Doch die rasende Verbreitung der neuen Virus-Variante Omikron könnte die Erholung des Luftverkehrs wieder zurückwerfen. Was bei Airbus los ist, was Analysten sagen und wie sich die Aktie entwickelt.
DAS IST LOS BEI AIRBUS:
Mit einer Produktionskürzung von 40 Prozent und dem Abbau tausender Jobs hat die Pandemie bei Airbus deutliche Spuren hinterlassen. Doch der Dax-Konzern (DAX 40) profitiert weiter von der Schwäche seines Konkurrenten Boeing, der im Geschäft mit Passagierjets von einer Krise in die nächste steuert.
Dass Airbus 2019 zum weltgrößten Flugzeughersteller aufstieg, lag zu diesem Zeitpunkt an Boeings Fehlern. Der US-Konzern durfte nach zwei tödlichen Abstürzen seines modernisierten Mittelstreckenjets 737 Max ab März 2019 mehr als eineinhalb Jahre lang keine Maschinen der Reihe mehr ausliefern. Airbus gelang mit 863 Flugzeugen hingegen ein Auslieferungsrekord.
Auch wenn Faury im laufenden Jahr nur rund 600 Auslieferungen erwartet, dürfte Airbus den US-Rivalen erneut weit hinter sich lassen: Boeing hat bis Ende November 302 Passagier- und Frachtjets an seine Kunden übergeben. Bei Airbus waren es 518. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg ist der Hersteller trotz mehrerer Verzögerungen auf Kurs zu seinem Jahresziel.
Inzwischen zieht auch die Nachfrage wieder an. So holte Airbus im laufenden Jahr bis kurz vor Weihnachten Bestellungen über rund 740 Passagier- und Frachtflugzeuge herein - nach Abzug von rund 240 Stornierungen bis Ende November bleiben davon rund 500 übrig. Viele Fluggesellschaften wollen ihre Flotten mit Maschinen erneuern, die weniger Treibstoff verbrauchen als ihre Vorgänger.
So tauscht die niederländische Fluggesellschaft KLM ihre Boeing-737-Jets gegen die Konkurrenzmodelle aus Airbus' A320neo-Familie aus, der Konzern Air France-KLM bestellte insgesamt gleich 100 Maschinen. Auch die australische Fluggesellschaft Qantas entschied sich in Segment für einen Wechsel von Boeing zu Airbus. Außerdem punkteten die Europäer mit der Frachtversion des Großraumjets A350. Auch Singapore Airlines will das Flugzeug haben - und damit ihre Jumbos vom Typ Boeing 747F ersetzen. Der A350-Frachter soll im Jahr 2025 in Dienst gehen.
Airbus treibt Boeing seit einiger Zeit vor sich her. Die Entwicklung der "Max" als Neuauflage der Boeing 737 war eine Reaktion auf den Erfolg des weniger spritdurstigen Airbus A320neo und dessen längerer Variante A321neo. Diese Mittelstreckenjets mit nur einem Gang zwischen den Sitzreihen stehen den Marktprognosen der Hersteller zufolge für rund drei Viertel der Nachfrage.
Das Segment dürfte noch wichtiger werden, denn der Flugverkehr auf der Langstrecke erholt sich langsamer als auf der Kurz- und Mittelstrecke. Die Hersteller haben ihre Produktion von Großraumjets wie Airbus A350 und A330neo sowie Boeing 777 und 787 "Dreamliner" daher besonders deutlich zusammengestrichen. Außerdem kann Boeing seine "Dreamliner"-Maschinen wegen technischer Mängel schon seit Monaten nicht mehr ausliefern. Und die sparsamere Neuauflage der noch größeren 777 hat sich auf 2023 verschoben.
Airbus nutzt die Schwäche aus. Während die Produktion der Boeing 737 Max Anfang nächsten Jahres auf 31 Maschinen pro Monat steigen soll, liegt die A320neo-Familie schon jetzt bei 45 Stück. Ab Sommer 2023 sollen es monatlich sogar 65 Jets werden - so viele wie nie zuvor. Für 2025 hat Faury sogar 75 Maschinen pro Monat im Auge. Und 2023 soll der Airbus A321XLR fertig sein, die Langstreckenversion der A321neo.
Bei Airbus zeigt man sich bisher sicher, dass die Nachfrage den Produktionsausbau stützt. Die wieder verschärften Reisebeschränkungen wegen der Omikron-Variante des Coronavirus sind jedoch ein schlechtes Zeichen. Wenn sich die Pandemie im neuen Jahr weiter verschärft, dürfte das Folgen für die Kapazitätsplanung der Airlines haben - und damit für den Bedarf an neuen Flugzeugen.
