Am Dienstag hatten die angeschlagenen AKW-Betreiber bei ihren milliardenschweren Klagen gegen die Bundesregierung einen gehörigen Dämpfer kassiert. Die vom Bund seit 2011 erhobene Brennelementesteuer verstoße nicht gegen das EU-Recht, erklärte Generalanwalt Maciej Szpunar vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg (Az: C-5/14). Seine Einschätzung ist für das Gericht zwar nicht bindend. E.ON, RWE und EnBW droht nun aber eine Niederlage, während Finanzminister Wolfgang Schäuble bis 2016 mit weiteren Einnahmen für den Bundeshaushalt rechnen kann. Die Energieriesen führen derzeit mehrere Atom-Verfahren gegen dem Bund. Dabei geht es insgesamt um mehr als 20 Milliarden Euro.
Die Einschätzung des Generalanwalts war mit Spannung erwartet worden. Das Gericht folgt ihr oft, aber keineswegs immer. Für die Versorger wäre eine Rückzahlung der Steuer ein warmer Regen. E.ON hat nach eigenen Angaben bisher 2,3 Milliarden Euro Brennelementesteuer gezahlt, RWE 1,23 Milliarden und EnBW 1,1 Milliarden. Die Konzerne sehen in der Steuer einen Verstoß gegen das europäische Recht. "Wir werden nun zunächst das endgültige Urteil des EuGH abwarten, das wir im Laufe des Jahres 2015 erwarten, denn wir halten nach wie vor an unserer Rechtsauffassung fest", erklärte RWE. Die Einschätzung des Generalanwalts nehme das Urteil nicht vorweg, betonte auch E.ON.
Die Aktienkurse von E.ON und RWE brachen am Dienstag zeitweise um mehr als fünf beziehungsweise fast sieben Prozent ein.
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GRÜNE FROHLOCKEN - VERSORGER STÖHNEN
Die Grünen begrüßten die Einschätzung des Generalanwalts. Diese zeige, dass die AKW-Betreiber mit der Klage gegen die Kernbrennstoffsteuer auf das falsche Pferd setzen, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer. "Statt Millionen von Euro für juristische Prüfungen in den Sand zu setzen, sollten die Energiekonzerne das Geld besser in den Ausbau der Erneuerbaren Energien stecken."
Den Konzernen macht die Energiewende schwer zu schaffen. Wegen des Preisverfalls bei den Strom-Großhandelspreisen brechen ihnen die Gewinne weg. So fuhr RWE 2013 einen Nettoverlust von fast drei Milliarden Euro ein. Der Konkurrent E.ON zerlegt sich mit der für 2016 geplanten Aufspaltung selbst. In einem Teil soll das Ökostromgeschäft bleiben, die schwächelnden Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sollen ausgelagert werden. Die Kernkraftwerke waren jahrzehntelang die Gewinnbringer der Firmen. Sie argumentieren nun, der Betrieb der Kernkraftwerke lohne sich kaum noch, wenn die Brennelementesteuer gezahlt werden müsse. Die Steuer soll noch bis 2016 gezahlt werden - sechs Jahre später wird das letzte Atomkraftwerk in Deutschland abgeschaltet.
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WEITERE KLAGEN ANHÄNGIG
Die Konzerne argumentieren vor Gericht, dem Bund fehle im Fall der Brennelementesteuer die Gesetzgebungskompetenz. Das Bundesfinanzministerium hat dies zurückgewiesen, wollte sich nach dem Votum des Generalanwalts aber nicht weiter äußern. Die Einnahmen aus der Steuer hatten Bundesfinanzminister Schäuble im Bundeshaushalt 2014 die "Schwarze Null" gesichert - ein Jahr früher als geplant. Der Fall liegt außer beim EuGH auch beim Bundesverfassungsgericht. Das oberste deutsche Gericht strebt nach Angaben eines Sprechers eine Entscheidung im zweiten Halbjahr 2015 an.
Der Streit um die Brennelementesteuer gehört zu einer Reihe von Klagen, die die AKW-Betreiber gegen die Bundesregierung führen. E.ON, RWE und der schwedische Vattenfall -Konzern fordern für den beschleunigten Atomausstieg Schadenersatz in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe. Um fast eine Milliarde Euro geht es in den Klagen von E.ON, RWE und EnBW gegen das nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 gegen acht Meiler verhängte dreimonatige Betriebsverbot (AKW Moratorium), das schließlich in den Ausstiegsbeschluss mündete.
Es wird spekuliert, die Versorger könnten auf ihre Klagen verzichten, wenn es eine Neuregelung für den Abriss der Meiler und die Entsorgung des Atommülls geben sollte. Denkbar ist ein staatlicher Fonds, in den die gut 36 Milliarden Euro schweren Rückstellungen der Firmen fließen. Ob diese Summe reicht, ist umstritten. Kritiker der AKW-Betreiber halten sie für zu niedrig.
Reuters