Die "Deutschlandreise" zählt zu den Brettspielklassikern. Bis zu sechs Spieler begeben sich auf eine Entdeckungstour quer durch die Republik. Sie steuern dabei verschiedene Städte und deren Sehenswürdigkeiten an. Sieger ist, wer als Erster an einen vorab festgelegten Heimatort zurückkehrt. Der Spieleverlag Ravensburger hat den Klassiker 1962 auf den Markt gebracht und seither mehrfach aktualisiert und neu aufgelegt. Was aber noch fehlt, ist die Sonderedition "Deutschlandreise für Anleger".

Dabei hat der Trip quer durch den heimischen Aktienmarkt einiges zu bieten. Hinzu kommt, dass Investoren traditionell eine starke Heimatverbundenheit zeigen. Der Fachjargon nennt das "Home Bias". Der Begriff steht für die Neigung vieler Anleger, ihr Portfolio stark auf inländische Aktien auszurichten. Die Home Bias ist indes kein deutsches Phänomen, sondern weltweit an fast allen Börsenplätzen zu beobachten. Die Vorliebe für regionale Aktien hat einen simplen Grund: Es ist allein aus sprachlichen Gründen vergleichsweise einfach, sich Informationen zu den Unternehmen des Heimatmarkts zu beschaffen.

Zwar hat BÖRSE ONLINE bei ihren Analysen stets auch die globale Brille auf, gleichwohl trägt die Redaktion der "Home Bias" seit jeher Rechnung. So entstand die Idee, den heimischen Aktienmarkt zu kartografieren. Anhand unserer Datenbank haben wir ausgewertet, wie sich die Anzahl der auf dem Kurszettel vertretenen Unternehmen sowie ihre Kapitalisierung und Indexzugehörigkeiten über die Republik verteilen. Bei dieser Deutschland-Reise der besonderen Art sind wir auf interessante Daten und Fakten gestoßen.



Auf Seite 2: Der Süden dominiert





Der Süden dominiert



Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) schlägt das ökonomische Herz der Nation in Nordrhein-Westfalen. Im Jahr 2017 steuerte das einwohnerstärkste Bundesland mehr als ein Fünftel zum BIP bei. An der Börse findet diese Vormachtstellung keinen Widerhall - hier ist Bayern das Maß aller Dinge. Von den 483 Unternehmen der Datenbank, die ihren Sitz in Deutschland haben, sind 116,5 im Freistaat ansässig. Die ungerade Anzahl hat folgenden Grund: Da Siemens einen Doppelsitz in München und Berlin hat, wurde der Industriekonzern zwei Ländern jeweils zur Hälfte zugeordnet. An der bayrischen Vormachtstellung ändert das wenig. Im flächenmäßig größten Bundesland sind Unternehmen mit einem kumulierten Börsenwert von annähernd 600 Milliarden Euro beheimatet.

Auch in den Auswahlindizes der Deutschen Börse spielt Bayern eine gewichtige Rolle. Wir haben hier den HDAX als Kriterium herangezogen, in dem die DAX-, MDAX- und TecDAX-Mitglieder zusammengefasst sind. 24 der 110 HDAX-Unternehmen sind im Freistaat zu Hause. Nordrhein-Westfalen bringt es auf ein HDAX-Mitglied mehr. Gleichzeitig sind im Westen besonders viele Konzerne aus der ersten Börsenreihe beheimatet: Jedes dritte DAX-Mitglied ist in "NRW" ansässig.

Mit SAP ist das aktuelle Schwergewicht des Leitindex indes baden-württembergischer Provenienz. Das gemessen an der Wirtschaftsleistung drittgrößte Bundesland beherbergt darüber hinaus auffällig viele Small Caps. Insgesamt acht SDAX-Unternehmen sind in Baden-Württemberg beheimatet. Hinzu kommen 44 Gesellschaften, die unterhalb der DAX-Auswahlindizes angesiedelt sind.

Während das "Ländle" vom klassischen Mittelstand geprägt ist, präsentiert sich Berlin als Mekka der Digitalisierung. Neben dem Medienkonzern Axel Springer bescheren die Onlinehändler und Internetfirmen Zalando, Delivery Hero, Rocket Internet und Hellofresh der Hauptstadt diesen Status. Zudem hält das Quintett die Berliner Fahne in MDAX und SDAX hoch.

