DAS IST LOS BEI AIRBUS:
Die Corona-Pandemie hat wichtige Airbus-Kunden in eine ungekannte Existenzkrise gebracht. Dass Fluggesellschaften in aller Welt von jetzt auf gleich fast ihr ganzes Geschäft wegbrach, hätte auch die dicken Auftragsbücher des Herstellers in Gefahr bringen können. Doch bisher gelang es dem Flugzeugbauer, allzu große Stornierungen zu vermeiden.
Allerdings wollen viele Airlines bestellte Maschinen erst später abnehmen als geplant. Deshalb hat Airbus-Chef Guillaume Faury die Produktion kurz nach Beginn der Pandemie im Schnitt um 40 Prozent gedrosselt. Auch einen Konzernumbau hat er eingeleitet - einschließlich des Abbaus tausender Arbeitsplätze. Doch nach der Krise dürften die Kunden um so mehr neue Maschinen haben wollen, schätzt man bei Airbus. Deshalb schmiedet der Hersteller schon wieder mutige Pläne.
Ende Juli überraschte die Airbus-Führung die Anleger an den Finanzmärkten bereits mit unerwartet guten Geschäftszahlen aus dem zweiten Quartal - und verdoppelte ihre Gewinnprognose für das laufende Jahr. Faury rechnet im Tagesgeschäft (bereinigtes Ebit) jetzt mit vier Milliarden Euro Gewinn - doppelt so viel wie bisher als Minimum angepeilt. Nach der ersten Jahreshälfte hat Airbus schon 2,7 Milliarden erreicht.
Dabei basiert die erhöhte Gewinnprognose nicht so sehr auf einem höheren Umsatz, sondern auf einer überraschend guten Kostenentwicklung. Nach den Plänen des Vorstands soll Airbus in diesem Jahr jetzt rund 600 Verkehrsflugzeuge ausliefern und damit etwas mehr als die 566 aus dem Krisenjahr 2020. Der Rekord von 863 ausgelieferten Maschinen aus dem Jahr 2019 ist aber immer noch weit entfernt.
Die Corona-Krise sei noch nicht vorüber, warnte Faury. Allerdings fährt der Hersteller die Produktion seiner Mittelstreckenjets der A320-Modellfamilie in der zweiten Jahreshälfte wieder von 40 auf 45 Maschinen pro Monat hoch. Für 2023 plant Airbus sogar mit einer Rekordproduktion von monatlich 64 Jets, und für 2025 lotet das Management eine Monatsproduktion von 75 Exemplaren aus. Auch die Produktion der kleineren A220-Reihe soll zulegen.
Anders bei den größeren Langstreckenmaschinen A330neo und A350: Deren Produktion soll vorerst auf einem gedrosselten Niveau bleiben. Denn die Pandemie hat das Geschäft mit Fernflügen noch viel stärker getroffen als die Fliegerei auf der Kurz- und Mittelstrecke. Branchenvertreter sind sich einig, dass die Erholung der Nachfrage in diesem Segment deutlich länger dauert.
Doch Airbus sieht sich gerüstet: Im Jahr 2023 soll der Airbus A321XLR fertig sein, eine Langstreckenversion des Mittelstreckenjets A321neo. Die Maschine ist deutlich kleiner als ein Großraumjet, und so sollen sich Fernflüge etwa über den Atlantik auch mit deutlich weniger Passagieren rechnen als bisher.
Zudem hat Konkurrent Boeing in diesem Segment kein Modell im Angebot. Der US-Konzern leidet immer noch unter den Nachwirkungen der weltweiten Flugverbote für seinen Mittelstreckenjet 737 Max. In den USA und Europa darf der Flugzeugtyp nach technischen Verbesserungen zwar wieder abheben, doch etwa in China wartet Boeing immer noch auf die Freigabe. Auch bei seinem Großraumjet 787 "Dreamliner" und der modernisierten Boeing 777X kämpft der US-Konzern mit teuren Problemen.
