Der US-Softwarekonzern übernimmt für 20 Milliarden Dollar ein Start-Up. Der Rekord-Deal gilt als extrem teuer. Die Aktie bricht an der Wall Street ein. Von Stephan Bauer
Erwartet hatte die Wall Street am vergangenen Donnerstag vom US-Softwarekonzern Adobe ein gutes Set von Quartalszahlen. Die lieferte das Unternehmen aus San José auch brav ab: Der Umsatz kletterte in den drei Monaten bis Ende August um immerhin 13 Prozent auf über 4,4 Milliarden Dollar, der bereinigte Gewinn pro Aktie lag mit 3,40 Dollar leicht über den Erwartungen der Analysten.
Adobe schockt mit Milliarden-Übernahme
Bei der Nachricht, die Chef Shantanu Narayen dann außerdem im Gepäck hatte, stockte Aktionären dann allerdings der Atem. Für rund 20 Milliarden Dollar, je zur Hälfte in Cash und in Aktien, übernimmt Adobe das Start-Up Figma. Damit ist es nicht nur die größte Übernahme in der Konzerngeschichte. Der Deal, über den im Vorfeld bereits spekuliert wurde, markiert mit diesem Volumen zugleich die bislang teuerste Übernahme eines privaten Software-Unternehmens überhaupt, so Daten des Nachrichtendienstes Bloomberg.
Das Software-Start-Up aus San Francisco galt bereits vor dem Megadeal als eine der heißesten Firmen im Silicon Valley. Die bekannte Private-Equity-Firma Kleiner Perkins etwa ist investiert, in der jüngsten Finanzierungsrunde vor rund einem Jahr wurde der Anbieter einer Kollaborationsplattform, die vor allem von Softwareentwicklern genutzt wird, mit rund zehn Milliarden Dollar bewertet. Adobe hat die Bewertung glatt verdoppelt. „Die richtige Firma machte uns ein Angebot, das wir nicht ablehnen konnten“, so Figma-Boardmitglied Mamoon Hamid, der auch Partner bei Kleiner Perkins ist.
Das ist bei der Adobe-Aktie jetzt wichtig
Am Markt allerdings blieb der Eindruck, dass das Geschäft für Adobe vor allem eines war: ein sehr teurer Deal. Die Aktie ging mit einem Minus von 17 Prozent aus dem Handel, war damit das Schlusslicht im breiten US-Index S&P 500. Weiterer Grund für die herben Verluste ist der offensichtlich sehr langfristige Horizont der Übernahme. Das Kollaborationsgeschäft von Figma gilt zwar als ausgesprochenes Wachstumsfeld, weil die Technologie Entwicklungsprozesse in der Softwarebranche deutlich beschleunigt. Der adressierbare Markt, also das potenzielle Umsatzvolumen des Marktsegmentes, auf das Figma abzielt, soll laut Unternehmen bei 16,5 Milliarden Dollar im Jahr 2025 liegen.
Doch bis Adobe aus dem Deal, der voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres abgeschlossen werden soll, nennenswerte Gewinne holt, wird es dauern. Erst am Ende des dritten Jahres nach der Übernahme soll Figma demnach positive Beiträge zum bereinigten Gewinn pro Aktie von Adobe liefern. In Zeiten stark steigender Zinsen aber ist die Geduld der Börsianer sehr begrenzt.