Ostdeutschland ist in den Auswahlindizes kaum präsent. Thüringen bildet neben der Metropole Berlin die einzige Ausnahme. In Jena haben die beiden TecDAX-Mitglieder Carl Zeiss Meditec und Jenoptik ihren Sitz. Das Duo ist dafür verantwortlich, dass Thüringen mit seinen insgesamt acht Börsenunternehmen bei der durchschnittlichen Marktkapitalisierung die Schallmauer von einer Milliarde Euro durchbricht.

Bemerkenswert: Das relativ kleine Bundesland hebt sich aktuell in puncto Performance von der deutschen Börsenlandschaft ab. Im Schnitt verteuerten sich die acht Thüringer Papiere im bisherigen Jahresverlauf um mehr als 16 Prozent. Neben den beiden TecDAX-Titeln glänzen die Beteiligungsgesellschaft DEWB sowie die auf Kommunikations-, Informations- und Sicherheitssysteme spezialisierte Funkwerk mit prozentual zweistelligen Zugewinnen.

Wir haben die Deutschland-Reise genutzt, um in den verschiedenen Winkeln der Republik nach Favoriten Ausschau zu halten. Auf den folgenden Seiten finden Sie die sieben Topwerte. Neuerdings können sich Anleger mithilfe spezieller Indizes gezielt in einem Bundesland respektive einer Region positionieren. Dieses Konzept stellen wir unten vor.

Auf Seite 3: Regional-Indizes





Regional-Indizes: Chancen an der Waterkant



DAX, Euro Stoxx 50, S & P 500 und MSCI Emerging Markets: Tagtäglich haben es Anleger mit den bekanntesten Börsenbarometern zu tun. Die genannten Indizes zeigen, wie sich die Kurse in Deutschland, der Eurozone, den USA oder den Schwellenländern gerade entwickeln. Ariva erweiterte den großen Fundus an nationalen und internationalen Benchmarks um eine Serie von regionalen Indizes.

Zusammen mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität führte das Finanzportal neun derartige Gradmesser ein. Die Hypovereinsbank greift das Konzept mit Tracker-Zertifikaten auf. "Wir möchten dem Anleger ein gezieltes Investment in die Region seiner Wahl ermöglichen", erklärt Sebastian Bleser, Derivate-Experte bei der Unicredit-Tochter.

Das Universum für die Zusammensetzung der jeweiligen Auswahl stellt der CDAX mit seinen 425 Aktien dar. Die gemessen an der Marktkapitalisierung zehn größten Unternehmen einer Region ziehen in den Index ein, der einmal jährlich auf den Prüfstand kommt. Falls eine Aktie vom Kurszettel verschwindet, kann die für die Umsetzung und Berechnung zuständige ICF Bank außerordentliche Wechsel vornehmen. Bleser betont, dass Zertifikateanleger an den Ausschüttungen der Unternehmen partizipieren: "Da es sich um Performance-Indizes handelt, werden anfallende Dividenden netto in die jeweilige Auswahl reinvestiert."

Berliner Auf und Ab



In den ersten beiden Monaten nach der Einführung war dem Experten zufolge vor allem der BERX gefragt. Was insofern nicht überrascht, als der Index für Berliner Unternehmen zeitweise mehr als ein Zehntel über seinem Startwert notierte. Er profitierte von einem hohen Anteil an Internetaktien wie Zalando oder Delivery Hero. Allerdings zog die jüngste Korrektur der Überflieger die Hauptstadtauswahl wieder nach unten.

Weniger der kurzfristige Kursverlauf als vielmehr die Einschätzungen der Redaktion machen den NOX zu unserem Favoriten. In dem mit zehn Aktien aus Schleswig-Holstein und Hamburg bestückten Index ist die Dichte an Kaufempfehlungen am höchsten: Derzeit rät BÖRSE ONLINE bei neun Mitgliedern zum Kauf. Das gilt für den Nivea-Konzern Beiersdorf genauso wie für den Brillenhändler Fielmann oder das Telekomunternehmen Freenet. Insofern bietet das Tracker-Zertifikat auf den NOX die Möglichkeit, geballt in die Favoriten von der Waterkant zu investieren.



Auf Seite 4: Beiersdorf





Beiersdorf-Aktie: Hamburger Wahrzeichen



Während die Elbphilharmonie die Hansestadt erst seit 2016 kulturell und architektonisch schmückt, zählt Beiersdorf längst zu den wirtschaftlichen Wahrzeichen Hamburgs. Bereits im späten 19. Jahrhundert entstand im Stadtteil Eimsbüttel die erste Fabrik des Unternehmens. Schon damals produzierte Beiersdorf Körperpflegeartikel der beiden Kernmarken Nivea und Labello. Mit diesem Duo und einer Vielzahl an weiteren bekannten Konsumgütern ist der Konzern heute weltweit erfolgreich.

