Bleibt der 3-D-Druck ein Wachstumsmarkt? Ja, lautet das eindeutige Votum der Expertin Stefana Karevska, Direktorin im GSA Advisory der Unternehmensberatung EY. Sie konkretisiert: "In den Anfangsjahren wurde bei großen Marktteilnehmern auf die Nachfrage im privaten Bereich gesetzt. Hier bleibt der 3-D-Druck aber oft eine schöne Spielerei ohne Breitenwirkung. Die Zukunft des 3-D-Printings liegt eindeutig in der industriellen Nutzung mit größeren Druckern zwischen 50 000 und einer Million Euro. Und das sowohl auf kurz- als auch auf mittelfristige Sicht." Nach Einschätzung von EY werden bis Ende nächsten Jahres rund 80 Prozent der Unternehmen weltweit erste Erfahrungen mit 3-D-Druck in der sogenannten additiven Fertigung, englisch Additive Manufacturing (AM), gemacht haben.
Schicht für Schicht zum Bauteil
Dabei handelt es sich um ein industrielles Produktionsverfahren, das dreidimensionale Gegenstände durch Auftragen, Hinzufügen und Ablagern von Material mittels chemischer oder physikalischer Klebe- oder Schmelzmethoden erzeugt. Schicht für Schicht arbeitet sich ein 3-D-Drucker vor. Nur wenige Stunden dauert es, bis ein Bauteil fertig ist. Entharzt und mit Licht gehärtet, ist es dann einsatzbereit. Mithilfe unterschiedlichster Materialien entstehen neue Bauteile: Polymere und Metalle werden von der Industrie bevorzugt. Aber auch Glas, Sand, Keramik und Zucker eignen sich.
Je nach Verfahren wird mit flüssigen (Polyjet- oder Inkjetverfahren) oder pulverförmigen (Binder Jetting) Stoffen oder mit Material von der Spule (Fuse Deposition Modeling) gearbeitet. Das Einsatzgebiet des Werkstücks gibt die Druckart vor.
Grundsätzlich spricht für Produktionsverfahren mit 3-D-Technik ein hohes Maß an Flexibilität. Passgenaue Bauteile - selbst mit komplexen Geometrien - lassen sich einfach und schnell herstellen. Die EY-Studie 2019 ergab außerdem, dass mithilfe des 3-D-Drucks Kundenanforderungen besser erfüllt werden können. In maßgeschneiderten Endprodukten sieht Karevska einen der großen Branchentrends. Für die Zukunft erwarten Unternehmen zudem Vorteile in einer Reduzierung von Logistik-, Transport- und Lagerkosten.
An der entscheidenden Schwelle
Da geringfügige Anpassungen schnell und kostengünstig möglich sind, wird 3-D-Druck in der Automobilindustrie vor allem für Prototypen (Rapid Prototyping) eingesetzt. Hält ein Bauteil beispielsweise im Windkanal nicht stand, ist eine zeitnahe Anpassung, auch durch Iteration, möglich. "Diese Branche steht an einer entscheidenden Schwelle", erläutert Florian Künne von Postprocess Technologies, "weg von den reinen Prototypen und der Vorproduktion hin zur Fertigung mit 3-D-Bauteilen in der Produktionskette."
Rund zwölf Prozent des 3-D-Marktvolumens wird bis 2030 - gemäß Statista-Angaben - die Automobilbranche auf sich vereinen. Mit einem zukünftigen Anteil von rund 40 Prozent ist die Luftfahrtindustrie deutlich stärker vertreten. "Bereits heute haben Flugzeugbauer vollständige 3-D-Komponenten, wie etwa Cockpitverkleidung, in ihren Produktionsprozess integriert", erklärt der Branchenexperte. Auch in der Medizin, die bis 2030 rund 23 Prozent des 3-D-Drucks ausmachen wird, liefern die 3-D-Teile zum jetzigen Zeitpunkt passgenaue Lösungen. Etwa bei Implantaten. Hüftgelenke, die es bis vor wenigen Jahren nur in Standardgrößen gab, können nun individuell produziert werden.
