Der US-Kapitalmarkt ist für chinesische Unternehmen interessant. 2018 haben 33 chinesische Börsenaspiranten zusammen knapp zehn Milliarden Dollar auf dem New York Börsenparket eingesammelt. Vor zwei Wochen rissen sich die Anleger um die Aktien des chinesischen Start-ups Luckin Coffee. 600 Millionen Dollar sammelte der Starbucks-Konkurrent ein. Den Weltrekord hält allerdings Alibaba. Der chinesische Amazon-Rivale erlöste bei seinem Börsendebüt 2014 rund 25 Milliarden Dollar.
Laut US-Medien plant Alibaba jetzt ein Zweitlisting an der Hongkonger Börse. Experten schätzen, dass der Börsengang Einnahmen von bis zu 20 Milliarden Dollar bringen könnte. Auf den ersten Blick sieht es nicht danach aus, als ob der E-Commerce-Riese Geld benötigen würde. In den Konzernkassen liegen fast 30 Milliarden Dollar im letzten Quartal wurden 3,4 Milliarden Dollar verdient.
Deshalb vermuten Beobachter, dass die Börsenpläne mit der Verschärfung des Handelskonflikts zwischen China und den USA zusammenhängen könnte. Mit einem Listing an der Hongkonger Börse hätte Alibaba für den Fall, dass der Konflikt eskaliert, ein zweites Standbein auf einem liquiden Kapitalmarkt. Ein weiterer Vorteil könnte eine tendenziell bessere Bewertung an der asiatischen Börse sein. So wird die Aktie des Rivalen Tencent, die sowohl in USA als auch in Hongkong notieren im Vergleich zu den jeweils erwarteten Firmengewinnen mit einem höheren Kurs gehandelt, als die Anteilsscheine von Alibaba an der Wall Street.
Erst im vergangenen Jahr hat die Börse in Hongkong den Weg für Listings mit sogenannten Dual-Class-Aktien, die mit unterschiedlichen Stimmrechten ausgestattet sind, frei gemacht. Ab Juli gilt dann auch der sogenannte Stock-connect-Mechanismus, der erstmals chinesischen Anlegern freien Zugang zu Technologieaktien in Hongkong gewährt. Chinesen gelten an der Börse als besonders risikofreudig. So könnte die Zweitnotierung den Aktienkurs stärken.
Kritiker von Alibaba glauben allerdings, dass sich der Konzern bilanziell besser darstellt als er wirklich ist. In der Tat gibt es im Abschluss einige Dinge, die zumindest verwunderlich sind. So sorgten vor allem Zuschreibungen und Investmenteinnahmen für den Löwenanteil der Gewinne. In der Bilanz nehmen immaterielle Güter und Investments einen immer stärkeren Teil ein. Das Unternehmen kaufte Liegenschaften und Geschäftsausstattung im laufenden Jahr für mehr als fünf Milliarden Dollar.
Besonders auffällig ist dabei die Kennzahl GMV, der Bruttowarenwert. Das ist das durch Alibaba bewegte Geschäftsvolumen. Das lag 2019 bei 853 Millionen Dollar. Wer hier mal nachrechnet, erkennt, dass jeder Mitarbeiter ein Volumen von über acht Millionen Dollar bewegt. Bei Wettbewerber Amazone sind es hingegen nur 428000 Dollar. Ist Alibaba 20mal besser? Haben die Kritiker recht, könnte es gut möglich sein, dass Alibaba einfach frische Mittel braucht, um die Maschine am Laufen zu halten. Immerhin gibt es die Problematik, dass die Gewinne aus China nicht auf den Konten der börsennotierten Obergesellschaft auf den Cayman Islands landen, die Selbstfinanzierungskraft eher einseitig ist. Da kämen Milliarden aus dem Börsengang gerade Recht.
Ob Handelkonflikt oder Selbstfinanzierungs-Probleme, die Anleger müssen sich darüber im Moment wohl keine Sorgen machen. Die Aktie ist technisch stark angeschlagen. Potenzielle Neueinsteiger beobachten den Wert und warten zumindest einmal die Konsolidierung ab. Wer die Aktie im Depot hält setzt sich einen engen Stopp-Kurs.