Kreditkarten gehören in den USA schon seit gefühlten Ewigkeiten für jedermann zum Alltag. Wir Deutschen hingegen blieben lange dem Bargeld treu - und tun es in vielen Fällen noch immer. Dennoch stiegen die Umsätze mit der Plastikkarte im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich an: von gut 43 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf mehr als 118 Milliarden Euro 2019. Neuere Zahlen weist die Deutsche Bundesbank nicht aus.
Eine im Drei-Jahres-Rhythmus durchgeführte Erhebung der Bundesbanker zeigt jedoch für 2020, dass gerade auch die andauernde Corona-Krise bargeldloses Zahlen noch einmal stark gepusht hat. Von allen dort erfassten Zahlungen an der Ladenkasse, in der Freizeit, im Onlinehandel und bei weiteren Zahlungsanlässen wurden demnach 30 Prozent mit Karte getätigt. In der Zahlungsverhaltensstudie von 2017 lag der Wert noch neun Prozentpunkte niedriger. Dabei besonders interessant: Mehr als ein Fünftel der Befragten, die im vergangenen Jahr kontaktlos bezahlten, probierte dies während der Corona-Pandemie erstmals aus.
Angebot wird immer größer
Den größten Zuwachs verzeichnet hier zwar die EC-Karte, aber auch Kreditkarten werden immer selbstverständlicher genutzt. Im Jahr 2017 besaßen gerade einmal 36 Prozent der Befragten mindestens eine Kreditkarte, 2020 waren es bereits 58 Prozent.
Doch je mehr die bunten Karten - nicht wenige können inzwischen sogar individuell gestaltet werden - zum Einsatz kommen, desto wichtiger wird es, die richtige für sich zu finden. Analog zum gestiegenen Interesse der Verbraucher ist auch das Angebot ständig gewachsen. Nicht nur Banken oder Kreditkartengesellschaften legen Karten auf, immer häufiger versehen auch große Handelsketten, Reise- oder Fluggesellschaften Kundenkarten mit Kreditkartenfunktionen.
Bei aller Angebotsvielfalt: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Tatsächlich unterscheiden sich die einzelnen Angebote zum Teil erheblich. Umso wichtiger ist es, mit dem im Auftrag von €uro am Sonntag bereits zum vierten Mal durchgeführten Kreditkarten-Test des Deutschen Kundeninstituts (DKI) Licht ins Dunkel zu bringen. Untersucht wurden auch in diesem Jahr sowohl Standard-Kreditkarten als auch Gold- und Premiumkarten. Letztere bieten neben allen Standardfunktionen noch ein Bündel von Zusatzleistungen - angefangen mit Versicherungen, Rabatten oder Flugmeilen bis hin zu attraktiven Cashback-Systemen. Das Testergebnis Goldkarten präsentieren wir in der nächsten Ausgabe, alles zu Premiumkarten gibt es dann eine Woche später.
Für alle in den Test aufgenommenen Karten gilt: Wer sie haben möchte, muss eine Bonitätsprüfung durchlaufen. Prepaid-Kreditkarten hingegen, mit denen nur ausgegeben werden kann, was vorher aufgeladen wurde, fallen unter den Tisch. Die 40 getesteten Standard-Kreditkarten unterteilen sich in Debit-Karten, bei denen Zahlungen direkt vom Konto abgebucht werden, und Charge-Karten, bei deren Einsatz dem Kunden 30 Tage Zahlungsaufschub gewährt wird. Außerdem dabei: Revolving-Credit-Karten, die zusätzlich Ratenzahlung erlauben. Insgesamt bieten 15 der getesteten Karten diese Zusatzleistung an. Viele Verbraucher schätzen sie zwar, vor allem Verbraucherschützer stehen ihnen aber skeptisch gegenüber, weil sie rasch zu Überschuldung des Nutzers führen können. Wird die Teilzahlungsfunktion in Anspruch genommen, fallen hohe Zinsen an, deren durchschnittlicher Wert mit 14,34 Prozent im Vergleich zum Test im vergangenen Jahr (14,18 Prozent) sogar noch einmal gestiegen ist. Zur Einordnung: Die Dispozinsen lagen laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest 2020 im Schnitt bei 9,61 Prozent.
Die niedrigsten Kreditzinsen gibt es bei der Miles & More Blue Credit Card: 8,90 Prozent. Das half bei der Gesamtwertung indes nicht, denn die Zinsen für die Teilzahlungsfunktion flossen in den eigentlichen Test nicht mit ein. In der Gesamtwertung, für die 190 Einzelkriterien aus den drei Kategorien Angebot (Leistungsumfang), Konditionen und Kundenservice gecheckt wurden, schaffte die Miles-&-More-Karte nur Platz 26. Angebot und Konditionen flossen mit jeweils 35 Prozent in die Gesamtbewertung ein, die Servicequalität der Anbieter mit 30 Prozent (siehe "So wurde getestet" unten). Um Letzteres zu beurteilen, stellten die Tester telefonische und schriftliche Anfragen und analysierten die Internetauftritte und Social-Media-Seiten der Anbieter.
Gesamtsieger wurde diesmal die Barclaycard Visa (Barclaycard), die 90,9 von 100 Leistungspunkten erreichte und so mit der Note "sehr gut +" abschließt. Auf Platz 2 und 3 folgen die GenialCard der Hanseatic Bank und die Mastercard Standard der Sparkasse Pforzheim Calw, beide mit der Gesamtbewertung "sehr gut".
