Der einstige Handy-Weltmarktführer Nokia will sich neu erfinden und nun in der hart umkämpften Netzwerk-Branche zur Nummer eins aufsteigen. Dazu plant das finnische Unternehmen eine Fusion mit dem französischen Rivalen Alcatel-Lucent. Die beiden seien in "fortgeschrittenen Gesprächen", teilten die Konzerne am Dienstag mit. Für Nokia wäre es eine Rückkehr auf die große Bühne. Der einstige Gummistiefel-Hersteller und Mobiltelefon-Pionier ist zu einem reinen Netzwerkausrüster geschrumpft. Erst vor rund einem Jahr wurde die traditionsreiche Handysparte an Microsoft verkauft. Die Geschäfte waren zuvor jahrelang schwach gelaufen. Sollte die Fusion nun gelingen, wäre Nokia ein Beispiel dafür, dass sich eine Firma mehrmals erfolgreich neu aufstellen kann. Platzhirsch unter den Telekomausrüstern ist bislang der schwedische Ericsson-Konzern.
Wie weit die Verhandlungen bereits gediehen sind, zeigt ein Treffen auf höchster Ebene: Nokia-Chef Rajeev Suri und sein Alcatel-Lucent-Kollege Michel Combes kamen am Dienstag mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande zusammen. Wirtschaftsminister Emmanuel Macron unterstützt die Firmenpläne. "Es ist ein guter Schritt für Alcatel-Lucent, weil es ein Schritt Richtung Zukunft ist." Es werde bei den 6000 Beschäftigten von Alcatel-Lucent in Frankreich keine Kürzungen geben. Nach der Fusion plane die Gruppe zudem, den Bereich Forschung und Entwicklung dort anzusiedeln. Vorsichtiger äußerte sich dagegen Arbeitsminister Francois Rebsamen. Die Regierung brauche mehr Informationen, um zu sehen, ob wirklich ein neuer Champion in Europa entstehe.
Zusammen würden Nokia und Alcatel-Lucent beim Umsatz die Netzwerk-Marktführer Ericsson und Huawei übertreffen. Größe ist laut Gartner-Analyst Sylvain Fabre vor allem in dieser von Preiskämpfen gebeutelten Branche entscheidend. Die Zahl der Kunden sei ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Hinzu komme, dass Nokia und Alcatel zusammen mehr Patente hätten.
Experten halten zwar Probleme bei der Integration der Firmen für möglich, betonen aber die Vorteile einer Fusion. So sei Alcatel gut in den USA aufgestellt, wo Telekom-Riesen wie AT&T und Verizon zu den Kunden gehören. Nokia habe auf dem wichtigen Schlüsselmarkt hingegen Nachholbedarf, sei dafür aber in Europa und Japan stark.
Nach Angaben von Nokia und Alcatel ist das Ergebnis der Verhandlungen völlig offen. Bei einer Fusion würde ein Unternehmen mit einem Marktwert von rund 40 Milliarden Euro entstehen - fast zwei Drittel davon kämen von Nokia. Es ist unklar, wie viel Nokia für Alcatel auf den Tisch legen würde. Den Firmen zufolge ist ein Aktiengebot im Gespräch. An der Börse waren die Franzosen zum Handelsschluss am Montag knapp elf Milliarden Euro wert.
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FRANZÖSISCHE REGIERUNG PRÜFT AUSWIRKUNG AUF ARBEITSPLÄTZE
Die französische Regierung wirft traditionell ein kritisches Auge auf die Übernahme von heimischen Unternehmen durch ausländische. Man werde sehr genau verfolgen, welche Auswirkungen Nokias Pläne auf die Arbeitsplätze und Aktivitäten in Frankreich hätte, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium. Alcatel beschäftigt rund ein Neuntel seiner 52.000 Mitarbeiter in Frankreich. Die Regierung in Paris könnte die Übernahme blockieren. Erst im vergangenen Jahr hatte sie ein entsprechendes Gesetz auf den Telekomsektor ausgeweitet und diesen zu einer Schlüsselindustrie erklärt.
An den Börsen sorgten die Fusionsgespräche für viel Wirbel. Die Aktie von Alcatel-Lucent stieg um 14,5 Prozent, während das Nokia-Papier um knapp drei Prozent nachgab. Analysten äußerten sich zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten. "Es könnte ein paar Einsparungen geben, aber nur weil sich ein schwächerer Spieler mit einem anderen schwachen zusammentut, muss am Ende kein starker Spieler entstehen", sagte Clairinvest-Fondsmanager Ion-Marc Valahu. Laut den Marktbeobachtern von Bernstein Research würden beide Firmen beim Marktanteil aber mit 35 Prozent hinter den 40 Prozent von Ericsson zurückbleiben.
In den vergangenen Tagen und Monaten war bereits viel über die beiden Firmen spekuliert worden. Beide sollen seit Jahren miteinander in Kontakt stehen.
Zusammenschlüsse in der Netzwerkbranche, in der ständig Geld in neue Projekte investiert werden muss, gelten als schwierig. Die letzte Fusionswelle vor rund einem Jahrzehnt brachte nicht die gewünschten Resultate. Damals entstand Alcatel-Lucent. Nokia brachte sein Netzwerkgeschäft mit dem von Siemens zusammen. Diese Zusammenarbeit gehört allerdings längst der Vergangenheit an.
Während sich Nokia zuletzt dank der Konzentration auf Mobilfunknetze wieder besser schlug, hat Alcatel trotz massiver Bemühungen seit der Gründung 2006 keinen Gewinn erzielt. Alcatel-Chef Combes hat dem Konzern einen Sparkurs verordnet, der vorsieht, 10.000 Stellen zu streichen und Unternehmensteile zu verkaufen. Nokia kam 2014 auf 12,7 Milliarden Euro Umsatz, Alcatel auf 13,2 Milliarden Euro.
Reuters