Auge um Auge, Zahn um Zahn
China antwortet auf die vor kurzem von Washington erhobenen Zölle von 25 Prozent auf chinesische Waren von rund 16 Mrd. US-Dollar ab 23. August mit Vergeltungszöllen in gleicher Höhe.
Einerseits bleibt Trump auch aus innenpolitischen Gründen ein handelspolitischer Unsicherheitsfaktor, der durch unangemessene Kommunikation Kompromisslösungen erschwert. Andererseits ist China beispielsweise mit massiven staatlichen Subventionen, erzwungenem Technologietransfer als Eintrittsgeld für seinen Importmarkt und Investitionsbehinderungen bei gleichzeitig hemmungslosen Zukäufen im Ausland ein Paradebeispiel für Protektionismus. Eine westliche Allianz von Amerika und Europa zur Sicherung des Freihandels ist sicherlich wünschenswert. Allerdings sollte das Instrument hierfür nicht das Lostreten eines rachedürstenden Handelskriegs unter Führung Amerikas sein, sondern ein klares und hartes Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO). Doch ist die WTO aufgrund der Blockadepolitik Trumps ziemlich handlungsunfähig. Es ist zu hoffen, dass nach der US-Kongresswahl am 6. November Vernunft gegenüber selbstgerechter Willkür wieder an Bedeutung gewinnt.
Wie die vom ifo Institut ermittelten Konjunkturindikatoren für das III. Quartal unterstreichen, schlagen sich die Zollkonflikte mittlerweile zunehmend in weltwirtschaftlicher Verunsicherung nieder. Zwar befindet sich die Lagebeurteilung weiterhin auf hohem Niveau. Doch fielen die Erwartungen deutlich auf den niedrigsten Wert seit Ende 2011. Laut ifo Weltkonjunkturmatrix, die Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, ist die Weltwirtschaft erstmals seit Ende 2007 wieder in die konjunkturelle Zyklusphase "Abschwung" eingetreten.
Ebenso kühlt sich die Wirtschaftsstimmung in der Eurozone ab. Im Zusammenspiel von Lage- und Erwartungsbeurteilung befindet sich die Eurozone im III. Quartal nur noch sehr knapp in der Boom-Phase.
Die nachhaltige Beilegung des Handelskonflikts ist die Hauptprämisse für eine Stabilisierung der weltweiten Konjunkturstimmung, um nachfolgend auch steigende Kurse exportsensitiver deutscher Aktien nach sich zu ziehen.
Immerhin, weltweit knapp 1.000 vom Finanzdatenanbieter Sentix befragte Investoren honorieren die zarten Entspannungssignale im Handelsstreit zwischen der EU und den USA mit einer Stabilisierung ihrer Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate.
Unterstützung erfährt die deutsche Exportwirtschaft vom abwertenden Euro, der sich klar von seinem Jahreshoch von 1,2505 im Februar entfernt hat. Der Trend weiter nachgebender Netto-Long-Positionen spricht für eine anhaltende Schwäche des Euros gegenüber US-Dollar.
In der Tat konnten sich die Exporte zuletzt stabilisieren. Gegenüber Vorjahr nahmen sie in Drittländer außerhalb der EU sogar um 10,5 Prozent zu.
Auf Seite 2: Kann die Türkei die Eurozone mit einem Krisenvirus anstecken?
Kann die Türkei die Eurozone mit einem Krisenvirus anstecken?
Auf das massive Leistungsbilanzdefizit, Bonitätsrisiken durch hohe Auslandsverschuldung auch auf Unternehmensseite, abnehmende Devisenreserven, auf Dollar-Basis einzukaufende, ohnehin gestiegene Energiepreise, galoppierende Inflation und nicht zuletzt die politische Behinderung der Notenbank bei der Stützung des Wechselkurses reagieren die Finanzmärkte mit einem Vertrauensentzug in die Finanzstabilität der Türkei, die sich in einem dramatischen Verfall der türkischen Lira zeigt. Drohen Ansteckungseffekte für die Eurozone?
Schließlich sind - wie bislang bekannt - alleine drei europäische Großbanken mit Krediten im Volumen von umgerechnet 120 Mrd. Euro in der Türkei engagiert. Die EZB-Bankenaufsicht äußerte bereits erste Bedenken vor möglichen Ausfällen, was die aktuelle Schwäche der Gemeinschaftswährung weiter verstärkt. Vor diesem Hintergrund wird die EZB ihr bekanntes Motto "Wo die Not am größten, bin ich am nächsten" fortsetzen. Sie wird ihre hart erkämpften Rettungserfolge der vergangenen acht Jahre nicht gefährden und daher im Notfall jede Bankenkrise - die immer zu finanz- und realwirtschaftlichen Kollateralschäden führt - mit Verzögerung einer jeden geldpolitischen Restriktion im Keim ersticken.
Der deutschen Industrie ist das US-Hemd näher als der iranische Rock
Der Iran schreit förmlich nach deutschen Industrieunternehmen, die seine Infrastruktur wiederaufbauen. Allerdings hat diese für Siemens & Co. reizvolle Vision einen gewaltigen Haken. Die Maßnahmen der USA gegen den Iran beinhalten nämlich auch, dass Unternehmen, die mit dem Land Geschäftsbeziehungen eingehen, auf dem amerikanischen Markt sanktioniert werden. Die deutsche Finanz- und Autoindustrie hat die gewaltigen Strafzahlungen der letzten Jahre noch in bester Erinnerung. Diesen Bestrafungsaktionen wird man sich nicht erneut aussetzen, zumal das Umsatz- und Gewinnvolumen deutscher Konzerne in den USA dramatisch größer ist, als es im Iran jemals sein wird. Ohnehin gelten die USA aufgrund von Steuersenkungen, Infrastrukturinvestitionen und als Hotspot der Digitalisierung als hochattraktiver Standort, mit dem man es sich nicht verderben will. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing: Der uneingeschränkte Zugang zum lukrativen US-Markt genießt oberste Priorität. Damit fallen die US-Sanktionen für deutsche Unternehmen nicht ins Gewicht.
