Vor zehn Jahren überschlugen sich die euphorischen Berichte über den neuartigen 3-D-Druck. Nichts schien mehr unmöglich mit dieser bahnbrechenden Technologie. Man hatte den Eindruck, als wäre es lediglich eine Frage der Zeit, bis jeder Bürger seinen eigenen privaten 3-D-Drucker in der Wohnung stehen hat, mit dem er sich von der Frühstückstasse bis zum Haustürschlüssel alles selbst drucken könnte, und das ohne nur einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen.
Mit revolutionären Technologien ist das aber so eine Sache. In der Tat bergen die Ideen meist enorme disruptive Sprengkraft - man denke nur an das Internet. Allerdings ist es von der Idee und den ersten Prototypen meist noch ein weiter und steiniger Weg zu nachhaltig profitablen und vor allem skalierbaren Geschäftsmodellen. Bis das Gros der Anleger das realisiert, kann die Investition in solche Trends durchaus lukrativ sein.
Als Beispiel hierfür dient die Aktie des ehemaligen 3-D-Druck-Highflyers 3D Systems, die sich vom Börsengang im Sommer 2011 innerhalb kürzester Zeit mehr als versechsfacht hat. Als aber auch der gefühlt letzte Privatanleger auf den scheinbar unaufhaltbaren Zug aufgesprungen war, ging es in den darauffolgenden Jahren steil und stetig bergab. Plötzlich interessierte man sich nicht nur mehr ausschließlich für die spannende Story. Verstärkt rückten wieder fundamentale Aspekte in den Fokus der Investoren. Wo blieben die angekündigten Profite? In wie vielen Haushalten und Unternehmen waren 3-D-Drucker in Betrieb? Als auch dem letzten Investor bewusst wurde, dass man wohl zu sehr auf Luftschlösser gesetzt hatte, standen bereits hohe zweistellige Kursverluste an.
Der Markt ist reifer geworden
Ein Jahrzehnt später scheint der 3-D-Druck aber endlich den Kinderschuhen entwachsen zu sein und könnte bereit für den nächsten Schub sein. Laut der Unternehmensberatung McKinsey ist reichlich Potenzial vorhanden. Sie schätzt das weltweite Marktvolumen für 3-D-Druck im Jahr 2025 auf ein Volumen zwischen 180 und 490 Milliarden Dollar. Das US-Medizintechnikunternehmen Stryker hat sich vollends zu der Technologie bekannt und verkauft bereits eine ganze Palette an Implantaten, die per additiver Fertigung produziert werden. Der Vorteil: Die Technologie ermöglicht es, die gedruckten Teile mit einer porösen Struktur zu versehen. Somit verwachsen die Implantate besser mit Knochen und Gewebe und sorgen für einen besseren Behandlungsverlauf.
Mit der bereits angesprochenen 3D Systems aus South Carolina unterhält Stryker zudem eine Partnerschaft, deren Inhalt zwar arg futuristisch klingt, aber bereits in der Praxis erprobt ist. So wird im Vorfeld einer Operation ein 3-D-Modell des zu operierenden Körperteils erstellt. Der Chirurg kann sich anhand dieses Modells also bereits vorab ein Bild über den möglichen Operationsverlauf machen. Damit sparen 3D Systems und Stryker den Chirurgen und Patienten kostspielige und nervenaufreibende Verzögerungen im Operationssaal und verringern das Risiko von Komplikationen.
Neue Geschäftsfelder
Auch bei HP, dem Hersteller konventioneller Drucker, standen die Uhren nicht still. Das Unternehmen ging 2014 mit einem eigenen 3-D-Drucker an den Start. Die lizenzierte "HP Metal Jet-Technologie" soll hauptsächlich Kunden aus der Industrie ansprechen. Dabei hat diese Technologie gegenüber herkömmlichen Guss- oder Laserverfahren einen Vorteil in Bezug auf die Geschwindigkeit der Druckvorgänge.
Den Angriff auf den neuen verheißungsvollen Markt hat das Unternehmen bitter nötig. So fungiert das Smartphone in mehr und mehr Haushalten bereits als Ersatz für herkömmliche Laptops oder Computer, der Druck von Dokumenten wird zunehmend obsolet. Kein Wunder, dass die Verkaufszahlen von konventionellen Druckern für private Haushalte rückläufig sind. Bei HP zeigt sich diese Tendenz in Form stagnierender Umsätze. Das Geschäft mit 3-D-Druckern für Kunden aus der Industrie kommt da gerade recht.
