Mit dem ersten Kurs ist Alibaba fast 230 Milliarden Dollar (180 Millionen Euro) wert, mehr als alteingesessene US-Konzerne wie Walt Disney und Coca- Cola - und noch einmal 61 Milliarden Dollar mehr als zum Ausgabepreis.
Dabei waren die Papiere schon zum Höchstpreis von 68 Dollar ausgegeben worden. Die Investoren rissen dem Unternehmen, das vor 15 Jahren von dem Englischlehrer Jack Ma gegründet worden war, die Aktien buchstäblich aus den Händen. Alibaba verkaufte Papiere für 25 Milliarden Dollar, zwei Drittel des Geldes gehen an die bisherigen Investoren wie den US-Internetkonzern Yahoo, der mit dem Verkauf von Alibaba-Aktien allein acht Milliarden Dollar kassierte. Den bisherigen Rekord hatte seit 2010 die chinesische AgBank mit 22,1 Milliarden Dollar gehalten, in New York wurde der Kreditkartenanbieter Visa als Rekordhalter abgelöst.
Eine ganze Reihe von Managern und Software-Fachleuten bei Alibaba werden mit dem Schritt an die Börse zu Millionären. Allein Milliardär Ma kassiert fast 900 Millionen Dollar. "Ich will die Aktionäre nicht enttäuschen", sagte der Firmengründer bei CNBC. "Ich will sicherstellen, dass sie Geld verdienen." Größter Alibaba-Anteilseigner ist die japanische Softbank mit 32 Prozent, die sich aber von keiner Aktie getrennt hat.
Experten hatten im Vorfeld nur mit einem Kurssprung von 10 bis 15 Prozent gerechnet. Die New Yorker Börse Nyse hatte sich für den Ansturm gewappnet: Sie ließ ihre Systeme gleich in zwei Probeläufen auf Herz und Nieren testen, um keine Pleite zu erleben wie die US-Technologiebörse Nasdaq vor zwei Jahren bei der Erstnotiz von Facebook. Damals war der Handel unter der Flut von Aufträgen schier zusammengebrochen. Die Kurse waren um Stunden verspätet, viele Anleger verloren Geld. Daher hatte sich Alibaba für die Nyse als Börsenplatz entschieden. In den USA erhofft sich das Unternehmen Zugang zu einer deutlich größeren Zahl von Investoren.
Nach Angaben des führenden US-Aktienhändlers TD Ameritrade erreichte das Ordervolumen für Alibaba am Freitag noch vor dem ersten Kurs gut zwei Drittel der Kaufaufträge am ersten Handelstag von Facebook - und das Dreifache des Volumens bei Twitter. Viele Investoren waren bei der Zuteilung von Alibaba-Aktien leer ausgegangen oder enttäuscht worden. Ein Anleger berichtete, er habe 200.000 Papiere für 13,6 Millionen Dollar bestellt, aber nur 1000 erhalten. 35 bis 40 Investoren, unter ihnen der Fondsriese Blackrock, hatten jeweils für mehr als eine Milliarde Dollar Alibaba-Papiere geordert, wie es in Finanzkreisen hieß.
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MERKEL: "DIE WELT SCHLÄFT NICHT"
Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel schaut gespannt an die Wall Street: "Wenn heute der Börsengang von Alibaba stattfindet, dann zeigt dies doch, dass die Welt nicht schläft, dass chinesische große Unternehmen längst Global Player sind", sagte sie am Freitag beim Zentralverband des Deutschen Handwerks. Die Rivalen Amazon und eBay haben die Chinesen an Börsenwert bereits überholt. E-Commerce-Experten sehen Alibaba auf einer Stufe mit Facebook und Google. Ma hatte die Anleger bei seiner Werbetour überzeugt: "Das war einer der beeindruckenderen Präsentationen", sagte Jerry Jordan, der den 48 Milliarden Dollar schweren Jordan Opportunity Fund verwaltet. "Mir war gar nicht klar, wie erfolgreich sie sind."
15 Jahre nach der Gründung in Mas Ein-Zimmer-Wohnung wickelt Alibaba mehr Geschäfte ab als Amazon und Ebay zusammen. Rund 80 Prozent der Online-Umsätze in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, gehen auf das Konto von Alibaba. Von April bis Juni schossen die Umsätze um 46 Prozent nach oben, und anders als viele Internetfirmen schreibt das Unternehmen Gewinn: 1,99 Milliarden Dollar waren es in diesen drei Monaten.
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ZALANDO-AKTIEN SORGEN EBENFALLS FÜR EUPHORIE
Deutsche Internet-Firmen sind von solchen Größenordnungen noch weit entfernt. Die E-Commerce-Börsenkandidaten Zalando und Rocket Internet werden jeweils mit rund fünf Milliarden Euro bewertet. Der Online-Modehändler Zalando wurde am Freitag aber auch von der Börsen-Euphorie erfasst: Seine Aktien, die seit Donnerstag für 18 bis 22,50 Euro gezeichnet werden können, werden im Graumarkt für bis zu 26,75 Euro gehandelt.
Für viele klingt der Name Alibaba außerhalb Chinas aber noch exotisch: Nach einer Ipsos-Umfrage im Auftrag von Reuters haben 88 Prozent der Amerikaner von Alibaba noch nie gehört. Am Rande wurden kritische Stimmen laut: "In der Geschichte hat es selten einen Börsengang dieser Größe gegeben, bei dem man weniger über das Unternehmen wusste", sagte der demokratische US-Senator Bob Casey aus Pennsylvania. "Ich mache mir immer noch Sorgen um die Transparenz chinesischer Firmen, die an unseren Börsen notiert sind." An der Frankfurter Börse haben Skandale bei kleinen chinesischen Firmen für Unruhe gesorgt.
Reuters