Nur wenige Konzerne schaffen das, was Alphabet schafft: Die Google-Mutter leidet nicht unter der Corona-Pandemie, und profitiert sogar noch von unterschiedlichen Pandemielagen. Müssen die Menschen während einem Lockdown oder einer Quarantäne zuhause bleiben und sind persönliche Treffen mit anderen Haushalten eingeschränkt, verbringen sie mehr Zeit im Netz. Und das nicht nur zum Arbeiten, sondern auch zur Freizeitbeschäftigung, um in Kontakt mit Freunden und Familie zu bleiben oder zum Einkaufen. Online sind Verbraucher besonders gut mit Werbung zu erreichen. Plattformen wie Google - aber auch Facebook, Snapchat oder Twitter - können ihre Nutzer mit personalisierter Werbung sogar besonders effizient erreichen und entsprechend bei den Werbekunden abkassieren.
Dieses Phänomen zeigt sich bei Alphabets Video-Plattform YouTube besonders gut, wie die am Dienstag nach US-Börsenschluss veröffentlichten Quartalszahlen zeigen. Der Werbeumsatz stieg hier im zweiten Quartal um 84 Prozent auf sieben Milliarden US-Dollar. Analysten hatten dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge nur 6,33 Milliarden erwartet. Zum Vergleich: Der Videostreamingdienst Netflix erzielte im zweiten Quartal insgesamt einen Umsatz von 7,3 Milliarden Dollar.
Die Onlinewerbung vor, nach und während YouTube-Videos trägt aber nur einen relativ kleinen Teil zu den gesamten Werbeerlösen bei. Der Umsatz mit Werbung der Google-Mutter stieg im zweiten Quartal um 69 Prozent auf 50,4 Milliarden Dollar. Im Vorjahresquartal hatten allerdings die Unternehmen die Werbebudgets wegen der akut einsetzenden Corona-Krise zeitweise gekürzt, deshalb ist der Sprung so groß.
Aktuell werden in vielen Ländern die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise gelockert, die Impfquoten steigen. Reisen sind wieder größtenteils machbar, die Läden sind wieder geöffnet. Auch davon profitiert Alphabet: Die Unternehmen schalten wieder mehr Werbung - vor allem im Einzelhandel. Dieser habe "bei weitem" am Meisten zum Anstieg der Werbeausgaben beigetragen, sagte Chief Business Officer Philipp Schindler in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Auch Reise- und Unterhaltungsunternehmen, Finanzdienstleister und Medien hätten mehr Geld für Anzeigen bei Google ausgegeben.
Rekord beim Umsatz
Konzernweit stieg der Umsatz im zweiten Quartal währungsbereinigt um 57 Prozent auf rund 61,9 Milliarden Dollar - so hoch wie noch nie. Der Gewinn kletterte auf 18,5 Milliarden Dollar, nach sieben Milliarden im Vorjahr. Analysten hatten deutlich weniger erwartet. Die Google-Mutter habe zum dritten Mal in Folge bei Umsatz und operativer Marge überzeugt, schrieb Analyst Brent Thill in einer am Mittwoch vorliegenden Studie. Es sei schwer, seinen Enthusiasmus zu bremsen. Die Verlagerung der Werbeausgaben hin zu Google Search und Youtube lasse weiterhin viel Spielraum und er sehe noch mehr Dynamik hier im zweiten Halbjahr.
In der Cloud-Sparte konnte Alphabet zwar seinen Marktanteil steigern, bleibt aber weiter hinter den Konkurrenten Amazon Web Services und Microsoft zurück. Der Umsatz in dieser Sparte stieg um 54 Prozent auf 4,6 Milliarden. Analysten hatten mit etwas weniger gerechnet. Der operative Verlust in dieser Sparte schrumpfte unterdessen von 1,4 Milliarden Dollar im Vorjahresquartal auf 591 Millionen Dollar.
Einen Verlust gab es traditionell auch bei den sogenannten "anderen Wetten" - das potenzielle Zukunftsgeschäft mit selbstfahrenden Autos oder Lieferdrohnen: 1,4 Milliarden Dollar Minus waren es in diesem Quartal, fast 300 Millionen Dollar mehr als noch im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz stieg hier immerhin von 148 auf 192 Millionen Dollar. Insgesamt dürfte dieser Verlust den Alphabet-Konzern (zur Erinnerung: mit einem Quartalsgewinn von immerhin 18,5 Milliarden Dollar) aber nicht so sehr schmerzen.
Google gerät mittlerweile genauso wie andere Tech-Konzerne immer stärker ins Visier von Regulierern. US-Präsident Joe Biden will die Marktmacht der einzelnen Akteure begrenzen und den Unternehmen mehr auf die Finger schauen. Und es laufen bereits mehrere Gerichtsverfahren mit dem Ziel, für mehr Wettbewerb zu sorgen. In Deutschland nimmt das Bundeskartellamt US-Technologiekonzerne wie Apple, Amazon und Google stärker unter die Lupe. Für mögliche Strafen hat Alphabet immerhin ein dickes Polster: Ende Juni waren es Reserven von ganzen 136 Milliarden Dollar.
Am Aktienmarkt kamen die Quartalszahlen von Alphabet gut an, die Aktie stieg nachbörslich um fünf Prozent. Im laufenden Jahr legte der Kurs bereits mehr als fünfzig Prozent zu.
Angesichts der stabilen Erträge durch Onlinewerbung und der guten Geschäftszahlen bleiben wir bei unserer Kaufempfehlung.
Mit Material von Reuters/dpa