Veräußerung. Die Höhe der Gegenleistung sei dafür ebenso egal wie die Höhe der anfallenden Transaktionskosten, so die Richter.

Im Streitfall hatte der Kläger seit 2009 Aktien zum Preis von knapp 5800 Euro erworben und sie im Jahr 2013 zu einem Gesamtverkaufspreis von 14 Euro an eine Sparkasse veräußert, die Transaktionskosten in genau dieser Höhe einbehielt. In seiner Einkommensteuererklärung 2013 machte der Kläger den Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Außerdem stellte er den Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß Paragraph 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzamt berücksichtigte die Verluste nicht und wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Klage dagegen gab zuerst das Finanzgericht statt. Auch der BFH schlug sich auf die Seite des Klägers. "Das ist ein sehr positives Urteil für Kapitalanleger", sagt Wolfgang Wawro vom Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg. "Wichtig ist aber, dass Anleger einen Verkaufsbeleg vorweisen können." Da die Banken bislang an das besagte BMF-Schreiben gebunden sind, durften sie - wie im Streitfall - einen solchen Verlust bisher gar nicht in der Jahressteuerbescheinigung vermerken.

"Betroffene Anleger sollten bisher steuerlich unberücksichtigte Verkaufsverluste für noch offene Veranlagungszeiträume über die Anlage KAP zur Steuererklärung erklären und ablehnende Steuerbescheide in diesem Punkt per Einspruch offenhalten", empfiehlt Uwe Rauhöft, Geschäftsführer des Bundesverbands Lohnsteuerhilfevereine e. V. Noch offen ist allerdings die Streitfrage, wie die bloße Ausbuchung von wertlos gewordenen Aktien aus dem Wertpapierdepot des Steuerpflichtigen steuerrechtlich zu beurteilen ist. Auch dieses Thema beschäftigt viele Anleger. Im vorliegenden Urteil hat der Bundesfinanzhof diese Frage noch offengelassen, aber auf diese Problematik hingewiesen.