Aktiensplits sind wieder in Mode, und Unternehmen, die ihre Aktien aufteilen, werden an der Börse schnell belohnt. Zu den Unternehmen, die in letzter Zeit ihre Aktionäre um Zustimmung zu einem Aktiensplit baten, gehören die Google-Muttergesellschaft Alphabet, Amazon, Tesla und Gamestop. Jedes dieser Unternehmen erlebte nach der Ankündigung des Splits eine Kursrally.
Ein Aktiensplit hat keine großen Auswirkungen, außer dass sich die Anzahl der Aktien erhöht. Daher ist es verwunderlich, dass danach meist der Kurs steigt - vor allem für diejenigen, die an einen rationalen Markt glauben. Letztlich ist der Zuspruch an der Börse eher ein Zeichen für den Erfolg der Aktien als das Ergebnis eines Aktiensplits. Unternehmen, die einen solchen Split durchführen, tun dies in der Regel, weil ihre Aktien in letzter Zeit bereits stark gestiegen sind. Und Aktien, die sich positiv entwickeln, steigen meist weiter.
"Ein Aktiensplit an sich sollte weder Wert schaffen noch zerstören", so Christopher Harvey, Head of Equity Strategy bei Wells Fargo. "Die Aktien, die aufgeteilt werden, haben meist eine positive Kursdynamik, das Unternehmen entwickelt sich generell gut, und die Fundamentaldaten verbessern sich. Darauf konzentriert sich die Börse. Ein Aktiensplit ist einfach etwas, das man in so einem Fall macht."
Es handelt sich also eher um eine Wechselwirkung und nicht um die Ursache für eine Rally. Aber die Zahlen sprechen für sich: Seit 1980 haben S & P-500-Unternehmen, die einen Aktiensplit angekündigt haben, den Index in den folgenden zwölf Monaten im Durchschnitt um 16 Prozentpunkte übertroffen. Dies geht aus Analysen von BofA Securities hervor.
Blütezeit in den 90er-Jahren
In den vergangenen Jahren gab es Splits bei Mega-Cap-Technologie-Unternehmen wie Apple, Nvidia und Tesla - alle mit hohen Aktienkursen -, aber auch bei weniger bekannten Firmen wie Sherwin-Williams, Amphenol und McCormick. Laut Dow Jones Market Data haben US-Emittenten in den letzten zehn Jahren etwa 20 Aktiensplits pro Jahr durchgeführt.
Die Blütezeit der Aktiensplits war während der Tech-Blase Ende der 90er-Jahre. Zwischen 1997 und 2000 teilten durchschnittlich 65 US-Unternehmen jedes Jahr ihre Aktien auf. In den Jahren vor der globalen Finanzkrise - nach einer weiteren langen Marktrally - nahmen die Aktiensplits wieder zu.
Berkshire ist die teuerste US-Aktie
Heute liegt der Kurs einer durchschnittlichen S & P-500-Aktie bei etwa 118 Dollar. Etliche Unternehmen werden weit über diesem Wert gehandelt und kämen für einen Aktiensplit infrage. Die teuersten Aktien der USA sind die Klasse-A-Aktien von Berkshire Hathaway, die noch nie gesplittet wurden. Sie werden aktuell für rund 523.000 Dollar gehandelt und wechseln im Durchschnitt nur ein paar Tausend Mal pro Tag den Besitzer. Warren Buffett wird diese Aktien vielleicht nie aufteilen, aber die Anleger haben noch eine andere Möglichkeit: Die Klasse-B-Aktien von Berkshire entsprechen einem 1.500stel einer A-Aktie, der Kurs liegt bei rund 350 Dollar.
Den zweithöchsten Aktienkurs hat der Bauunternehmer NVR mit zuletzt 4.444 Dollar, gefolgt von Amazon und Alphabet. Das Management von Alphabet kündigte am 1. Februar an, dass es im Sommer die Genehmigung der Aktionäre für einen Aktiensplit im Verhältnis 1 : 20 einholen will. Die Alphabet-Aktien stiegen am nächsten Tag um 7,5 Prozent, was auch auf die unerwartet guten Ergebnisse im vierten Quartal zurückzuführen war. Etwa einen Monat später gab Amazon ebenfalls Pläne für einen Aktiensplit im Verhältnis 1 : 20 bekannt, zusammen mit einer Ermächtigung zum Aktienrückkauf im Wert von zehn Milliarden Dollar. Die Amazon-Aktien, die aktuell bei 3.162 Dollar notieren, legten am nächsten Tag um mehr als fünf Prozent zu.
"Der Vorstand geht davon aus, dass die höhere Aktienzahl, die sich aus dem Aktiensplit ergibt, den Preis der Stammaktien in eine Größenordnung zurücksetzen wird, die unseren Mitarbeitern mehr Flexibilität bei der Verwaltung ihrer Amazon-Beteiligung bietet. Außerdem werden die Stammaktien für jeden, der in Amazon investieren möchte, leichter zugänglich", so das Unternehmen.
In der letzten März-Woche teilte Tesla mit, dass es seinen zweiten Aktiensplit in zwei Jahren durchführen werde. Das Verhältnis wurde nicht bekannt gegeben. Gamestop wollte dem nicht nachstehen und gab am 31. März bekannt, dass es ebenfalls die Zustimmung der Aktionäre zu einem solchen Schritt einholen werde. Die Aktien des Videospielehändlers bekamen jedoch keinen dauerhaften Auftrieb. Am Morgen nach der Ankündigung eröffneten sie mit einem Plus von mehr als 13 Prozent, um dann mit weniger als einem Prozent zu schließen. Anfang derselben Woche waren die Aktien innerhalb eines Tages um 25 Prozent gestiegen.
