Japans Premierminister Shinzo Abe hat am 28. September das Unterhaus des japanischen Parlaments aufgelöst, um bereits am 22. Oktober vorgezogene Neuwahlen einzuberufen. Die Gründe für Abes Beschluss scheinen eindeutig: Er will sich nicht nur aufgrund der zunehmenden Spannungen mit Nordkorea Zustimmung für eine härtere außenpolitische Linie einholen. Offenbar ist er auch überzeugt, dass die Chancen für einen Sieg seiner Liberal-Demokratischen Partei (LDP) zurzeit sehr gut stehen. Die vorgezogenen Neuwahlen geben ihm zudem die Möglichkeit, schnell Klarheit über die Stimmung der Wähler in Bezug auf die Verwendung der geplanten Konsumsteuererhöhung zu gewinnen. Abe plant, mit dem Geld neue Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur zu finanzieren.

Die Konsumsteuer soll voraussichtlich 2019 von acht auf zehn Prozent steigen. Dies würde zu zusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von fünf Billionen Yen (45 Milliarden US-Dollar) führen. Ursprünglich hatte die Regierung vier Billionen Yen zur Tilgung der Staatsverschuldung und eine weitere Billion Yen für soziale Dienste vorgesehen. Nun plant Abe, zwei Billionen Yen (18 Milliarden US-Dollar) für Bildungs- und Pflegedienste auszugeben - insbesondere für kostenlose Kinderbetreuungsdienste und Kindergärten, kostenlosen Zugang zu Schulen für einkommensschwache Haushalte sowie eine Gehaltserhöhung für Pflegekräfte. Dadurch würden die Schulden langsamer getilgt, sodass die Regierung ihr Ziel, bis 2020 wieder einen Primärbilanzüberschuss zu erzielen, möglicherweise verschieben müsste.

Abe sieht sich jedoch mit Gegenwind konfrontiert. Noch am Tag der Verkündung der Neuwahlen gab Yuriko Koike, Gouverneurin von Tokio, die Gründung ihrer neuen Partei Kibo no To (Partei der Hoffnung) bekannt, die derzeit 15 Mitglieder zählt und in den kommenden Wochen vermutlich weitere Politiker verschiedener Richtungen anziehen wird. Sogar die Führung der wichtigsten Oppositionspartei - die Demokratische -Partei - schlug ihren Mitgliedern vor, selbst keine Kandidaten zu stellen, sondern sich Koikes neuer Partei anzuschließen. Sie kündigte an, die Partei der Hoffnung werde sich der Erhöhung der Konsumsteuer widersetzen. Umfragen sehen den Vorsprung der LDP gegenüber anderen Parteien nun verringert. Dennoch wird die aufkeimende Bewegung unserer Meinung nach nicht stark genug sein, um die Dynamik der Neuwahlen zu verändern.

Aufgrund der aktuellen politischen Situation in Japan gehen wir davon aus, dass die kommende Wahl wahrscheinlich keinen signifikanten Einfluss auf die lokalen Aktienmärkte haben wird. Wir erwarten, dass die LDP gemeinsam mit der alliierten Partei Komeito eine Mehrheit erreichen wird. Selbst wenn Abe einen Teil seiner Macht verlieren oder durch einen anderen Parteichef abgelöst werden sollte, ist es wahrscheinlich, dass seine Wirtschaftspolitik von seinen Nachfolgern weitergeführt wird.

Aus Bottom-up-Perspektive stechen die Ertragsrevisionen in Japan im Vergleich zu anderen entwickelten Märkten heraus. Dies ist nicht zuletzt ein Resultat der soliden weltweiten Erholung und der Anstrengungen der Unternehmen, ihre Margen zu verbessern. Darüber hinaus sorgen die rege Nachfrage aus dem Ausland, die Inlandsproduktion, der Konsum und die öffentlichen Ausgaben derzeit für Rückenwind. Einige Sektoren im Bereich der Kinderbetreuung und des Pflegediensts könnten bei Annahme der geplanten Konjunkturpakete überproportional stark wachsen. Für die meisten anderen Sektoren dürften die Auswirkungen zumindest in absehbarer Zeit gering sein. Dennoch geben die Spannungen mit Nordkorea Anlass zur Sorge, sodass die guten Fundamentaldaten ein Schattendasein fristen: Der Aktienmarkt stagnierte in den vergangenen Monaten trotz hoher Unternehmensgewinne. Die bevorstehende Wahl könnte zu mehr politischer Stabilität für Japan führen und die angespannte geopolitische Situation etwas mildern.

Reiko Mito



Mito startete ihre Laufbahn bei der Bank of Japan in Tokio als Analystin in der Abteilung für Finanz- und Zahlungssysteme. Heute ist sie Managerin des GAM Japan Equity und des GAM Star Japan Equity. Sie kam im November 2011 zu GAM. Diese ist eine der weltweit führenden unabhängigen, reinen Vermögensverwaltungsgruppen. Sie bietet aktive Anlagelösungen und -produkte für Institutionen und Privatkunden an.