Die Aktienmärkte verzeichneten in letzter Zeit eine bemerkenswerte Rally, doch warnen Experten vor einem möglichen Ikarus-Effekt. Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei JP Morgan Asset Management, weist auf die begrenzte Breite der Kursgewinne und die überdurchschnittliche Bewertung einiger Tech-Unternehmen hin.
Laut Tilmann Galler von JP Morgan Asset Management gibt es einige spezifische Merkmale der aktuellen Aktienrally, die zur Vorsicht mahnen. Insbesondere weist er darauf hin, dass nur wenige Unternehmen für den Anstieg des S&P 500 verantwortlich sind. Die zehn wertvollsten Unternehmen haben fast die gesamte Rendite des Index erzielt. Zudem ist die positive Entwicklung hauptsächlich auf eine Bewertungsausweitung zurückzuführen. Die überdurchschnittliche Bewertung einiger Technologieaktien ist besonders ausgeprägt und lässt Anleger aufhorchen. „In den letzten Monaten preisten die Märkte nachlassende Inflationsrisiken und eine zukünftig moderatere Notenbankpolitik ein. Auch wenn sich diese Einschätzung nach und nach bestätigt, rückten die Risiken vielleicht etwas zu weit in den Hintergrund“, erklärt Tilmann Galler.
Wenige Wachstumsunternehmen treiben S&P 500 in die Höhe
Tilmann Galler betrachtet die Aussicht auf sinkende Zinsen kritisch und sieht darin einen möglichen Schwachpunkt der aktuellen Aktienrally. Während niedrigere Zinsen das Bewertungsniveau von Wachstumsunternehmen begünstigen können, sollten die kommenden 12 Monate mit Vorsicht betrachtet werden. Die derzeitigen Erwartungen an das Wachstum der Unternehmensgewinne erscheinen angesichts der immer noch erhöhten Inflation optimistisch. Historisch gesehen führten die letzten drei Rezessionen zu erheblichen Gewinnrückgängen bei Unternehmen.
So heißt es in der Studie von JP Morgan: "Globale Aktien waren demnach im MSCI-Welt-Index Anfang des Jahres noch mit dem 15-fachen des Gewinns bewertet, inzwischen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 16,5x – eine Verteuerung von 10 Prozent. Besonders ausgeprägt war die Bewertungsausweitung von über 25 Prozent bei Technologieaktien, deren KGV von 20x zu Beginn des Jahres auf 29x angestiegen ist."
Und Tillmann Galler führt weiter aus: „Damit liegt das KGV des IT-Sektors wieder mehr als eine Standardabweichung über dem 20-jährigen Durchschnitt. Die Euphorie über die Fortschritte bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz, die aktuelle Ertragsstärke und die niedrige Netto-Verschuldung haben die Kurse der Tech-Unternehmen beflügelt. Einen zusätzlichen Schub haben die Wachstumsunternehmen durch die Hoffnung auf eine Wende in der Zinspolitik bekommen."
Ikarus-Effekt droht
Ein weiteres Risiko für die Aktienmärkte liegt in den anhaltenden Spannungen im Bankensystem, wie Tilmann Galler betont. Der stärkste Zinsanstieg der letzten Jahrzehnte hat bereits zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen geführt, was sich auf die Nachfrage nach Krediten und die Investitionstätigkeit auswirkt. Die aktuellen Einkaufsmanagerindizes zeigen bereits einen Einbruch bei den Ordereingängen in den USA und Europa an. Die Auswirkungen auf hoch bewertete Technologieunternehmen bleiben abzuwarten.
Diese Einschätzungen von JP Morgan Asset Management verdeutlichen die potenziellen Risiken am Aktienmarkt. Anleger sollten daher eine defensive Anlagestrategie mit Fokus auf Qualität und Cashflows verfolgen, um möglichen Rückschlägen entgegenzuwirken und einen möglichen Ikarus-Effekt bei den Märkten zu vermeiden.
So schreibt JP Morgan selbst als Fazit: "Die Kombination aus der Erwartung niedrigerer Zinsen, höherer Aktienbewertungen und der Aussicht auf sinkende Unternehmensgewinne lässt die Experten bei J.P. Morgan Asset Management – nicht zuletzt mit einer möglichen Rezession am Horizont – auf dem aktuellen Aktienmarkniveau vorsichtiger werden.
„Selbst wenn die US-Fed die Leitzinsen in diesem Jahr nicht senken wird, müssten die Bewertungen der Mega-Cap-Technologie, und damit auch des Marktes, wieder auf dem Boden der Tatsachen landen“, erklärt Galler. Bei Aktien gelte es daher auf Qualität, Cashflows und Dividendenstärke zu achten.
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