Man versucht sich in Normalität auf der iberischen Halbinsel. So fand am 26. Juni in der Arena Las Ventas in Madrid ein Stierkampf statt. Vor gut besuchten Rängen. Auch die Tech-Messe Mobile World Congress in Barcelona ging über die Bühne - inklusive Besuch des Regenten König Felipe und des Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Beide Veranstaltungen sind ein gutes Beispiel dafür, dass der Lockdown, der das Land seit Jahresbeginn lahmgelegt hatte, inzwischen in vielen Regionen aufgehoben wurde und sich Hoffnung breitmacht.
Spaniens Konjunktur kann das nur gut tun: Um elf Prozent war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vergangenen Jahr zurückgegangen. Ähnlich schlimm war es in Europa lediglich in den Nachbarländern Frankreich und Portugal. Dass es nun wieder aufwärtsgehen könnte, signalisieren derweil etliche Konjunkturindikatoren: der Einkaufsmanagerindex beispielsweise notiert auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren. Industrieproduktion sowie Konsum legen ebenfalls zu.
Bleibt der wichtige Faktor Tourismus: Rund zwölf Prozent trägt der Sektor zum Bruttoinlandsprodukt bei, weshalb man das Geschehen um die sogenannte Delta-Variante in Portugal durchaus mit Sorge beobachtet. Eine weitere desaströse Sommersaison wie im vergangenen Jahr wäre eine Katastrophe für die Branche.
Viel Geld aus Brüssel
Doch noch geht man von positiven Szenarien aus, die Prognosen für 2021 sind optimistisch: Um sechs Prozent könnte die Konjunktur im laufenden Jahr wieder zulegen. Wichtig sind dafür auch Mittel aus dem EU-Aufbaufonds: Spanien sollen laut Analysten von Goldman Sachs in den kommenden Jahren über 75 Milliarden Euro zufließen - das entspricht sechs Prozent des BIPs von 2021.
Spaniens Regierung hat der EU-Kommission inzwischen einen Plan für die Verwendung der Gelder vorgelegt: Vor allem Investitionen in grüne Projekte soll es geben: Mit 13 Milliarden Euro will Madrid beispielsweise Elektroautos fördern.
Auch die Digitalisierung wird vorangetrieben: mit zunächst vier Milliarden Euro. Eine Menge Geld. Und so geht Wirtschaftsministerin Nadia Calviño davon aus, dass die Mittel aus Brüssel in diesem und im kommenden Jahr jeweils zwei Prozent zum Wachstum beitragen werden. Zudem sollen dadurch in den nächsten drei Jahren 840 000 neue Jobs entstehen.
Das Haushaltsdefizit soll auch reduziert werden. 2020 betrug die Neuverschuldung elf Prozent. Bis 2025 soll das Defizit auf dann nur noch drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Dank wieder steigender Steuereinnahmen hofft die Regierung, auch die Gesamtverschuldung abbauen zu können. Diese beträgt aktuell 120 Prozent, für 2024 ist eine Reduzierung auf 112 Prozent vorgesehen.
Dass Spanien viel aufzuholen hat, zeigt sich auch am Aktienmarkt in Madrid. So notiert der Leitindex IBEX 35 immer noch niedriger als vor Beginn der Corona-Krise. Dies liegt jedoch auch an der Zusammensetzung des Index: Gesundheits- und Tech-Titel beispielsweise, die vor allem in der Krise profitiert haben, sind im Index nur wenig vertreten.
Aktien mit Potenzial
Doch auch wenn der Index träge erscheint, so gibt es doch gut aufgestellte Unternehmen mit Entwicklungspotenzial weit über die aktuelle Krise hinaus. So etwa den Stahlhersteller Acerinox. Das Unternehmen mit Sitz in Madrid hat sich auf die Produktion von rostfreiem Stahl und Edelstahl spezialisiert. Acerinox ist auf Wachstumskurs, hat man doch im vergangenen Jahr den weltweit führenden deutschen Hersteller von Speziallegierungen VDM Metals übernommen. Weil Anfang Juni der bisherige Großaktionär Nippon Steel seine Position halbierte, rutschte der Kurs der Acerinox-Aktie deutlich ab - was eine gute Möglichkeit für ein Investment ergibt.
Spannend - jedoch auch spekulativ - ist Endesa. Das Unternehmen ist Spaniens Wette auf die Zukunft. Bislang produziert der Energieversorger seinen Strom noch aus Kohle und Gas. Doch aus der Kohlekraft will man jetzt aussteigen und bis 2030 vollkommen CO2-frei produzieren. Damit das gelingt, baut Endesa den Bereich der erneuerbaren Energien aus. Bis Ende 2023 sollen rund drei Milliarden Euro in 23 grüne Projekte wie Wind- und Solarparks sowie Wasserstoffforschung investiert werden. Bei Letzterem ist das Ziel, die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette von der Energieerzeugung über die Produktion bis hin zum Transport abzudecken. Endesa gehört zu über 90 Prozent zu Enel, wodurch das Handelsvolumen an der Börse eher gering ist.
Ein solides Investment ist Ebro Foods. Das Madrider Unternehmen ist seit Jahren auf Expansionskurs und gehört zu den weltweit wichtigsten Reis- und Nudelherstellern. Im Bereich Reis ist man schon seit den 80er-Jahren in ganz Europa, den USA und Kanada präsent, zuletzt wurden auch führende Marken und Produkte in Asien und Afrika aufgekauft. Im Pastabereich sind die Marken Riviana und Catelli in den USA und Kanada führend, Panzani in Frankreich, Pastificio Lucio Garofalo und Bertagni in Italien. Weil man mit Teigwarenmarken auch in Belgien, Ungarn, Großbritannien, Algerien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Tschechien und Russland präsent ist, hat sich Ebro in nur 13 Jahren als zweitgrößter Teigwarenhersteller der Welt positioniert. Beide Geschäftsbereiche - Reis und Nudeln - tragen jeweils etwa zur Hälfte des Konzernumsatzes bei. Ebro besticht zudem durch eine aktionärsfreundliche Dividendenpolitik.
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