Problematische Nachbearbeitung
Doch warum geht es in diesem Markt nur schleppend voran? Hohe Investitionskosten für 3-D-Drucker und der Mangel an Fachpersonal bremsten den Einsatz der 3-D-Technologie, liest man häufig. Karevska unterstreicht die These: "90 Prozent der befragten Unternehmen sind die Kosten für das Material zu hoch, 87 Prozent die Kosten für die Systeme." Florian Künne ergänzt: "Die aufwendige, oft manuelle Nachbearbeitung ist für ein Viertel der Teilekosten verantwortlich." Hier setzen sogenannte Post-Production-Verfahren an. "Bauteile, die unmittelbar aus dem 3-D-Drucker kommen, sind häufig nur zu 80 Prozent fertig und müssen nachbearbeitet werden", erläutert der Branchenkenner. Das koste Zeit und Geld. Faktisch sei das Produkt in einer Vielzahl der Fälle nicht hundertprozentig automatisiert hergestellt, passgenau und identisch.
Hier setzen Firmen wie Postprocess Technologies an. Mithilfe von Hard- und Software wird das Werkstück finalisiert, das heißt Stützstrukturen werden entfernt und Oberflächen geglättet. Eine Software überwacht den Abtragungsprozess, um ein exaktes Ergebnis zu erzielen. Zukünftig soll diese Software direkt mit 3-D-Druckern kommunizieren können und eine vollautomatische Produktion ermöglichen. Die Softwareentwicklungen und zunehmende Vernetzung sollten 3-D-Druck-Unternehmen noch einmal gehörigen Schub verleihen.
Die Gewinner der Branche sind - nach Meinung der EY-Direktorin - jene, die Preis, Qualität und Produktionsgeschwindigkeit verbessern können. Berücksichtigt man diese Kriterien, lohnt unseres Erachtens ein Blick auf das US-Unternehmen Carbon 3D Inc. Dessen CLIP-Technologie beweist mit dem 25- bis 100-Fachen der herkömmlichen Druckgeschwindigkeit Innovationskraft. Molekularchemie wird hier mit Hard- und Softwareentwicklungen kombiniert. Finanziell ist Carbon auch gut aufgestellt: Millioneninvestitionen flossen etwa von Adidas Ventures, GE und Fidelity. Die Vorbereitungen für einen Börsengang liefen zu Jahresbeginn, scheinen aber wegen der Pandemiesituation zurückgestellt. Wir warten auf das "Unicorn" der Branche. Der Anlegerfokus liegt bislang auf Herstellern wie 3D Systems, Stratasys (Polymer) oder General Electric Additiv (Metall). Auch der Druckerhersteller HP versucht, in diese Riege vorzustoßen. Wachstumschancen böten sich aber auch, sagt Karevska, bei Druckdienstleistern, die im Auftrag der Industrie fertigten.
Auf dem Kurszettel findet sich da die an der NYSE notierte Aktie von Proto Labs. Der US-Anbieter produziert kurzfristig und in kleinen Stückzahlen Sonderteile, vornehmlich im Metallbereich. Die Aktienkursentwicklung ist volatil, aber zum Jahresschluss durchaus erfreulich: Im Jahresvergleich notiert die Aktie rund 47,4 Prozent im Plus, auch wenn die jüngsten, etwas schwächeren Quartalszahlen die Abhängigkeit von der Corona-geschwächten Industrie zeigen.
Interessant ist auch SLM Solutions. Zuletzt gab es wieder bessere Verkäufe: In den ersten neun Monaten 2020 stiegen die Umsätze um 37 Prozent. Der Auftragsbestand liegt ebenfalls über Vorjahr. Zudem hat das Unternehmen gerade ein neues Laserschmelzsystem vorgestellt, das nach eigenen Angaben das produktivste auf dem Markt sein soll. Wir stufen die Aktie von "Beobachten" auf "Kaufen" hoch.
Dass der Markt die zunehmende Softwarevernetzung honoriert, zeigt die positive Kursentwicklung der Softwarehäuser. Die Aktie des CAD-Spezialisten Autodesk verzeichnete auf Jahresbasis bereits einen Anstieg um rund 52,3 Prozent. Das Quartalsergebnis weist einen Gewinn von 96 US-Cent je Aktie, und damit 23 Prozent Plus auf. Faro Technologies, spezialisiert auf Messtechnik mit CAM2-Systemen, legte auf Jahresbasis um rund 29,4 Prozent zu. Im vergangenen Quartal stehen zwar minus 17 US-Cent je Aktie zu Buche, dennoch ist das zum Vorjahr eine deutliche Verbesserung.
Auf einen Blick: 3-D-Druck
Additive Fertigung: Erst gehypt, dann folgte die Ernüchterung. Aber die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie könnten der Branche einen Schub geben. Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile des 3-D-Drucks: eine flexible Fertigung nach Bedarf.