Noch wäre es zu früh, ein Fazit der laufenden Berichtssaison in Deutschland zu ziehen. Neben einigen Gewinnwarnungen überraschten nur wenige Unternehmen positiv. Auch die erfolgsverwöhnten Aktionäre von Adidas dürften mit dem vorgelegten Zahlenwerk nicht durchweg zufrieden sein. Und genau darin liegt ein Problem: Inzwischen sind die Erwartungen sehr hoch und werden von den Firmen nur noch selten deutlich übertroffen.
Zwar revidierte das Adidas-Management die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr 2018 nach oben. Höhere Gewinnziele waren aber bereits eingepreist, die Bilanzpräsentation wurde daher am Markt mit Verlusten quittiert. Beim zweitbesten Wert im DAX hinter Wirecard sind Gewinnmitnahmen auch wenig überraschend. Erst Ende August war der Kurs auf Rekord gestiegen.
Nicht ganz so überzeugend verlief zudem die Umsatzentwicklung. In Nordamerika brummt nach wie vor das Geschäft. Adidas drängt die Konkurrenz wie Nike zurück, der Markt legte nur um vier Prozent zu, während der DAX-Konzern ein Wachstum von 16 Prozent verzeichnete. Rund ein Fünftel steuert die Region zu den Gesamtumsätzen bei. In China machte Adidas sogar einen Sprung von 26 Prozent. Das Problem: In Westeuropa rückt die durchschnittliche Wachstumsrate der vergangenen Jahre von 15 Prozent außer Reichweite. Nach neun Monaten verzeichnet Adidas auf dem zweitgrößten Markt hinter Asien nur ein Prozent Wachstum, bei den relevanten Wettbewerbern lief es wesentlich besser. Adidas hat sich hier zu lange auf den Erfolg seines Lifestyle-Segments Originals verlassen. Mit Firmen-Urgestein Arthur Hoeld weht seit dem Sommer ein frischer Wind auf dem Heimatmarkt, die Strukturen werden vereinfacht.
Internet als Treiber
Unter dem Strich zeichnet sich ab, dass Adidas wohl auch im kommenden Jahr nicht mehr so einfach den Hype der vergangenen Jahre fortsetzen kann - zumindest nicht in Europa. Auf der anderen Seite sind die Margen in China und im Internet größer als auf dem Heimatmarkt. Vor allem im lukrativen E-Commerce-Bereich ist noch viel Potenzial, hier erzielt Adidas sieben Prozent des Umsatzes, der Bereich weist zudem enorme Wachstumsraten auf. Der Direktverkauf über das Internet schnellte um 76 Prozent nach oben. Ein Sorgenkind bleibt auch Reebok, ein nachhaltiger Ergebnisaufschwung zeichnet sich vorerst nicht ab. Allerdings steuerte die Tochter 2017 auch nur knapp neun Prozent zum Konzern-Umsatz bei.
Bewertungsabschlag spricht für die Aktie
Die Mehrheit der Analysten blickt dennoch optimistisch in die Zukunft und stuft die Aktie mit "Kaufen" ein bei einem durchschnittlichen Kursziel von 227 Euro. Allerdings scheint die Fantasie selbst bei den Experten allmählich ausgereizt zu sein, die Gewinnschätzungen für 2019 bewegen sich seit März seitwärts und liegen bei 9,62 Euro je Aktie. Das daraus abgeleitete KGV von knapp 21 übertrifft zwar deutlich den DAX-Durchschnitt von rund 11,5. Wichtig ist hier aber der Branchenvergleich. Amer Sports, Nike und Puma werden mit einem Faktor von 21 bis 28 gehandelt, der Branchen-Durchschnitt liegt bei rund 25. Die Adidas-Aktie weist somit einen Bewertungsabschlag von 16 Prozent auf. Aufgrund der gestiegenen konjunkturellen Unsicherheiten mit Blick auf das kommende Jahr nimmt aber auch das Risiko bei Konsumwerten wie Adidas zu.
Korridor weist den Weg
Punkten kann der DAX-Wert hingegen auf charttechnischer Basis. Während der Index selbst und die Mehrzahl der Mitglieder deutlich unter der viel beachteten 200-Tage-Linie (violett) laufen, behaupten die Papiere des Sportartikelherstellers den Durchschnitt. Der Mittelwert zeigt sogar aufwärts, langfristig ist der positive Trend intakt. Allerdings sollten Anleger keine Wunder erwarten.
Entwickelt sich die Wirtschaft 2019 halbwegs robust, dürfte die Aktie im Rahmen des Aufwärtskanals (grün gestrichelt) weiter nach oben laufen. Dieses Szenario entspricht auch der fundamentalen Einschätzung. Der Korridor lässt aktuell Spielraum von knapp 180 bis 225 Euro - Tendenz steigend. Trader, die nur kurzfristig aktiv sein wollen, achten auf den Abstand zum Monatsdurchschnitt (blauer Indikator unter dem Chart). Ab einer Differenz von mehr als acht Prozent nach oben steigt die Korrekturgefahr. Gute Nachkaufgelegenheiten eröffnen sich bei Rücksetzern von mehr als 4,5 Prozent unter die 21-Tage-Linie.