Auch die Exportbeschränkungen für iranisches Öl sorgen nicht für höherer Preise und insofern steigende Produktionskosten in den Industrieländern, die bei Inflationsbeschleunigung auch die Notenbanken auf den Plan rufen könnten. Die Opec und Russland werden schon aus eigennützigen Motiven Lieferausfälle des Iran ausgleichen. Denn je höher der Ölpreis, umso attraktiver ist die Alternativ-Ölproduktion über Fracking in den USA. Donald Trump würde z.B. Europa nicht nur mit Gas, sondern liebend gerne auch mit Öl beliefern. Zur Sicherung seiner Marktanteile wird vor allem Saudi-Arabien einen Ölpreis-Schock wirkungsvoll bekämpfen.
Auf Seite 3: Marktstimmung - Aktien befinden sich in stabiler Seitenlage
Marktstimmung - Aktien befinden sich in stabiler Seitenlage
Die Angst von JP Morgan-Chef Jamie Dimon vor massiven Renditesteigerungen 10-jähriger US-Staatsanleihen auf fünf Prozent ist unbegründet. Denn das dann unvermeidbare Platzen der amerikanischen Anleiheblase mit fatalen Streueffekten auf die weltweiten Zinsmärkte werden Fed und andere Notenbanken konsequent verhindern. Angesichts der weltweit apokalyptischen Verschuldung, die ungehindert zunimmt, spielt niemand mit dem Feuer eines finalen Finanz-Crashs. Die Zeiten einer stabilitätsorientierten Geldpolitik sind leider endgültig vorbei. Tatsächlich verharren die Renditen 10-jähriger Staatstitel weiter unterhalb der Drei-Prozent-Marke, während die Renditen deutscher Staatstitel zuletzt nachgegeben haben.
Aktuell spiegeln sich die handelsstreitseitig schlechteren Konjunkturdaten in erhöhter wirtschaftspolitischer Unsicherheit wider, die laut Global Economic Policy Uncertainty Index anhand von ökonomischen Medienbeiträgen gemessen wird. Interessanterweise schlägt sich diese Skepsis nicht in entsprechend hohen Kursschwanken beim deutschen Leitindex DAX nieder.
Auch die deutsche Berichtsaison für das II. Quartal 2018 trägt zu keiner fundamentalen Stimmungsbefestigung von Aktien bei. Laut Finanzdatenanbieter Bloomberg konnten im Vergleich nur 42 Prozent der bislang berichtenden DAX-Unternehmen mit ihren Gewinnzahlen überraschen. Die Ausblicke waren insgesamt weder Fisch noch Fleisch. Sie präsentierten ein uneinheitliches Bild. Doch das Gros der Unternehmen hält sich mit wirklichen Negativ-Einschätzungen in puncto Handelsstreit zurück. Offensichtlich erwartet man in dieser Frage - siehe auch die derzeitige transatlantische Handelsentspannung - zukünftig wieder mehr Rationalität und weniger Emotionalität.
Schließlich ist es bei der Aktienzurückhaltung, die zurzeit gegeben ist, unwahrscheinlich, dass ein heftiger Ausverkauf bevorsteht. Der Anteil der Optimisten am US-Aktienmarkt abzüglich des Anteils der Pessimisten befindet sich in neutralem Terrain.
Da sich die Investitionsquote der US-Finanzprofis zuletzt deutlich zurückgebildet hat, wartet an der Seitenlinie viel Geld, um bei Aufhellungen der Großwetterlage in Aktien investiert zu werden.
Auf Seite 4: Charttechnik DAX und Wochenausblick KW 33
Charttechnik - Wegen Sommerhitze wenig Bewegung
Aus charttechnischer Sicht liegen beim DAX auf dem Weg nach oben die ersten Widerstände bei 12.737 und 12.951 Punkten. Werden diese erfolgreich überschritten, ist eine weitere Barriere bei 13.033 anzutreffen, bevor der Index Fahrt auf die Marke bei 13.301 nimmt. Kommt es zu Kursverlusten, ist mit Rücksetzern bis zu den Unterstützungen bei 12.450 und 12.399 zu rechnen. Werden diese unterschritten, liegen weitere Haltelinien bei 12.125 und 12.104 sowie knapp darunter bei 12.067 Punkten.
Der Wochenausblick für die KW 33 - Wie tief ist die deutsche Konjunkturdelle?
In China zeugen die Juni-Daten zu Einzelhandelsumsätzen und Industrieproduktion vom Handelskonflikt mit den USA.
In den USA zeigt sich der Privatkonsum gemäß Einzelhandelsumsätzen und dem Konsumentenvertrauen der University of Michigan robust. Auch die US-Industrie zeigt sich laut Produktionsdaten sowie dem Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed stabil. Auf dem US-Immobiliensektor sind gemäß Baubeginnen bzw. -genehmigungen Bremsspuren unverkennbar.
In der Eurozone ist die gestiegene finale Inflation im Juli vor allem auf die erhöhten Energiepreise zurückzuführen.
In Deutschland verleihen schwache BIP-Zahlen für das II. Quartal der aktuellen Konjunkturdelle plastischen Ausdruck. Die ZEW Konjunkturerwartungen deuten nicht auf schnelle Besserung hin.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.