Gedruckte Flugzeuge
Ein Beispiel für neue Geschäftsfelder sind etwa Flugzeugbauer. Diese sind auf Bestandteile angewiesen, die gleichzeitig Stabilität, Flexibilität und geringes Gewicht in sich vereinen. Wo herkömmliche Gussmethoden scheitern, kann der 3-D-Druck mit seiner individualisierbaren Herstellungsmethode seine Vorteile ausspielen. Hat HP in diesem Bereich mit seinen Druckern Erfolg und kann vor allem beweisen, dass der neue Geschäftszweig skalierbar ist, könnte dies der nur mittelmäßigen Profitabilität der Kalifornier auf die Sprünge helfen.
Obwohl das Geschäft mit herkömmlichen Druckern mittlerweile extrem margenschwach ist, kann sich der Konzern nach wie vor satte Gewinnausschüttungen an seine Aktionäre leisten. Die Dividendenrendite für 2020 wird mit 3,3 Prozent veranschlagt. Geringe Kapitalaufwendungen für das tägliche Geschäft machen dies möglich und sorgen bis dato noch immer für einen satten freien Cashflow von knapp vier Milliarden Dollar. Auch charttechnisch macht der Titel einen guten Eindruck.
Phönix aus der Asche
3D Systems hingegen scheint von schwarzen Zahlen noch immer weit entfernt zu sein. Das ebenfalls in den USA beheimatete Unternehmen vertreibt von 3-D-Druckern über Druckmaterialien bis hin zur passgenauen Software alles, was für die Produktionsmethode notwendig ist. 3D Systems zählt Kunden aus der Luftfahrt, der Medizintechnik sowie der Automobilindustrie zu seinen Abnehmern. Der Grund, warum der Titel bisher nicht aus den Startlöchern kam, waren die stagnierenden Umsätze. Dass das Geschäftsmodell an sich zukunftsfähig ist, zeigt sich an der Bruttomarge von 44 Prozent. Value-Investoren wie Warren Buffett setzen bei ihren Investments meist nur auf Unternehmen mit einer Bruttomarge von mindestens 40 Prozent. Problematisch bei 3D Systems ist, dass das Unternehmen abzüglich der Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie den Vertrieb nach wie vor in den roten Zahlen steckt. Das Problem der Branche liegt momentan noch in der unzureichenden Skalierbarkeit des Geschäfts. Es gibt zwar hochdotierte Einzelaufträge, aber aufgrund der Individualität der Aufträge entfällt der Kostenvorteil von Produktion auf Masse.
Trotzdem sorgen allein die angebotenen Lösungen der 3-D-Modelle für Chirurgen für Fantasie bei der Aktie. Gut möglich ist auch, dass Stryker 3D Systems irgendwann komplett übernimmt, anstatt sich mit einer Partnerschaft zu begnügen. Bei einer Börsenbewertung von lediglich 1,2 Milliarden Euro könnte Stryker den Kaufpreis schließlich aus der Portokasse begleichen. Womit sich der Kreis beim Medizintechnikunternehmen aus Michigan schließt. Neben Implantaten aus dem 3-D-Drucker verfügt Stryker über ein enorm diversifiziertes Produktportfolio. Chirurgieroboter, verschiedenste Implantate, medizinische Diagnosegeräte und Ausrüstung für Operationssäle sorgen für jährlich anziehende Absatzzahlen im hohen einstelligen Bereich. Dass die Produkte ausgereift sind und einen hohen Qualitätsstandard aufweisen, zeigt sich allein an der starken operativen Marge von 18 Prozent und der Eigenkapitalrendite von satten 30 Prozent.
Gut, aber nicht günstig
Die Aktie strotzt nur so vor fundamentaler Qualität, was sich in einer erhöhten Börsenbewertung bemerkbar macht. Im selben Zeitraum, in dem 3D Systems um 90 Prozent eingeknickt ist, haben sich Anteilscheine von Stryker nahezu verdreifacht. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis von 23,1 wirkt zwar nicht günstig, relativiert sich aber in Anbetracht der hohen Wachstumsraten und der starken Profitabilität.
Wer sich also bei Stryker engagieren will, sollte einen Einstieg über mehrere Tranchen verteilen. Bei einer ausgedehnten Korrektur hingegen steht einem beherzten Griff nichts im Weg.