Es ist der größte Deal der noch jungen Geschichte des fusionierten Linde-Konzerns: Künftig wird dieser den US-Mineralölkonzern ExxonMobil in Singapur mit Wasserstoff, Synthesegasen und Kohlenmonoxid beliefern. Der Ölgigant hat dort den weltweit einzigen Steamcracker stehen, mit dem sich Rohöl in hochwertige Schmierstoffe verwandeln lässt. ExxonMobil investiert bis 2023 eine höhere Milliarden­summe in den Standort.

Aufgrund des Liefervertrags muss auch Linde investieren: 1,4 Milliarden US-Dollar nimmt der seit der Fusion mit Praxair im vergangenen Jahr in Irland ansässige Konzern in die Hand, um die Vergasungsanlage auf ­Jurong Island in Singapur zu erweitern.

Der Börsenwert von Linde stieg bis knapp unter die 100-Milliarden-Euro-Marke - die Aktie ist damit die mit Abstand zweitgrößte im DAX hinter SAP. Anleger begeistert aber nicht nur der Großauftrag in Asien. Der Kurs wird vom größten Aktienrückkaufprogramm gestützt, das ein DAX-Unternehmen je durchgezogen hat. Ins­gesamt sechs Milliarden Dollar will der Konzern bis Ende 2020 ausgeben. So sollen die Aktionäre am Verkauf des US-Geschäfts an den deutschen Gasehersteller Messer beteiligt werden. Der Verkauf war Bedingung, um von den US-­Kartellbehörden grünes Licht für die 75 Milliarden Euro schwere Fusion mit Praxair zu bekommen. Mitte Mai hat Linde die erste Tranche an Aktien gekauft und greift seither wöchentlich zu.

Schöngerechnet


Indem Linde Aktien vom Kapitalmarkt nimmt, steigt auch der jedem Titel zurechenbare Gewinn. Ein Grund, weshalb der Konzern mit operativem Sitz in der britischen Stadt Guildford im Mai die Prognose erhöht hat.

Obwohl Wechselkurseffekte das Wachstum im ersten Quartal belasteten und die globale Konjunkturabkühlung den Zy­kliker im Jahresverlauf einholen könnte, rechnet Linde mit einem Ergebnisplus für 2019 zwischen neun und 13 Prozent auf bis zu sieben Dollar je Aktie.

Bisher hatte Vorstandschef Steve Angel acht bis zwölf Prozent in Aussicht gestellt. Zudem wirkt die Fusion schneller als ­geplant. Im Frühjahr hieß es, dass die Synergieeffekte höher ausfallen als ursprünglich angenommen. "Ich erwarte, dass wir diesen Schwung mitnehmen und die Qualität des Geschäfts unabhängig vom wirtschaft­lichen Umfeld weiter verbessern können", sagte Angel.

Die aktuellen Prognosen für den globalen Markt für Indus­triegase zeigen, dass der ame­rikanische Linde-Boss recht behalten könnte. Mit einem jährlichen Wachstum um im Schnitt sieben Prozent bis 2024 rechnen etwa die Marktforscher Mordor Intelligence.

Nicht nur die Nachfrage nach luftigen Stoffen im Gesundheitswesen steigt. Als emissions­ärmere Alternative dürften Gase im Energiemix zunehmend Kohle ersetzen. Damit ist nicht nur Erdgas gemeint, sondern auch der von Linde produzierte Wasserstoff sowie Anlagen zu dessen Erzeugung.

Dritter Treiber des Wachstums im Gasemarkt ist der industrielle Aufschwung in Asien, wo Linde bereits einen Großteil des Geschäfts macht. Mit der erweiterten Anlage in Singapur kann der Konzern von der steigenden Nachfrage profitieren. Umsätze - auch aus dem ExxonMobil-Deal - sind ab Inbetriebnahme 2023 zu erwarten.

Investor-Info

Linde plc
Spannendes Halbjahr


Anleger sollten sich nicht davon irritieren ­lassen, dass der Umsatz im ersten Quartal bei 6,9 Milliarden US-Dollar stagnierte und der operative Gewinn um sieben Prozent schrumpfte. Der Euro-Dollar-Kurs sowie eine neue Kapitalstruktur sind dafür verantwortlich. Im zweiten Halbjahr dürfte die Profita­bilität dank Synergieeffekten selbst in einem schwierigen Marktumfeld steigen. Anleger profitieren vom Aktienrückkaufprogramm. Eine starke Dividende gibt es obendrauf.