Europäische Anleger dürften mit der Wertentwicklung ihres heimischen Aktiendepots zufrieden sein. In den vergangenen zehn Jahren kamen europäische Aktien immerhin auf ein Plus von sieben Prozent pro Jahr. Ähnlich gut schnitten ­Papiere aus den Schwellenländern ab. Mit US-Aktien konnten diese Titel aber bei Weitem nicht mithalten: Der S & P-­500-Index gewann in der vergangenen Dekade 380 Prozent hinzu. Das sind 16,9 Prozent pro Jahr.

Als Grund für die unterschiedliche Kursentwicklung sind in den vergangenen Monaten Aktienrückkäufe immer stärker in den Fokus der Diskussion gerückt. Das hohe Volumen der Rückkäufe in den USA wird von etlichen Marktteilnehmern sogar als Haupttreiber für die Outperformance bezeichnet. Als Beweis für die These werden gern Daten vor­gelegt, welche die Volumina der Aktienrückkäufe über die verschiedenen Regionen zeigen. Die Zahlen belegen, dass seit der Finanzkrise rund 75 Prozent ­aller Aktienrückkäufe auf nordamerikanische Unternehmen zurückzuführen sind. In den Jahren 2014, 2016 und 2017 entfielen sogar knapp 80 Prozent der globalen Aktienrückkauf-Volumina auf diese Unternehmen.

Aktienrückkäufe waren in den USA signifikant hoch


So gaben nach Schätzungen von JP Morgan die 500 größten Unternehmen der USA allein im vergangenen Jahr für Aktienrückkäufe und Dividenden 1,3 Billionen Dollar aus, in Europa hingegen wurden 2019 etwa 50 Milliarden Euro für Aktienrückkäufe eingesetzt.

Diese Daten verleiten jedoch dazu, falsche Schlüsse zu ziehen, da die höheren Rückkauf-Volumina in den USA zum Teil auf die höhere Marktkapitalisierung ­dieser Region zurückzuführen sind. Ein ­realistischeres Bild bekommen Anleger daher, wenn sie die Aktienrückkäufe ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung ­setzen. Wie HQ Trust bei dieser Berechnung vorgegangen ist, zeigt ein beispielhafter Blick auf Apple: Das Unternehmen hat im Jahr 2018 eigene Aktien im Gegenwert von rund 67 Milliarden Dollar zurückgekauft. Da Apple über einen Börsenwert von rund 1,1 Billionen Dollar verfügt, hat der Tech-Konzern gut sechs Prozent seiner Marktkapitalisierung selbst erworben. Diese Berechnung wurde für alle Unternehmen durchgeführt und mit den jeweiligen ­Indexanteilen der Aktien gewichtet.

Das Ergebnis zeigt, dass die Aktienrückkäufe in den USA zwar immer noch signifikant höher sind als in den übrigen Regionen. Allerdings hat sich ihr Verhältnis deutlich verringert: Standen die US-Unternehmen bei der eher oberflächlichen Betrachtung noch für 76,2 Prozent aller Rückkäufe im Jahr 2018, sind es bei einer marktgewichteten Auswertung nur noch 46 Prozent.

Offen bleibt die Frage, wie stark die Aktienrückkäufe die bessere Entwicklung einer Region gegenüber anderen erklären. Denn berechnet man den Effekt, den diese Rückkäufe auf die Performance haben, und separiert diesen von der Performance der jeweiligen ­Region, ergibt sich ein anderes Bild. Im Beispiel von Apple hätte der Effekt auf die Performance im Jahr 2018 bei 6,5 Prozent gelegen, da sich die gleiche Marktkapitalisierung auf eine kleinere Zahl an Aktien aufgeteilt hätte. Dieser Performanceeffekt kann ebenfalls mit dem jeweiligen Indexgewicht verrechnet werden - und man erhält den Effekt auf den Gesamtindex. Insgesamt beläuft sich der Effekt im Jahr 2018 in Nordamerika auf plus 3,64 Prozent.