Der Testsieger überzeugte vor allem durch Bestbewertungen für die Konditionen und das Angebot. So ist das Beantragen der Barclaycard Visa ohne Eröffnung eines Girokontos möglich, und es wird keine Jahresgebühr fällig. Auch Bargeldabhebungen sowie Bezahlvorgänge sind im In- und Ausland kostenfrei, keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Insgesamt sind nur 21 der 40 untersuchten Kreditkarten ohne die Eröffnung eines Girokontos bei der zugehörigen Bank erhältlich. Für 25 der getesteten Karten fallen Jahresgebühren an. Vier weitere Kreditkarten sind zwar im ersten Jahr kostenlos, danach fallen aber Gebühren an. Die Gebührenspanne reicht von 18 Euro (Visa DirectCard der BBBank) bis zu üppigen 79,90 Euro (TUI).
Welche Kriterien sind wichtig?
Schlusslicht in der Gesamtwertung ist die Mastercard Standard der Sparda- Bank West, die nur im Kundenservice über ein "befriedigend" hinauskam. Beim Angebot schnitt sie sogar mit "ungenügend" ab. Sie kostet 40 Euro pro Jahr, ist damit die fünftteuerste Karte im Test, und für Bargeldabhebungen im In- und Ausland werden noch weitere Gebühren erhoben. Und auch Ersatzkarten oder PINs kosten Geld - und das, obwohl Kunden noch nicht einmal eine Wunsch-PIN einstellen können.
Um für sich selbst die richtige Karte zu finden, empfiehlt der Chef des Deutschen Kundeninstituts, Jörn Hüsgen, nicht nur die Gesamtwertung zu betrachten, sondern zunächst einmal zu analysieren, welche Kriterien einem besonders wichtig sind. Wem es vor allem um umfassenden Service geht, den mögen die Kosten weniger interessieren. Und wer vor allem einen möglichst hohen Verfügungsrahmen benötigt, dem mag es egal sein, wie schnell telefonische Anfragen beantwortet werden.
Damit Interessenten sich hier ebenfalls einen schnellen Gesamteindruck verschaffen können, gibt es zu allen Testkategorien ein eigenes Ranking. Am weitesten auseinander fallen die einzelnen Kartenangebote in der Kategorie "Angebot", in der das Notenspektrum von "sehr gut +" bis "ungenügend" reicht - wobei immerhin über die Hälfte der Karten mit "sehr gut" bewertet wird. Die schlechteste Bewertung erhält auch hier die Mastercard Standard der Sparda-Bank West.
Am dichtesten zusammen liegt das Feld bei Konditionen und Kundenservice mit Noten von "sehr gut +" bis "ausreichend". Gleichauf vorn liegen bei den Konditionen die Anbieter awa7 und Hanseatic Bank, das Ende markiert die LBB. Da es jedoch nicht immer nur darum geht, die günstigste oder am besten ausgestattete Karte zu finden, hat das DKI das Verhältnis von Angebot und Konditionen zueinander betrachtet - und so das Preis-Leistungs-Verhältnis ermittelt. Die entsprechende Tabelle zeigt ebenfalls die Barclaycard Visa oben, wobei insgesamt 15 Karten mit "sehr gut +" oder "sehr gut" abschneiden. Die Kategorie "Preis-Leistungs-Verhältnis" floss nicht gesondert in die Gesamtwertung des Tests ein.
Keine Apps, aber häufig Apple Pay
Betrachtet man die getesteten Karten dagegen rein unter dem Gesichtspunkt Kundenservice, führt die Sparkasse Pforzheim Calw. Allerdings sehen die Tester gerade hier große Defizite bei fast allen Anbietern. So warteten sie beispielsweise im Durchschnitt einen Tag, zehn Stunden und 48 Minuten auf eine Rückmeldung via E-Mail. "Ein Unding", findet Jörn Hüsgen, "und mit den Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, heute nicht mehr erklärbar."
Auch dass Apps, die Kartenumsätze in Echtzeit zeigen, bislang fehlen, sieht Hüsgen als großen Mangel. Ein positives Fazit zieht er dagegen beim kontaktlosen Bezahlen. Besonders Apple Pay setzt sich hier immer mehr durch. "Eine Entwicklung, die natürlich gerade in Corona-Zeiten besonders wichtig ist."
So wurde getestet:
Das für diese Studie genutzte Testdesign wurde zusammen mit der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelt. Grundlage der Bewertung ist das sogenannte Kano-Modell, das davon ausgeht, dass Kunden an ein Produkt Basis-, Leistungs- und Bonusanforderungen haben. Werden die Anforderungen der ersten beiden Gruppen nicht erfüllt, gibt es Punktabzüge, bekommt der Kunde mehr als erwartet, gibt es Bonuspunkte. Aus diesem Grund sind auch Gesamtpunktzahlen über 100 möglich.
Untersucht wurden drei Kategorien mit jeweils einer Vielzahl von Einzelkriterien. Hierzu gehören in der Kategorie "Konditionen" (35 Prozent Gewicht) zum Beispiel die Voraussetzungen für den Erhalt einer Karte, die Jahresgebühr, die Gebühren für Bargeldabhebungen und Bezahlvorgänge, die Guthabenverzinsung oder die Haftungsgrenze bei Kreditkartenmissbrauch. In die Kategorie "Angebot" (ebenfalls 35 Prozent) flossen Punkte wie maximaler Verfügungsrahmen, Abrechnungsarten, Erhalt von Partnerkarten, kontaktloses Bezahlen oder enthaltene Versicherungen respektive Bonusleistungen ein. Beim "Kundenservice" (30 Prozent) ging es unter anderem um Schnelligkeit, Freundlichkeit und Kompetenz bei Antworten auf Anfragen. Durchgeführt wurde die Studie von Januar bis März 2021. Bei Punktegleichstand in den Tabellen entschieden die weiteren nicht abgebildeten Nachkommastellen über die konkrete Platzierung.