Hohe Ausgaben sind langjährige Aktionäre von Amazon gewohnt, allerdings meist erst in der zweiten Jahreshälfte, wenn sich der Konzern für das wichtige Weihnachtsgeschäft rüstet. Doch auch in den vergangenen Monaten war das Management bereits spendabel: Profit spielt nur eine untergeordnete Rolle, im Mittelpunkt stehen Wachstumsziele. So auch im zweiten Quartal, als die Ausgaben um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zulegten, die Erlöse um 25 Prozent auf 38 Mrd. Dollar stiegen und der Gewinn um 77 Prozent auf 197 Mio. Euro einbrachen.
Wenig überraschend stand die Ausgabenpolitik im Mittelpunkt der Analystenkonferenz nach der Bilanzvorlage am vergangenen Donnerstag. Amazon war und bleibt eine Glaubensfrage: Sind die hohen Investitionen sinnvoll und steigen irgendwann die Margen und Gewinne? Bisher ist die Wachstumsstrategie von Konzernchef Jeff Bezos meist aufgegangen, die Ausgaben kurbelten häufig auch den Umsatz kräftig an.
Vor zehn Jahren erblickte der hauseigene E-Book-Reader Kindle das Licht der Welt, dafür akzeptierte Bezos mehrere Quartalsverluste in Folge. Mittlerweile werden mehr E-Books als normale Bücher verkauft. Während früher Minuszeichen bei den Quartalsbilanzen dominierten, erzielt Amazon seit neun Vierteljahren in Folge bereits schwarze Zahlen.
Mit Strategie zum Erfolg?
Jetzt steckt der Konzern viel Geld in Technologie und Video-Inhalte und greift mit seinem Streaming-Dienst Prime Video Konkurrent Netflix an. Die Prime-Mitgliedschaft ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Erfolgsstrategie: Gegen Zahlung einer Jahresgebühr entfallen meist die Versandkosten, zudem können Nutzer viele Filme und Serien kostenlos schauen. Mit der engeren Bindung an Amazon steigen die Chancen, dass Kunden auch andere Produkte kaufen. Schätzungen zufolge werden bis Ende des Jahres mehr als 50 Prozent aller US-Haushalte Prime-Kunden sein.
Doch damit nicht genug, auch künftig wird Amazon hohe Ausgaben tätigen. Im dritten Quartal könnte der Verlust sogar bei 400 Mio. Dollar liegen. Die größten Brocken warten erst noch: Amazon plant für 14 Mrd. Dollar die Bio-Marktkette Whole Foods Market zu übernehmen. Bisher scheiterten Konkurrenten wie Wal-Mart, Lebensmittelbestellungen über das Internet den Kunden schmackhaft zu machen und zugleich profitabel zu arbeiten.
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Ein neuer Gigant im Super-Markt
Mit Amazon steigt nun ein Gigant in den Ring, der durch den Lieferdienst "Amazon Fresh" nicht nur über die nötige Infrastruktur verfügt, sondern bereits Erfahrung hat mit Lebensmittelgeschäften ohne Registrierungskassen (Amazon Go). Mit Whole Foods könnte die gesamte Branche aufgemischt werden, die Bio-Marktkette ist schon jetzt eine Perle: Klein, aber sehr profitabel mit einer Brutto-Marge von 34 Prozent, während Wal-Mart nur auf 26 Prozent kommt.
Die Aktienkurse von Konkurrenten wie Target, Kroger und Wal-Mart kamen bereits unter Druck, ähnlich sieht es bei J.C.Penny und Gap aus. Im Bekleidungsbereich stellt Amazons Lieferdienst "Prime Wardrobe" eine Kampfansage an die etablierten Konzerne dar.
Einige Bereiche wie das margenträchtige Cloud-Geschäft Amazon Web Services (AWS) sind schon jetzt bestens positioniert und weisen hohe Wachstumsraten auf. Andere Ideen könnten ebenfalls zünden, Amazon hat viele heiße Eisen im Feuer. Derzeit kann aber kaum abgeschätzt werden, welche Investitionen sich auch wirklich lohnen werden.
Schallmauer durchbrochen
Genau diese Wette wird seit Monaten an der Börse gespielt. Gegenüber dem Jahresauftakt stieg der Kurs um gut 30 Prozent, markierte zuletzt mit 1083 Dollar ein Rekordhoch. Amazon wird an der Börse mit knapp 500 Mrd. Dollar bewertet. Viele Vorschusslorbeeren sind eingepreist, jetzt muss Bezos langsam liefern, das 2018er-KGV liegt bei schwindelerregenden 60. Sogar ein Aufstieg in den Dow Jones scheint möglich, wenn zuvor ein Aktiensplit durchgeführt wird.
Technisch sieht die Lage hingegen unverändert gut aus, selbst an der psychologischen Barriere bei 1000 Dollar kam es nur zu geringen Gewinnmitnahmen. Auch der Abstand zur 200-Tage-Linie (Indikator unter dem Chart) von 20 Prozent liegt auf einem für Amazon normalen Niveau. Ein seit Monaten bestehender Aufwärtskanal gibt derzeit die Grenzen vor: Auf der Oberseite reicht die Luft bis 1100 Dollar, nach unten bis 980 Dollar. Setzen stärkere Gewinnmitnahmen ein, verlaufen Nachkaufzonen bei 840/870 und 680 Dollar.
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Empfehlung der Redaktion
Für langfristige Anleger bietet Amazon viel Wachstumsfantasie. Verbunden damit sind zwischenzeitliche Rückschläge aber jederzeit einzuplanen, gerade in den meist schwierigen Sommer- und Herbstwochen. Kurz- bis mittelfristig dürfte die Aktie ebenfalls eine Pause einlegen. Knock-out-Papier sind daher sehr riskant, besser geeignet erscheint der Inline-Optionsschein mit der WKN SC3528. Bis zur unteren Grenze bei 700 Dollar beträgt der Puffer gut 30 Prozent, nach oben hin ist Platz von 17 Prozent bis 1200 Dollar. Sollten die Grenzen bis Mitte Dezember 2017 nicht berührt werden, steigt der Schein um 20 Prozent (57 Prozent p.a.). Andernfalls kommt es zum Totalverlust.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv.
Basiswert | Amazon |
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Kurs Basiswert | 1026 |
Produkt | Inline-Optionsschein |
WKN | SC3528 |
Emittent | Societe Generale |
Bewertungstag | 15.12.2017 |
Oberes Limit | 1200 |
Unteres Limit | 700 |
Maximalrendite | 20% |
Maximalrendite p.a. | 58% |
Maximale Auszahlung | 10 EUR |