Der neuerliche Schub bei den Gaspreisen belastet die Aktienkurse der Düngemittelkonzerne in Europa. Während der Woche erreichten die Gaspreise ihr höchstes Niveau seit März. Hierzulande geraten die Papiere des Kalidüngerproduzenten K + S unter Druck, im Ausland die Papiere der auf Ammoniak und Stickstoffdünger spezialisierten Konkurrenten OCI in den Niederlanden und Yara International in Norwegen.
Für die Herstellung von Ammoniak und Stickstoffdünger ist Gas der wichtigste Rohstoff. Die Sorge der Anleger: Yara und OCI können den Anstieg der Gaspreise nicht mehr vollständig weitergeben und müssen die Produktion drosseln.
Gasrisiko belastet
Kaliumchlorid, der Grundstoff für die Herstellung des Kalidüngers von K + S, ist ein Bergbauprodukt, das in der Herstellung und Verarbeitung kein Gas benötigt. Aufgrund der höheren Energiepreise steigen jedoch auch bei den Kasselern die Kosten. In Deutschland liefert Gas 50 Prozent der von K + S benötigten Energie. Sollte es komplett ausfallen, würde K + S in Deutschland weniger produzieren. Auf dem Markt würde das aber wohl durch höhere Kalipreise kompensiert werden. Allerdings sind die Produktionskosten des MDAX-Konzerns im Vergleich zum kanadischen Branchenprimus Nutrien grundsätzlich höher, und die Kanadier müssen sich in puncto Energieversorgung keine Sorgen machen. Das schwächt die Konkurrenzfähigkeit von K + S und drückt den Kurs.
Das Risiko, dass die Gaszufuhr für den Düngerkonzern durch die Bundesnetzagentur im Rahmen der Gasmangellage deutlich reduziert wird, hält Axel Herlinghaus, Analyst der DZ Bank, jedoch für "relativ gering". K + S dürfte auf der Liste der für die Lebensmittelversorgung systemrelevanten Unternehmen weit oben landen und in der Energieversorgung bevorzugt werden, sagt Herlinghaus.
Die DZ Bank setzte die Aktie deshalb mit Kursziel 37 Euro auf ihre Favoritenliste. Von seinem 52-Wochen-Hoch bei 35,20 Euro hat der Aktienkurs seit Mitte April mehr als 40 Prozent eingebüßt. Während der Woche verlor K + S zeitweise mehr als elf Prozent. Fundamental spricht jedoch viel dafür, dass die Kurse der europäischen Düngemittelkonzerne bald anziehen dürften.
Aufgrund der hohen Nachfrage aus der Landwirtschaft und weil die günstig produzierenden Konkurrenten aus Russland und Weißrussland sanktionsbedingt vom Großteil der Märkte ausgeschlossen sind, dürften die Düngerpreise hoch bleiben. Beispiel Kalidünger: 2021, vor dem Krieg in der Ukraine, bediente Russland 19 Prozent der globalen Nachfrage, Belarus weitere 17 Prozent. Von Mai bis Juni schrumpften die Kalilieferungen beider Länder im Schnitt um 80 Prozent. Davon profitieren nun westliche Hersteller. Die Bilanz für das zweite Quartal wird K + S am 11. August vorlegen. Positive Überraschungen sind hier wahrscheinlich.
Mit einem 2023er-KGV von etwas mehr als drei ist die Aktie aktuell zudem ein Schnäppchen. Für 2022 erwarten die Analysten von JP Morgan 160 Millionen Euro Cash in der Kasse. 2021 hatte der Konzern mehr als 900 Millionen Euro Schulden.