Allerdings hat der Index minus 0,98 Prozent Ertrag inklusive Dividenden und des Effekts der Aktienrückkäufe ­erwirtschaftet. Rechnet man diesen ­Effekt aus der Indexzeitreihe heraus, kommt man auf minus 4,45 Prozent. Das bedeutet: Ohne den Rückkaufeffekt wäre das Ergebnis des Index deutlich schlechter ausgefallen.

Diese Rechnung setzt natürlich voraus, dass die Unternehmen mit dem für die Rückkäufe verwendeten Kapital ansonsten keinen Ertrag erwirtschaftet hätten. Notwendige Voraussetzung ist zudem, dass die Unternehmen über das Kapital verfügten, um die Käufe durchzuführen. Sofern die Unternehmen diese nicht über Fremdkapital finanzieren, stellen sie auch einen Mehrertrag dieser Unternehmen dar: Schließlich muss das nötige Kapital irgendwann ­erwirtschaftet worden sein.

Die Outperformance der Region Nordamerika läuft bereits seit dem Ende der Finanzkrise. Blickt man auf den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2018 hat die Region ins­gesamt um 14,2 Prozent p. a. zugelegt, was einer Überrendite von vier Prozent ­gegenüber den Schwellenländern und sogar sechs Prozent gegenüber Europa entspricht. Auch nach Bereinigung um den Effekt der Aktienrückkäufe bleibt hier eine deutlich bessere Entwicklung übrig.

Die singuläre Betrachtung von Aktienrückkäufen führt allerdings zu einem unvollkommenen Bild, da die Neuausgabe von Aktien hier außen vor gelassen wird. Nimmt man diesen Effekt zu der Analyse hinzu, erhält man ein aussagekräftigeres Ergebnis.

Demnach ist Nordamerika die einzige Region, bei der sich die Aktienanzahl in den vergangenen Jahren netto verringert hat. In allen weiteren Regionen hat für Aktionäre eine Netto-Verwässerung des Kapitals stattgefunden: In Europa, den Schwellenländern sowie der Pazifik-Region war der Verwässerungseffekt durch die Ausgabe neuer Aktien stärker als der Performance-Effekt durch die Aktienrückkäufe.

Diese Berechnung lässt erkennen, dass Nordamerika nach Bereinigung um die Effekte von Aktienrückkäufen und Neuausgabe von Aktien die Region mit der stärksten Entwicklung ist. Zwar geht die Outperformance zurück, doch bleibt weiterhin ein Mehrertrag von 2,5 Prozent p. a. gegenüber den Schwellenländern und bis 4,3 Prozent p. a. gegenüber Europa übrig.

In Europa werden bevorzugt Dividenden ausgeschüttet


Der Effekt von Aktienrückkäufen ist in Nordamerika am stärksten ausgeprägt. Diese erklären die Outperformance jedoch nur teilweise: Seitdem die Outperformance dieser Aktien im Jahr 2009 begonnen hat, ist die Region auch nach Bereinigung um den "Buy-back-Effekt" die Region mit der besten Performance.

Allerdings sollten Anleger nicht vergessen, dass es für Unternehmen in den USA teils attraktiver ist, die Gewinne zu verwenden, um eigene Aktien zurückzukaufen, als diese Gewinne in Form ­einer Dividende auszuschütten - was das bevorzugte Mittel in Europa ist. Das bedeutet: Zwar ist die Aktienrückkaufquote im nordamerikanischen Aktienmarkt am höchsten. Doch im europä­ischen Markt wird eine höhere Dividendenrendite gezahlt.

Kurzvita

Maximilian Kunz
Associate Partner bei HQ Trust
Kunz absolvierte ein Studium der Wirtschaftsmathematik. Seit 2016 ist er bei HQ Trust im Bereich Portfolio­management tätig und dort unter anderem für die Portfolio­konstruktion und die hausinterne Analyse von liquiden Anlageprodukten verantwortlich. HQ Trust ist das Multi Family Office der Familie Harald Quandt und kümmert sich um das Vermögen von Privatpersonen, Familien und Stiftungen.