Günstiger für Kleinanleger
Weitere hochpreisige Aktien im S & P 500 sind Booking Holdings mit rund 2.200 Dollar, Autozone mit rund 2.200 Dollar, Chipotle Mexican Grill mit rund 1.600 Dollar und Mettler-Toledo International mit rund 1.300 Dollar.
Die klassischen Argumente für einen Aktiensplit sind, dass die günstigeren Aktien leichter für Kleinanleger oder Arbeitnehmer zugänglich sind, die sich hochpreisige Aktien nur schwer leisten können. Nehmen wir zum Beispiel ein Zwei-Milliarden-Dollar-Unternehmen mit einer Million Aktien im Umlauf und einem Kurs von 2.000 Dollar. Nach einem Aktiensplit im Verhältnis 1 : 10 hat das Unternehmen zehn Millionen Aktien zu je 200 Dollar. Der Marktwert beträgt dann unverändert zwei Milliarden Dollar. Damit würde ein Aktionär für jede Aktie, die er vor dem Split besaß, neun neue Aktien erhalten. Ein Anleger, der nur bereit war, 200 Dollar in das Unternehmen zu investieren, kann nun eine ganze Aktie und noch weitere für je 200 statt 2.000 Dollar kaufen.
Weniger relevant als früher
Die Unternehmen wollen eine breit gefächerte Anlegerschaft aus institutionellen Anlegern und auch Kleinanlegern, die in den letzten Jahren immer mehr Einfluss auf die Börsen und einzelne Aktien genommen haben. Doch auf dem heutigen Markt ist dieses Argument viel weniger relevant als noch vor einigen Jahren. Die meisten Börsenmakler bieten Anlegern die Möglichkeit, Bruchteile oder "Slices" einzelner Aktien zu besitzen. Bei Fidelity können Kunden zum Beispiel Anteile von Tausenden US-Aktien und börsengehandelten Fonds (ETFs) schon ab einem Dollar kaufen.
Robinhood-Nutzer können sogar nur ein Millionstel einer Aktie kaufen. Ein Anleger kann mit wenig Aufwand einen 200-Dollar-Anteil einer 2.000-Dollar-Aktie erwerben - oder auch nur einen Anteil im Wert von zehn oder 54,31 Dollar. Laut einer Sprecherin von Fidelity haben im vergangenen Jahr 2,3 Millionen Kunden Teilaktien gekauft. Außerdem besitzen viele Anleger ETFs. Mit diesen können sie Aktienkörbe zu einem Preis erwerben, der niedriger ist als die Summe der Preise der Wertpapiere in den Indizes.
Früher konnten Aktiensplits ein Nachteil für Anleger sein, die pro Aktie - und nicht pro Handel - Provisionen zahlten. Diesen Nachteil gibt es mittlerweile kaum noch, da die meisten Maklerfirmen heute provisionsfrei handeln.
Optionen werden zu 100 Stück gehandelt, daher können Kontrakte auf eine hochpreisige Aktie teuer sein. In den vergangenen zwei Jahren haben sich immer mehr Kleinanleger an den Optionsmärkten beteiligt, weshalb die Auswirkungen dort möglicherweise größer sind. Aber das ist eher ein Thema für Unternehmen wie Gamestop als für Riesen wie Amazon.
Günstigere Preise für Amazon oder Alphabet könnten sie zu besseren Kandidaten für die Aufnahme in einen preisgewichteten Index wie den Dow Jones Industrial Average machen. Und auch wenn das derzeit noch Spekulation ist, wurde Apple 2015 in den Dow aufgenommen, nur ein Jahr nachdem das Unternehmen einen 1 : 7-Aktiensplit durchgeführt hatte. Apple hat seit seinem Börsengang im Jahr 1980 zu einem Preis von 22 Dollar pro Aktie fünf Aktiensplits durchgeführt. Der um den Split bereinigte Emissionskurs lag bei zehn Cent.
Warum also ein Aktiensplit? Wahrscheinlich geht es dabei mehr um die Darstellung und das Signalisieren von Vertrauen als um die Sache selbst. Das Management erwartet, dass die Aktien nach dem Split weiter steigen, und der Markt liebt bullishe Insider.
Ein Aktienkurs, der sich nach einem 1 : 20-Split an einem Tag um 50 Cent statt um zehn Dollar bewegt, könnte den Anlegern mehr Stabilität signalisieren. Die Ankündigung eines Aktiensplits zieht außerdem die Aufmerksamkeit der Medien und Sell-Side-Analysten auf sich. Und so geht der Split-Zyklus weiter und weiter.
Erwartungen sind der Schlüssel
Es kommt also oft vor, dass eine Aktie nach der Ankündigung eines Aktiensplits kurzzeitig an Wert gewinnt. Das liegt aber an der erwarteten Outperformance und nicht daran, dass ein Split an sich den Wert eines Unternehmens steigert. Jack Ablin, Chief Investment Officer bei Cresset Capital, das ein Vermögen von rund 22 Milliarden Dollar verwaltet, erklärt: "Hier weichen die Lehrbücher von den Auftragsbüchern ab. Die Realität entspricht nicht der Theorie."
Übersetzung: Laura Markus