Was Aktionäre bei Kapitalmaßnahmen ausländischer Unternehmen beachten sollten  Von Stefan Rullkötter

Wer Auslandsaktien im Depot hat, für den ist es ein wiederkehrendes Ärgernis: Nach Kapitalmaßnahmen wie Aktiensplits, Spin-offs oder Gratisaktienzuteilungen wird plötzlich Abgeltungsteuer vom Verrechnungskonto abgebucht, ohne dass sich am Gesamtwert des Depots etwas geändert hat. Ursache für den Geldschwund: Depotbanken behalten nach Vorgaben des Dienstleisters WM Datenservice Abgeltungsteuer auf neu zugeteilte Papiere ein - und warten dann auf Anweisungen des Bundesfinanzministeriums (BMF). Lange in Geduld üben mussten sich ebenfalls in Deutschland steuerpflichtige Aktionäre des französischen Industriegaskonzerns Air Liquide und des Ölkonzerns China Petroleum. Sie hatten im Mai 2014 und im Juni 2013, jeweils im Verhältnis eins zu zehn, junge Aktien erhalten. Die depotführenden Institute buchten für die zugeteilten Papiere die Anschaffungskosten in Höhe des Börsenkurses am ersten Handelstag ein - und rechneten zulasten der Kunden in gleicher Höhe einen steuerpflichtigen Kapitalertrag ab.

Lange Wartezeiten für Anleger



Erst nach mehr als zwei Jahren korrigierte das BMF mit einem Schreiben vom 5. September nun die Besteuerung (Gz. IV C 1 - S 2252/09/10004:009; IV C 1 - S 2252/15/10028:001). "Anleger können sich die zu unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer erstatten lassen - unabhängig davon, ob die entsprechenden Steuerveranlagungen noch offen sind", erklärt Steuerberater Daniel Sahm von Ecovis in München. Wichtig ist, dass Altaktionäre aktiv werden. Die möglichen Steuererstattungen werden nicht automatisch überwiesen. "Dafür müssen sie sich zunächst die erforderlichen Unterlagen - Bescheinigungen der depotführenden Bank, Jahressteuerbescheinigungen, Abrechnungen der Kapitalmaßnahme, Belege über Kauf und Verkauf, Depotauszüge der Jahre 2013 bis 2016 - zusammenstellen", erklärt Sahm.

Für die notwendige Anpassung der Anschaffungskosten ist die Regelung differenzierter: Befinden sich die Aktienbestände noch unverändert im Kundendepot, werden Anschaffungskosten grundsätzlich von dem depotführenden Kreditinstitut korrigiert.

Wurden die Aktien in der Zwischenzeit teilweise oder vollständig veräußert, erfolgten Depotüberträge auf andere Kreditinstitute oder wurden wie bei Air Liquide weitere Kapitalmaßnahmen vollzogen, kann nur der Fiskus die Anschaffungskosten korrigieren. "Hier werden Banken nach dem neuen BMF-Schreiben überhaupt keine Korrekturen vornehmen", erklärt Steuerberater Sebastian Meinhardt von KPMG in Frankfurt am Main. Anleger können sich die Steuer via Steuererklärung 2014 erstatten lassen. Auch bei China Petroleum ist die Steuer-erstattung nur via Veranlagung möglich. "Andernfalls kommt es zu einer Doppelbesteuerung", warnt Steuerexperte Meinhardt. Die Minderung der Anschaffungskosten führt dazu, dass die Gratisaktien bei Veräußerung faktisch zweimal besteuert werden.

Hoffnung für Ebay- & Vodafone-Fälle



Das neue BMF-Schreiben steht in einer Reihe mit früheren Korrekturen bei Google und MØller-Mærsk. Auch Ebay-Altaktionäre hoffen, dass der Steuereinbehalt für im Sommer 2015 eingebuchte Paypal-Papiere bald kassiert wird. Ob diese Abspaltung steuerneu-tral oder als steuerpflichtige Sachdividende behandelt wird, ist noch offen. Die Kapitalmaßnahme ist mit Abspaltungen vergleichbar, die laufenden Verfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) (Az. VIII R 47/13; VIII R 73/13) zugrunde liegen. Hier hatte der BFH im ersten Rechtsgang besonders auf die steuerneutrale Behandlung in den USA abgestellt und eine Steuerpflicht abgelehnt. "Betroffene sollten Steuererklärungen offen halten", rät Meinhardt.

Hoffen dürfen auch Vodafone-Alt-Aktionäre, denen 2014 Verizon-Aktien zugeteilt wurden. "Der BFH hat unmissverständlich aufgegeben zu prüfen, ob der Spin-off nach US-Recht als Kapitalrückzahlung anzusehen ist - dies wurde vom Finanzgericht bestätigt", sagt Steuerberater Sahm. Daher bleiben die Erfolgsaussichten der Klagen für Aktionäre grundsätzlich gut.