Die Corona-Krise hat Guillaume Faury offenkundig vorsichtig gemacht. Man wisse nicht, wie sich die Delta-Variante des Virus auswirke, die Lage bleibe unberechenbar, so der Airbus-Chef beim Bericht zum Verlauf des ersten Halbjahrs. Die Molltöne beim größten europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern sind verständlich nach der tiefsten Krise der Luftfahrtbranche seit Jahrzehnten. Dann gab es aber doch noch Dur-Klänge für die Märkte: "Wir beginnen, ein verbessertes Umfeld zu sehen", so Faury.

Mit dieser Tonart liegt der Airbus- Chef wohl richtig. Denn trotz der andauernden Pandemie und vielen Reisebeschränkungen im Flugverkehr hat der Konzern zuletzt glänzende Ergebnisse erzielt. Der Umsatz stieg im ersten Halbjahr um 30 Prozent auf 24,6 Milliarden Euro, im Quartal von April bis Juni schnellte das Geschäftsvolumen gar um 70 Prozent in die Höhe. Nach sechs Monaten standen 2,7 Milliarden Euro Nettogewinn zu Buche. Vor einem Jahr hatte Airbus fast eine Milliarde Euro Verlust geschrieben. Und der Erzrivale aus den USA, Boeing, fliegt in seiner Flugzeugsparte immer noch Verluste ein.

Faury schraubte die Prognose für den operativen Gewinn 2021 deutlich nach oben: Statt zwei will Airbus 2021 nun vier Milliarden Euro erwirtschaften. Das Unternehmen, 1970 als paneuropäischer Luftfahrttechnikkonzern unter anderem auch auf Initiative des deutschen Politikers Franz-Josef Strauß gegründet, baut damit seinen Vorsprung gegenüber den jahrzehntelang dominierenden Amerikanern aus. Boeing kämpft auf hausgemachten Baustellen, angefangen von Fertigungsproblemen beim Langstreckenflieger Dreamliner bis zum Desaster beim Jet 737 Max, der wegen zweier Abstürze 20 Monate nicht fliegen durfte und mit Dumpingpreisen in den Markt gedrückt wird.

Mit einem Auftragsbestand von fast 7.000 Jets gegenüber gut 4.000 bei den Amerikanern fliegen die Europäer gegenwärtig in einer anderen Liga. Ende August schaffte es Airbus erneut, langjährige Boeing-Kunden wie die britische Billig-Airline Jet2 an Land zu ziehen. Die Briten unterzeichneten eine Order im Wert von knapp fünf Milliarden Dollar mit Option auf einen kräftigen Zuschlag.

Der betriebswirtschaftliche Auftrieb ist auch internen Sparanstrengungen zu verdanken. 15.000 Jobs will der Konzern abbauen, viele davon in Deutschland. Das ist, wie immer in der Geschichte des multinationalen Unternehmens, auch ein politisches Unterfangen. Doch Chef Faury und sein deutscher Finanzvorstand Dominik Asam haben sich vorgenommen, Effizienz vor die Politik zu stellen.

Potenzial bei Frachtfliegern

Vorgenommen haben sie sich auch, die Schwäche des US-Rivalen weiter zu nutzen. Noch spielen die Europäer im Markt für Frachtflugzeuge eine untergeordnete Rolle, hier ist Boeing dominant. Das Segment ist zwar im Vergleich zum mehr als zehnmal so großen Markt für Passagierflugzeuge mit etwa 2.000 Maschinen weltweit winzig - aber lukrativ. Airbus will mit einer Frachtvariante des Großraumjets A350 die für Mitte des Jahrzehnts erwartete Investitionswelle bedienen.

Renner im Programm bleibt die A320-Familie, die vor allem auf Kurz- und Mittelstrecken eingesetzt wird. Die Erholung läuft indes noch nicht überall. Im Langstrecken-Segment rechnet das Management mit einer Rückkehr auf das Vorkrisenniveau frühestens Mitte des Jahrzehnts, der Großraumjet A380 hat keine Zukunft mehr. Problematisch bleiben auch Engpässe in der Lieferkette. Bislang konnte das Team um Faury die Probleme gut meistern.

Von der Corona-Krise weitgehend unberührt arbeitet die Rüstungssparte, die mit über zehn Milliarden Euro 2020 gut ein Fünftel zum Konzernumsatz beisteuerte. Die Perspektiven sind hier exzellent. Angesichts des zunehmend von Konflikten geprägten internationalen Umfelds rechnen Experten tendenziell mit weiter steigenden Rüstungsausgaben. Auch im verteidigungskritischen Deutschland dürfte sich mittelfristig etwas bewegen. Die Beschaffung der Eurodrohne von Airbus genehmigte der Bundestag im April, wenn auch nur unbewaffnet. Der Militärtransporter A400M, lange Jahre mit Problemen behaftet, bewährte sich unlängst bei den Evakuierungsflügen aus Kabul.

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Souveräner Aufstieg

Bei den neuen DAX-Aufnahmekriterien spielt die Höhe der Handelsumsätze in Frankfurt keine Rolle, die Marktkapitalisierung schon - so war die Aufnahme von Airbus reine Formsache. Mit rund 90 Milliarden Euro zählt der Konzern hier zu den Top 5 des DAX 40. Das Unternehmen nutzt die Krise für Sparmaßnahmen, die Fundamentaldaten bessern sich zusehends, die Orderlage ist auch dank der Schwäche von Boeing glänzend.

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Stoppkurs: 92,00 Euro