Zuletzt brummte vor allem das Geschäft mit Sonnenschutzmitteln. Nicht zuletzt wegen des Bilderbuchwetters der vergangenen Monate hat Beiersdorf die Umsatzprognose für 2018 erhöht. Anstatt mit einem Wachstum um rund vier Prozent rechnet das Management nun mit einem Anstieg um etwa fünf Prozent. Was die bereinigte operative Marge angeht, blieb Vorstandschef Stefan Heidenreich zunächst bei dem Ziel, das Vorjahresniveau von 15,4 Prozent zu halten. Allerdings ist der scheidende Topmanager für vorsichtige Prognosen bekannt. Insofern könnte es durchaus sein, dass Heidenreich die Latte noch etwas höher hängt.



Auf Seite 5: Rocket Internet





Rocket Internet-Aktie: Hauptstadt der Digitalisierung



"Arm, aber sexy", so bezeichnete der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit vor 15 Jahren die Lage in Berlin. Möglicherweise ist dieses Image ein Grund dafür, dass die Hauptstadt heute eine Hochburg der Digitalisierung ist. An der Spree tummeln sich unzählige Start-ups aus diesem Bereich. Zu den bekanntesten Brutstätten junger Unternehmen zählt Rocket Internet.

Der Inkubator ist an über 100 Start-ups beteiligt. 2017 ließ das MDAX-Unternehmen mit den Börsengängen der Töchter Delivery Hero und Hellofresh aufhorchen. Im Juni legte Rocket Internet mit Home 24 nach. Alle drei Aktien notieren deutlich über dem Ausgabepreis. Für Rocket gilt das nicht. Doch der Titel macht seit rund einem Jahr Boden gut. Anfang Oktober verlässt Finanzchef Peter Kimpel das Unternehmen - dem Vernehmen nach will der Ex-Investmentbanker in die Bankbranche zurückkehren. Die Aufholjagd dürfte dennoch weitergehen. Dafür sprechen die Beteiligungen an weiteren Börsenkandidaten und eine prall gefüllte Kasse - der Wowereit-Spruch gilt für Rocket Internet also nur bedingt.



Auf Seite 6: Gerresheimer





Gerresheimer-Aktie: Wachstum im Schatten des Rheinturms



Ein Düsseldorfer Stadtteil ist Namensgeber von Gerresheimer. Allerdings ist das 1864 gegründete Unternehmen in den 80er-Jahren innerhalb der Rheinmetropole umgezogen und residiert heute unweit des Flughafens. Operativ wurde aus dem einst größten Glasflaschenhersteller der Welt ein hochspezialisierter Lieferant von Verpackungen für die Pharma- und Kosmetikindustrie.

Zusätzlich zu den Geschäften mit Ampullen und Spritzen aus Glas und Kunststoff baut das Management gerade ein drittes Standbein auf: Gerresheimer liefert Mikropumpen, mit denen sich Diabetiker und Herzkranke Arzneimittel verabreichen können. Mit einem Zukauf in der Schweiz hat die Führungsriege die Sparte gerade verstärkt. Zeitgleich mit dem Deal meldete Gerresheimer im Juli zwei Großaufträge für die Herstellung von Inhalatoren und nachfüllbaren Injektionsspritzen. Im Zuge dieser Nachrichten erklomm der Titel ein Allzeithoch. Zwar konnte die Aktie dieses Niveau nicht halten, doch da die Düsseldorfer bestens für die Zukunft gerüstet sind, bietet die Konsolidierung eine Einstiegsgelegenheit.



Auf Seite 7: Jenoptik





Jenoptik-Aktie: Optimismus am Hightechstandort



Im Juni jährte sich zum 20. Mal der Börsengang von Jenoptik: 1998 führte Lothar Späth das Technologieunternehmen auf das Parkett. Der 2016 verstorbene Ex-Politiker stand 16 Jahre lang an der Spitze von Jenoptik. Pünktlich zum Jubiläum markierte der TecDAX-Titel ein Allzeithoch. Jenoptik punktet mit starken Wachstumsraten bei den Investoren. Bei einer Umsatzsteigerung um knapp 28 Prozent verbesserte der Konzern das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) in den vergangenen fünf Jahren um annähernd die Hälfte.

