Ein Debakel mit riskanten Finanzanlagen in den USA überschattet ein Rekordjahr von Europas größtem Versicherer Allianz. US-Investoren hatten mit Hedgefonds von AllianzGI zu Beginn der Corona-Krise Milliarden verloren und den Konzern auf mehr als sechs Milliarden Dollar verklagt. Nach Vergleichsverhandlungen mit den größten Anlegern rechnet der Versicherungsriese daraus mit Belastungen von mehr als 3,7 Milliarden Euro vor Steuern, wie er am Donnerstagabend mitteilte.

Negative Schlagzeilen hatte der Fehlschlag mit den von der Investmenttochter Allianz Global Investors (AllianzGI) entwickelten und verkauften "Structured Alpha"-Hedgefonds vor allem in den USA dennoch beschert: Die Papiere waren vor allem an große US-Pensionsfonds verkauft worden, die an eine sichere Anlage glaubten. Doch als die Märkte im Februar und März 2020 aufgrund der anrollenden Corona-Pandemie wackelten, mussten sie milliardenschwere Verluste hinnehmen. Etwa 25 Investoren haben die Allianz auf sechs Milliarden Dollar verklagt, weil sie mit den angeblich krisensicheren Papieren einen Großteil ihres Einsatzes verloren hatten. Sie werfen ihr vor, angesichts der zeitweiligen Panik an den Märkten von ihrer Investmentstrategie abgewichen zu sein. Das hatte auch das US-Justizministerium und die Wertpapieraufsicht SEC auf den Plan gerufen. Über die Affäre war im Herbst auch die für die Asset-Management-Sparte zuständige Vorständin Jacqueline Hunt gestolpert. Hunt hat den Vorstand bereits vorzeitig verlassen.

Allianz hatte die drohenden Belastungen im vergangenen Sommer publik gemacht, aber keine Summe genannt. "Die bevorstehenden Vergleichsabschlüsse bilden einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer Beendigung aller Verfahren", schrieb Allianz in ihrer Mitteilung. Die Gespräche mit den verbleibenden Klägern, dem US-Justizministerium und der Wertpapieraufsicht SEC dauerten aber noch an. Deshalb sei "mit zusätzlichen Belastungen zu rechnen, bevor diese Verfahren endgültig abgeschlossen werden können".

Das Verfahren kam dem der Allianz teuer zu stehen. Nach Vergleichsverhandlungen mit den größten Anlegern rechnet der Versicherungsriese daraus mit Belastungen von mehr als 3,7 Milliarden Euro vor Steuern, wie er am Donnerstagabend mitteilte. Die Summe könnte aber noch höher ausfallen. Das überschattet das Rekordjahr des DAX-Konzerns.

Doch im operativen Geschäft lief es gut und so kann die Allianz Kosten für den Rechtsstreit verkraften. Der Gewinn ging im vergangenen Jahr nur um drei Prozent auf 6,6 Milliarden Euro zurück, obwohl die Rückstellung für die Hedgefonds-Verluste kräftig zu Buche schlug. Unter dem Strich war das zwar der niedrigste Gewinn seit 2013, die Dividende soll dennoch kräftig erhöht werden: um 1,2 Euro auf 10,80 Euro je Aktie. Das entspräche einer Dividendenrendite von 4,38 Prozent. Zusätzlich will der Versicherer auch in diesem Jahr eigene Aktien zurückkaufen - in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro. Damit gibt die Allianz überschüssiges Kapital an die Anteilseigner zurück. Für 2023 erwarten Analysten sogar elf Euro Dividende. Operativ kletterte das Ergebnis um ein Viertel auf den Rekordwert von 13,4 (Vorjahr: 10,8) Milliarden Euro nach oben. Damit übertraf Allianz nicht nur ihre bereits auf 13 Milliarden Euro erhöhte Prognose, sondern auch die durchschnittliche Erwartung von Analysten. Der Umsatz - also die Summe aus Beitragseinnahmen in der Versicherung und Gebühren für die Fonds - stieg im Vergleich zum Vorjahr um 5,7 Prozent auf 148,5 Milliarden Euro.

Alle Allianz-Segmente legten im Tagesgeschäft zu


Im Jahr 2021 warfen alle Geschäftsbereiche von Allianz im Tagesgeschäft mehr ab als im ersten Corona-Jahr 2020. Am besten verdiente erneut die Schaden- und Unfall-Versicherungs-Sparte, deren operatives Ergebnis nach den Corona-Belastungen um 31 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro stieg. Ein Rückgang der Basisschäden und die Auflösung von Schadenreserven hätten die gestiegenen Belastungen durch Naturkatastrophen ausgeglichen, so das Unternehmen. Die Kostenquote verbesserte sich auf 26,7 Prozent von 26,8 Prozent im Vorjahr.