Airbus versucht die offene Flanke der Amerikaner jetzt auch bei den großen Frachtflugzeugen zu nutzen: Eine Frachtversion des Airbus A350 soll im Jahr 2025 in Dienst gehen, wie Faury ankündigte. Bisher wird dieser Markt fast komplett von Boeing beherrscht.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Analysten sagen der Airbus-Aktie nach ihrem Aufstieg aus dem Corona-Tief einen weiteren Höhenflug voraus. Die zehn von dpa-AFX erfassten Branchenexperten, die ihre Einschätzung zu Airbus seit der Vorlage der jüngsten Quartalszahlen Ende Juli überarbeitet haben, schreiben dem Papier im Schnitt ein Kursziel von gut 141 Euro zu. Damit würde die Aktie ihr bisheriges Rekordhoch von 139,40 Euro übertreffen, das sie im Januar 2020 kurz vor Ausbruch der Pandemie erreicht hatte.
Passend zu ihren Kurszielen empfehlen neun der zehn Analysten die Airbus-Aktie zum Kauf. Lediglich die französische Großbank Societe Generale (Société Générale (Societe Generale)) rät zum Halten. Ihr Kursziel ist mit 124 Euro zwar das niedrigste, liegt jedoch immer noch gut zwölf Prozent über dem derzeitigen Kursniveau.
Am optimistischsten ist David Perry von der US-Bank JPMorgan. Nach der Verdopplung des Gewinnziels durch Airbus hob der Analyst seine Prognosen für die Geschäfts- und Gewinnentwicklung für 2021 und die kommenden Jahre teils deutlich an. Der Airbus-Aktie traut er jetzt einen Kursanstieg auf 160 Euro zu - allerdings erst bis Ende 2023.
Sein Kollege Wolfgang Donie von der Landesbank NordLB bescheinigte der Airbus-Führung, den Konzern bislang gut durch die Krise gesteuert zu haben. Mit einem Kursziel von 140 Euro sieht er die Aktie genauso auf der Rückkehr zum Rekordniveau wie Andrew Gollan von der Privatbank Berenberg.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Von dem herben Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie hat sich die Airbus-Aktie inzwischen weitgehend erholt. Mit Kursen um die 110 Euro wird sie inzwischen wieder ähnlich teuer gehandelt wie Anfang 2019. Ende Juli hatte sie vorübergehend sogar die Marke von 120 Euro geknackt.
Vor rund anderthalb Jahren hatte es noch ganz anders ausgesehen: Angesichts der wohl schwersten Krise der Luftfahrtbranche sackte der Airbus-Kurs im März 2020 in Paris bis auf 48,12 Euro ab. Erst im November überschritt er wieder nachhaltig die Marke von 70 Euro. Wer in dieser Zeit Airbus-Aktien gekauft hat, konnte bis jetzt einen Kursgewinn fast 60 Prozent einfahren. Für die Mutigen, die beim Tief im März zugegriffen haben, summiert sich das Plus sogar auf rund 130 Prozent.
Insgesamt wird Airbus an der Börse derzeit mit fast 87 Milliarden Euro bewertet. Vor der Krise hatte die Marktkapitalisierung sogar fast 110 Milliarden Euro erreicht, bevor es im Corona-Crash auf unter 38 Milliarden Euro abwärts ging.
Selbst mit diesem Börsenwert wäre Airbus eigentlich ein klarer Kandidat für den Dax gewesen. Bisher stand dem jedoch im Weg, dass die Aktie hauptsächlich in Paris gehandelt wird - und der Handelsumsatz in Frankfurt dadurch zu gering ausfiel. Daher ist Airbus hierzulande bisher nur im MDAX gelistet.
Das dürfte sich ändern, wenn der Dax im September von 30 auf 40 Mitglieder aufgestockt wird. Dann gilt nicht mehr der Handelsumsatz an der Börse als maßgebliches Kriterium für die Aufnahme.
Unter den zehn Aufsteigern wird Airbus der mit Abstand größte sein. Gemessen an der gesamten Marktkapitalisierung würde der Konzern nach jetzigem Stand sogar in die Spitzengruppe des Dax aufrücken. Derzeit werden nur vier Konzerne im Leitindex deutlich höher bewertet: SAP (SAP SE), Linde, Volkswagen (Volkswagen (VW) vz) und Siemens. Die Deutsche Telekom und die Merck KGaA (Merck) liegen knapp vor dem Aufstiegskandidaten Airbus, Daimler und Allianz ein Stück dahinter.
dpa-AFX