Das Duo Paul und Rasmund hielt Mitte des Jahres mit Starkregen, Sturm und Hagel den Norden Deutschlands in Atem. Seien es umgestürzte Bäume, überflutete Keller oder gerissene Bahnoberleitungen - als die beiden Tiefs abgezogen waren, zeigte sich ein Bild der Verwüstung. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) verursachte die Unwetterserie Entschädigungsleistungen in Höhe von rund 600 Millionen Euro.
Die Börsenkurse des Sektors zeigten sich von den Turbulenzen unbeeindruckt, über Europas Versicherungsaktien liegt ein stabiles Hochdruckgebiet. Der Index Stoxx Europe 600 Insurance notiert auf Rekordniveau (siehe Seite 4 "Auf einen Blick").
Weil die Assekuranz geradezu strotzt vor Kraft, können ihr die jüngsten Wetterkapriolen wenig anhaben. In die Hände spielt dem Sektor zum einen die robuste Konjunktur. Sie sorgt für einen steten Anstieg der Einnahmen. Beispielsweise haben die Beiträge aus Lebens-, privater Kranken- sowie Schaden- und Unfallversicherung in Deutschland nach Angaben des GDV von 2012 bis 2016 um knapp sieben Prozent auf 194,2 Milliarden Euro zugenommen.
Gleichzeitig kommt die Branche erstaunlich gut mit dem notorischen Tiefzinsumfeld zurecht. JP Morgan Cazenove führt diesen Umstand auf ein geschicktes Laufzeitenmanagement, starke Kapitalpositionen, Kosteneinsparungen sowie überarbeitete Geschäftsmodelle zurück. Den Analysten zufolge war es den Versicherern auf diese Weise möglich, eine großzügige Dividendenpolitik zu verfolgen: Über die vergangene Dekade nahm die Ausschüttungssumme in Europa durchschnittlich um sechs Prozent pro Jahr zu (siehe auch "Auf einen Blick").
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Vorbildlicher Branchenprimus
Einen eindrucksvollen Beleg für das starke Momentum der Versicherungswirtschaft liefert die Allianz. Europas Branchenkrösus steigerte den Gewinn von Januar bis Juni um 18 Prozent auf 3,81 Milliarden Euro. "Alle Segmente sind in den ersten sechs Monaten wirklich hervorragend gelaufen", freut sich Vorstandschef Oliver Bäte.
Ein Ausrufezeichen setzte auch die in den vergangenen Jahren schwächelnde Vermögensverwaltungstochter Pimco: Sie verbuchte im zweiten Quartal Nettomittelzuflüsse von 52 Milliarden Euro. "Wir sind der Meinung, Pimco ist genesen", sagt Bäte.
Praktisch zeitgleich mit dem Zwischenbericht gab die Allianz einen knapp 800 Millionen Euro schweren Zukauf in Großbritannien bekannt. Der DAX-Konzern beteiligt sich mit 69,9 Prozent an der Schaden- und Unfallsparte der Liverpool Victoria Friendly Society. Damit steigt er zum - gemessen an den Prämieneinnahmen - drittgrößten Privatkundenversicherer auf der Insel auf.
Angesichts der positiven Nachrichten überrascht es nicht, dass die Allianz-Aktie auf dem besten Weg ist, erstmals seit mehr als 15 Jahren die 200-Euro-Marke zu erklimmen.
Auf dem Sprung nach oben ist auch Talanx. Der im MDAX enthaltene Versicherer erhielt kürzlich von der Deutschen Bank eine Art Ritterschlag: Sie stufte die Assekuranzaktie von "Hold" auf "Kaufen" herauf. Die Analysten halten bei der Versicherungsgruppe eine Erhöhung der Prognose für möglich.
Zwar dürfte Talanx bei der Vorlage der Halbjahreszahlen am 14. August die Latte noch nicht höher legen. Wegen des zu erwartenden Gewinnniveaus sollte der Druck für eine Anpassung jedoch steigen. Wir teilen diese Einschätzung und trauen dem breit aufgestellten Konzern mit Blick auf den Zahlentermin ein neues Allzeithoch zu.
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Jede Menge Kursfantasie
Axa hat die Zwischenbilanz bereits vorgelegt: Im ersten Halbjahr verdiente Europas Nummer 2 unterm Strich 3,27 Milliarden Euro - 130 Millionen Euro mehr als von Analysten erwartet. Unternehmenschef Thomas Buberl hob in einer Präsentation das Wachstum in der Schaden-, Unfall- sowie Krankenversicherung hervor. Der seit knapp einem Jahr amtierende deutsche Konzernlenker verfolgt ehrgeizige Ziele: Bis 2020 sollen die Kosten um mehr als zwei Milliarden Euro zurückgefahren werden.
Gleichzeitig peilt Buberl beim Gewinn je Aktie ein durchschnittliches jährliches Wachstum von bis zu sieben Prozent an. Für zusätzliche Fantasie sorgt bei dem günstig bewerteten Large Cap der für das kommende Jahr geplante Börsengang des US-Geschäfts.
Auf der Verkäuferseite ist auch Generali unterwegs. Der italienische Versicherer möchte bis 2018 zwischen 13 und 15 Tochtergesellschaften losschlagen und auf diese Weise mindestens eine Milliarde Euro einnehmen.
Operativ spürt Generali schon jetzt Rückenwind. Im ersten Halbjahr verdiente das Unternehmen mehr als erwartet. Aufhorchen ließ insbesondere der Wert des Neugeschäfts in der Lebenssparte mit einem Wachstum von 52 Prozent. Wie die Konkurrenz setzten die Italiener verstärkt auf Policen, bei denen sie weniger Kapital hinterlegen müssen. Auf diese Weise fällt es dem Konzern leichter, die europäische Eigenmittelvorgabe Solvency II zu erfüllen und gleichzeitig die Investoren mit attraktiven Ausschüttungen zu verwöhnen. Für 2017 bietet die Aktie eine attraktive Dividendenrendite von 5,6 Prozent.