In der Lebens- und Krankenversicherung legte der operative Gewinn um 15 Prozent auf fünf Milliarden Euro zu, nachdem der Konzern ein Jahr zuvor eine Sonderbelastung in den USA verbucht hatte. Außerdem trieben positive Entwicklungen in der deutschen Lebens- und Krankenversicherung das Ergebnis nach oben. Auch im Fondsgeschäft der Kapitalanlage-Töchter Pimco und AllianzGI lief es trotz des Hedgefonds-Debakels gut: Anleger schoben netto über 110 Milliarden Euro an frischem Geld in die Fonds der beiden Allianz-Gesellschaften. Damit verwaltete die Allianz zum Jahresende 1,97 Billionen Euro. Einschließlich der Kapitalanlagen für ihre Versicherungskunden waren es 2,61 Billionen Euro. Der operative Gewinn der Sparte legte um 22 Prozent auf rund 3,5 Milliarden Euro zu.

Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr


Für das laufende Jahr zeigte sich Finanzvorstand Giulio Terzariol zuversichtlich. So peilt der Vorstand für 2022 einen operativen Gewinn zwischen 12,4 und 14,4 Milliarden Euro an. "Unsere starke Geschäftsentwicklung, basierend auf den soliden Fundamenten unseres Geschäfts, bestätigt unsere Zuversicht für den Ausblick für 2022", so Terzariol. Weitere Belastungen aus dem Rechtsstreit in den USA sind bei dieser Kennzahl wie schon im vergangenen Jahr ausgeklammert.

Einschätzung zur Allianz-Aktie


Anfang 2020 hat die Allianz-Aktie wegen der Corona-Krise ordentlich Federn gelassen und verzeichnete den stärksten Kursrutsch seit der Finanzkrise 2008/2009. Damals war der Allianz-Kurs im November 2008 fast bis auf 45 Euro abgestürzt. Seither war es trotz mehrerer Turbulenzen grundsätzlich immer weiter aufwärts gegangen - bis auf 232,60 Euro im Februar 2020. Dann sackte der Kurs im allgemeinen Corona-Crash an den Finanzmärkten binnen weniger Wochen um fast die Hälfte auf gut 117 Euro ab.

Nach einer holprigen Erholung knüpfte das Allianz-Papier Anfang des neuen Jahres mit einem steilen Kursanstieg wieder an die Marktentwicklung an und entwickelte sich seitdem sogar besser als der Leitindex. Vor wenigen Tagen wurde die Aktie mit 232,50 Euro so teuer gehandelt wie kurz vor dem Corona-Crash 2020. Seitdem ging es wieder bis auf zuletzt rund 225 Euro abwärts.

Mit Bekanntgabe der Jahreszahlen am Donnerstagabend rutschte das Papier im späten Handel etwas ab auf 221,85 Euro. Die kräftige Erhöhung der Dividende gab dem Papier im frühen Handel am Freitagmorgen jedoch Auftrieb und so legte der Kurs um rund 0,25 Prozent zu auf etwa 223 Euro.

Die US-Bank JPMorgan hat die Einstufung für die Allianz nach den Geschäftszahlen, einer milliardenschweren Rückstellung und einem angekündigten Aktienrückkauf auf "Neutral" mit einem Kursziel von 255 Euro belassen. Den Rückkauf wertete Analyst Kamran Hossain in einer ersten Reaktion am Donnerstag als positiv, denn er belege, dass der Großversicherer aktuelle und zukünftige höhere Kosten verkraften könne. Die vorgeschlagene Dividende decke sich mit den Erwartungen. An den Konsensschätzungen für 2022 dürfte sich nach den Nachrichten nicht viel ändern, prognostizierte der Experte.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 92 Milliarden Euro ist die Allianz an der Börse fast 40 Prozent höher bewertet als ihre französische Konkurrentin Axa und mehr als dreimal so hoch wie der italienische Versicherungskonzern Generali.

Wir sind für die Allianz-Aktie positiv gestimmt. Wir bleiben trotz der Rückstellungen in Milliardenhöhe bei unserer Kaufempfehlung. Das operative Geschäft lief gut und der Versicherer kann die Kosten für den Rechtsstreit verkraften. Angesichts der kräftig angehobenen Dividende und der guten Aussichten ist das Papier ein solides Basisinvestment.

iw/fh/rtr/dpa-AFX