300 Millionen Kunden und 80 Prozent Marktanteil in der Volksrepublik: Das chinesische Amazon -Pendant Alibaba will noch dieses Jahr an die Börse gehen. Es könnte der größte Sprung auf das Parkett in der Geschichte der Technologiebranche werden - noch vor Facebook. Für großes Interesse der Investoren spricht der zuletzt rasant gestiegene Umsatz, allein im vierten Quartal 2013 betrug das Plus 62 Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar. Der Gewinn verdoppelte sich zudem auf 1,4 Milliarden Dollar. Vor dem Verkauf der Aktien könnte aber noch ein anderes, unangenehmes Thema hochkochen - der Umgang mit gefälschten Produkten. Experten sagen, Alibaba macht hier zwar mindestens genauso viel wie eBay oder Amazon zum Schutz der Käufer. Weil sich China bei Plagiaten aber einen zweifelhaften Ruf erworben hat, könnten Verbraucher und Anleger besonders genau hinschauen. Eine Klagewelle ist denkbar.

Alibaba gehe stärker gegen Produktfälschungen als so mancher US-Rivale vor, sagt Richard Last, Einzelhandelsexperte und Professor an der Universität North Texas. Das Unternehmen ist sich der Problematik offenbar bewusst. In einem Dokument für den geplanten Börsengang heißt es, die Wahrnehmung, die Internet-Präsenz sei voll von Plagiaten, könnte es schwerer machen, neue Kunden oder Einzelhandelspartner in den USA anzulocken.

Und so verschärft Alibaba seine Maßnahmen. Eduardo De Arkos, Chef der US-Firma Innovative Watersports, erläutert, er habe die Chinesen im vergangenen Sommer auf einen Anbieter hingewiesen, der gefälschte Spielzeuge seines Unternehmens vertreiben wollte. Zwei Tage später sei dieser von der Seite verschwunden gewesen.

Nicht immer ist das Problem damit aber gelöst. Ein Händler aus der südchinesischen Metropole Guangzhou, der den Taobao-Marktplatz von Alibaba für gefälschte Taschen von Chanel, Dior und Gucci nutzt, berichtet, dass die Vorgaben immer strenger würden. "Letztes Jahr war es besonders hart. Ich habe gehört, dies hängt mit dem Börsengang zusammen", sagt der Händler, der namentlich nicht genannt werden will. Sollte sein Shop auf der Taobao-Seite geschlossen werden, würde er aber einfach unter neuem Namen eines Freundes oder Verwandten von vorne beginnen.

Auch Amazon und eBay müssen sich immer wieder rechtfertigen, weil über ihre Seiten Fälschungen vertrieben werden und die Marktplätze daran mitverdienen. Chris Bailey von der Rechtsanwaltskanzlei Rouse sagt, Alibaba werde vermutlich auch vielfach verklagt werden. Dies werde besonders oft in den USA geschehen. Dort könnten sich solche Klagen eher lohnen. Und bei Alibaba könnten sich viele Verdachtsfälle finden, schließlich wechseln über die Seite der Chinesen mehr Produkte den Besitzer als bei Amazon und eBay zusammen.

Regierungsangaben zufolge kommen die allermeisten der 2013 in den USA beschlagnahmten Plagiate aus der Volksrepublik. Gemessen am Wert stand China samt Hongkong für 93 Prozent aller konfiszierter Waren. 2012 waren es nur 72 Prozent.

Alibaba warnt potenzielle Investoren in den bisher vorgelegten Dokumenten zum Börsengang bereits vor möglichen Klagen. Der Konzern habe Initiativen gestartet, um die Echtheit von Produkten und dementsprechend Verstöße gegen geistiges Eigentum erkennen zu können. "Diese Maßnahmen werden aber nicht immer genug sein." Nach Firmenangaben werden jährlich 16 Millionen Dollar für den Kampf gegen Plagiate eingesetzt. Das ist vergleichsweise wenig Geld, denn der Börsengang könnte womöglich mehr als 16 Milliarden Dollar in die Kasse spülen.

Reuters