Bei brisanten Themen erwarten Anleger eindeutige Aussagen des Vorstandschefs. Statt Finanzvorstand Giulio Terzariol, der üblicherweise die Quartalsbilanzen der Allianz präsentiert, begann dieses Mal stattdessen Vorstandschef Oliver Bäte. Wenige Tage zuvor hatte die Allianz ad hoc vor signifikanten Auswirkungen der Klagen von US-Investoren auf das Geschäft gewarnt und die Aktie auf eine rasante Talfahrt geschickt.
In bisher 25 Klagen machen institutionelle Anleger und Privatpersonen in Zusammenhang mit Spezialfonds der Tochter Allianz Global Investors (AGI) Verluste im Wert sechs Milliarden US-Dollar geltend. Als börsennotierte Vehikel unterliegen die Structured Alpha Fonds der AGI auch der Aufsicht des US-Justizministeriums. Damit sind weitere Sanktionen möglich.
Rückstellungen angekündigt
Inzwischen habe die Allianz mehr als eine Million Dokumente und E-Mails gesichtet und die Vorgänge forensisch untersucht, sagt Bäte: "Wir mussten leider jetzt feststellen, dass sich daraus bestimmte Implikationen ergeben werden", räumte der Manager ein. Sobald das Ausmaß der finanziellen Belastung realistisch eingeschätzt werden könne, würden Rückstellungen gebildet, kündigte Bäte an.
Für den Versicherer ist dieser Vorgang finanziell eine Gratwanderung. Mit Bezug auf die Verhandlungen mit den US-Klägern sagte Bäte, dass man es "so schnell und so ordentlich wie möglich" machen wolle, aber im amerikanischen Klageumfeld sei "schnell manchmal auch sehr teuer". Auf keinen Fall will die Allianz jedoch ihren Ruf im US-Markt beschädigen: "Man kann jetzt lange argumentieren, das war ein Hochrisikoprodukt, am Ende des Tages ist es wichtig, wie die Kunden darüber denken", sagte Bäte. Gleichzeitig versuchte der Manager Sorgen der Investoren und Aktionäre zu dämpfen. Dieses Event werde Spuren hinterlassen, aber die erfolgreiche Allianz nicht von ihren Weg abbringen.
Rekordgewinn in Aussicht
Die Vorlage für Zuversicht dafür lieferte die Bilanz für das zweite Quartal. Dank seines starken Versicherungsgeschäfts steckt der Konzern die Belastungen aus Naturkatastrophen gut weg. Mit zwölf bis 13 Milliarden Euro operativen Gewinn für 2021 stellen die Münchner eine neue Bestmarke in Aussicht. Zudem kauft die Allianz eigene Aktien im Wert von 750 Millionen Euro zurück, um das pandemiebedingt unterbrochene Programm im Wert von 1,5 Milliarden Euro nun abzuschließen.
Die von Investoren viel beachtete Solvabilitätsquote ist ein wichtiger Indikator für die Kapitalstärke der Allianz. Im zweiten Quartal lag sie bei 206 Prozent. Die beim US-Börsendienst Bloomberg registrierten Analysten erwarten für 2021 mehr Dividende: im Schnitt 10,30 Euro pro Aktie, einige sogar elf Euro.
Im vergangenen Jahr war es gelungen, trotz Corona mit dem Einverständnis der Aufsichtsbehörde Bafin die Dividende nicht kürzen zu müssen. Es wurden 9,60 pro Aktie gezahlt.
Das Geschäft der Tochter Allianz Asset Management wird von den US-Klagen bisher nicht negativ beeinflusst. Mit 1.830 Milliarden Euro, die für Kunden angelegt werden, ist die Sparte einer der größten Vermögensverwalter weltweit.
Der Bereich liefert in der Regel rund ein Fünftel des operativen Ertrags. Zum Plus von 29,4 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro operativen Gewinn im zweiten Quartal trugen alle drei Allianz- Sparten bei: Sachversicherung, Lebensversicherung und die Vermögensverwaltung.
Impuls: Die jüngste Talfahrt der
Aktie ist gestoppt. Nun müssen
die Widerstände bei 210 und 220
Euro überwunden werden.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 250,00 Euro
Stoppkurs: 172,00 Euro