Dabei ging es bei Airbus zuletzt finanziell wieder deutlich aufwärts. Ende Oktober hob Faury das Gewinnziel für 2021 zum zweiten Mal an. Der bereinigte operative Gewinn (Ebit) soll nun auf 4,5 Milliarden Euro klettern. Der Konzern kann Geld gebrauchen: Bis 2035 will Faury ein erstes Passagierflugzeug mit Wasserstoffantrieb auf den Markt bringen und damit CO2-neutrales Fliegen möglich machen. Diese Entwicklung dürfte ab den Jahren 2027/2028 teuer werden.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Wie die Papiere anderer Luftfahrt-Unternehmen auch ist die Airbus-Aktie in der Corona-Pandemie zeitweise schwer unter die Räder gekommen. Hatte ihr Kurs noch im Januar 2020 an der Frankfurter Börse bei 139,40 Euro ein Rekordhoch erreicht, ging es bis Mitte März auf 47,70 Euro nach unten. Erst mit den Meldungen über die ersten wirksamen Impfstoffe im November 2020 und damit der Aussicht auf Auftrieb für den Flugverkehr schwenkte die Aktie auf einen nachhaltigen Erholungskurs ein.
Als die Airbus-Führung dann in diesem Sommer überraschend gute Quartalszahlen vorlegte, schoss der Aktienkurs sogar kurzzeitig bis auf rund 121 Euro nach oben. Im September folgte der Dax-Aufstieg bei der Index-Erweiterung. Doch die Enttäuschung folgte im November. Nach dem Aufkommen der neuen Virus-Variante Omikron sackte der Airbus-Kurs zeitweise auf unter 97 Euro ab. Bis kurz vor Weihnachten erholte er sich zwar wieder auf etwa 112 Euro, das bisherige Spitzenniveau aus der Zeit vor der Krise ist aber immer noch ein gutes Stück entfernt.
Allerdings hat sich Airbus in den vergangenen fünf Jahren an der Börse deutlich besser geschlagen als Rivale Boeing. Dessen Aktienkurs hatte sich zwischen Ende 2016 und Anfang März 2019 fast verdreifacht. Doch nach dem Desaster um die Boeing 737 Max nivellierte sich das Bild. Die Corona-Krise erwischte die Boeing-Aktie schließlich noch etwas schlimmer als die von Airbus. Und von der Erholung der Luftfahrt nach den Einschlägen der Krise profitierten die Airbus-Aktionäre deutlich stärker als die von Boeing. Im Vergleich zur Weihnachtszeit 2016 hat die Airbus-Aktie um mehr als 75 Prozent zugelegt, fast dreimal so stark wie das Boeing-Papier.
Dennoch ist Boeing mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet rund 105 Milliarden Euro immer noch mehr wert als sein europäischer Rivale, der lediglich auf rund 88 Milliarden kommt.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Branchenexperten sind der Airbus-Aktie fast durchweg zugetan. Elf der von dpa-AFX erfassten Analysten haben ihre Einschätzung seit der Vorlage der Neunmonatszahlen Ende November erneuert. Zehn von ihnen empfehlen den Kauf des Airbus-Papiers, lediglich Aymeric Poulain von der Investmentbank Kepler Cheuvreux rät zum Halten. Im Schnitt schreiben die Analysten der Aktie ein Kursziel von mehr als 141 Euro zu - womit das Papier seinen Rekord von Anfang 2020 brechen würde.
Aus Sicht von Harry Breach vom Analysehaus Stifel belegen die Zahlen des dritten Quartals Airbus' Erholung bei Umsatz und Barmittelzufluss. Der Hersteller verdanke dies seinem Marktanteil bei den Mittelstreckenjets, wo er Boeing längst auf den zweiten Platz verwiesen habe. Mit einem Kursziel von 155 Euro gehört Stifel zu den optimistischsten Analysehäusern. Auch Andew Gollan von der Bank Berenberg spricht wegen der Erfolgsaussichten der A320neo-Reihe eine klare Kaufempfehlung für die Aktie aus.
Celine Fornaro von der schweizerischen Großbank UBS setzt in der Branche ebenfalls auf Unternehmen mit einem hohen Geschäftsanteil bei Mittelstreckenjets - neben Airbus die Triebwerkshersteller SAFRAN und MTU (MTU Aero Engines), die Antriebe für die A320neo-Reihe liefern. Dennoch gehört Fornaro mit einem Kursziel von 132 Euro zu den etwas vorsichtigeren Experten.
dpa-AFX