Kramp-Karrenbauer schwor die CDU deshalb bereits am Abend auf Einheit, Ruhe und Kampf ein. Nicht ohne Hintergedanken verbrachte Wahlkämpfer Bouffier den Wahlabend im Konrad-Adenauer-Haus. Und die CDU-Generalsekretärin würgte jede aufkommende Personaldebatte auf Bundesebene sofort ab. Damit man den Blick der Wähler ganz auf die Bilanz der hessischen CDU lenken könne, brauche "man eine entsprechende Diskussionskulisse und Disziplin auf Bundesebene", mahnte sie. Man müsse den Wählern zudem ausreden, dass es in Hessen "um eine Abrechnung mit wem auch immer geht". Auf diese Position sollen Präsidium und Bundesvorstand am Montag und dann kommenden Sonntag auf einer Sondersitzung eingeschworen werden. Aber einfach wird dies nicht. Denn es gibt drei mögliche Störfaktoren.
ABWEHR JEDER CSU-KRITIK
Zum einen soll jeder Versuch der CSU abgewehrt werden, die Schuld für die eigenen massiven Verluste bei der CDU abzuschieben, wie dies etwa die konservative Werteunion sofort versuchte. Vorsorglich betonte die CDU-Generalsekretärin, dass die CSU-Verluste Folge eines falschen Wahlkampfes in Inhalt und Stil sei. Im Adenauer-Haus verwies man zudem auf Ergebnisse von Infratest Dimap, nach denen selbst 49 Prozent der CSU-Anhänger die Angriffe von CSU-Chef Horst Seehofer auf Merkel in der Flüchtlingspolitik falsch fanden. Zudem rangierten Bildung, bezahlbarer Wohnraum und Umwelt- und Klimapolitik bei der Wählerentscheidung in Bayern sehr deutlich vor der Asyl- und Flüchtlingspolitik, die die CSU in den vergangenen Monaten immer wieder in der Vordergrund gerückt hat. Das ist Wasser auf den Mühlen von CDU-Chefin Merkel, die Seehofer seit Monaten geraten hatte, über andere Themen als etwa Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze zu reden.
RINGEN UM GESCHLOSSENHEIT IN DER GROKO
Aber die von Kramp-Karrenbauer gewünschte Ruhe droht auch dadurch gestört zu werden, dass sich die Schocks bei CSU und SPD über ihre Verluste auf Bundesebene und die Arbeit der großen Koalition auswirken können. Vor allem SPD-Chefin Andrea Nahles dürfte unter Druck der Parteiflügel geraten, die die Koalition mit der Union ohnehin falsch finden. Dennoch gibt sich Kramp-Karrenbauer optimistisch: Tatsächlich musste auch Nahles am Sonntagabend betonen, dass die SPD nun wegen der Wahl in Hessen trotz aller Enttäuschung sofort umsteuern müsse: Auch die SPD braucht also zumindest bis zum 28. Oktober Ruhe auf Bundesebene.
Die CSU wiederum muss sich in den kommenden drei, vier Wochen voll auf die Regierungsbildung in Bayern konzentrieren. "Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass alle drei Regierungsparteien die notwendigen Konsequenzen aus dem Wahlergebnis ziehen werden", sagte Kramp-Karrenbauer. Ein Burgfrieden könnte auch Merkel helfen, die wochenlang vor allem zwischen harten SPD- und CSU-Positionen zerrieben wurde - und deshalb schwach wirkte. Aber die Ruhe in der großen Koalition ist wenn überhaupt eben nur bis zur Hessen-Wahl sicher.
WAS PASSIERT NACH HESSEN?
Zudem gilt als offen, ob Ministerpräsident Bouffier nach dem 28. Oktober im Amt bleiben kann. Der Hessen-CDU droht laut Umfragen ein Absacken unter 30 Prozent, obwohl die schwarz-grüne Koalition über den größten Teil der Legislaturperiode gute Zustimmungswerte erhalten hatte. Doch nun droht auch CDU-Vize Bouffier angesichts der bundesweiten Kritik an den Groko-Parteien ein Abrutschen. Und der CDU-Politiker könnte etwa von einem SPD-Grünen-FDP-Bündnis oder einer rot-rot-grünen Koalition abgelöst werden. Um das zu verhindern, will die CDU nun alles mobilisieren, was laufen kann. Allein Kramp-Karrenbauer tritt fast 20-mal in Hessen auf, die Kanzlerin viermal in der letzten Wahlkampf-Woche.
Denn die Spannung in der CDU ist hinter den Kulissen groß, wird eingeräumt - ungeachtet des Ausgangs der Bayern-Wahl. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Merkels Schicksal an das von Bouffier geknüpft sein könnte. Sollte dieser kippen, dann dürfte es jedenfalls für die CDU-Chefin nicht einfach werden, sich auf dem Bundesparteitag Anfang Dezember wieder zur Parteichefin wählen zu lassen.
rtr