Vor allem in der Halbleiter- und Automobilindustrie sind die Photoniklösungen der Thüringer gefragt. Zum Kundenkreis zählen aber auch Medizintechnik-, Luftfahrt- und Rüstungsfirmen. Nachdem das Management im Juli einen Spezialisten für Prozess- und Automatisierungstechnik übernommen hatte, wurde die Umsatzprognose für 2018 erhöht. Mittlerweile hat Jenoptik auch das Ergebnisziel nach oben angepasst.



Auf Seite 8: Deutsche Börse





Deutsche Börse-Aktie: In Hessen daheim, in der Welt zu Hause



Römer und Börse - diese beiden Frankfurter Sehenswürdigkeiten trennen keine 1000 Meter. Während Oberbürgermeister Peter Feldmann im Rathaus die Geschicke der Mainmetropole lenkt, entscheidet sich am wichtigsten deutschen Handelsplatz mitunter das Schicksal von Unternehmen und Investoren. Das Netzwerk der Deutschen Börse geht jedoch weit über Frankfurt hinaus. Egal ob London, New York oder Tokio - der Konzern und seine mehr als 5000 Mitarbeiter sind an den wichtigen Finanzplätzen der Welt aktiv.

Da die Hektik unter den Investoren rund um den Globus zugenommen hat, floriert das Geschäft. Das gilt neben dem klassischen Wertpapierhandel auch für die verstärkt eingesetzten Absicherungsstrategien. Im zweiten Quartal legten die Nettoerlöse des Konzerns um ein Zehntel auf 687 Millionen Euro zu. Beim bereinigten Ergebnis je Aktie verbuchten die Hessen ein Wachstum um 14 Prozent auf 1,42 Euro. Insofern überrascht es nicht, dass die Aktie der Deutschen Börse 2018 bis dato zu den Top-Performern im DAX zählt.



Auf Seite 9: Bechtle





Bechtle-Aktie: IT-Musterschüler aus dem Ländle



Museen, ein Freizeitbad und 231 Vereine: Den 26 700 Einwohnern von Neckarsulm wird einiges geboten. Darüber hinaus verfügt die nördlich von Heilbronn liegende Kreisstadt über mehr als 39 000 Arbeitsplätze.

Zu den bekanntesten Brötchengebern zählt Bechtle. Seit dem Börsengang im Jahr 2000 schreibt der IT-Dienstleister eine imposante Wachstumsstory. Bei einem Umsatz von mehr als 3,5 Milliarden Euro erwirtschaftete der Konzern 2017 vor Steuern (Ebt) eine Marge von 4,6 Prozent. Damit gibt sich Vorstandschef Thomas Olemotz allerdings nicht zufrieden: Bis 2020 will er die Erlöse auf fünf Milliarden Euro steigern. Davon sollen fünf Prozent als Ebt hängen bleiben. Neben organischem Wachstum setzt er auf Zukäufe, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Im Großraum Paris greift Bechtle gerade nach dem Konkurrenten Inmac Wstore. Geben die Behörden grünes Licht, würde der TecDAX-Konzern die größte Akquisition seiner Geschichte realisieren und gleichzeitig in Frankreich unter die Top 5 der IT-Branche aufsteigen.



Auf Seite 10: Wacker Chemie





Wacker Chemie-Aktie: Mid Cap in Lederhose

Zwischen dem Konzernsitz und der wichtigsten Produktionsstätte liegen bei Wacker Chemie genau 110 Kilometer. 1991 verlagerte das Unternehmen seine Hauptverwaltung nach München, das operative Herz blieb in Burghausen. Nahezu drei Viertel der insgesamt 13 800 Mitarbeiter sind an der Grenze zu Österreich beschäftigt. Sie haben gut zu tun: Im zweiten Quartal verbuchte Wacker Chemie ein Umsatzwachstum um neun Prozent und steigerte den Gewinn überproportional um 38 Prozent. Vor allem das Geschäft mit Silikonen brummt. Obwohl die Produktion am Anschlag läuft, können die Bayern die vor allem aus der Bau- und Elektronikindustrie stammende Nachfrage nicht vollständig befriedigen.

Dennoch korrigierte die Wacker-Aktie zuletzt. Insbesondere die Entscheidung der chinesischen Regierung, ihr Solarprogramm einzustampfen, bremste den Mid Cap aus. Dieser Schritt wird sich in den Zahlen der Polysiliziumsparte bemerkbar machen. Wir passen Kursziel und Stoppkurs an, halten die Sorgen aber für übertrieben, da der Spezialchemiekonzern diese Delle andernorts kompensieren dürfte.