Jeff Bezos, hat einiges richtig gemacht: Im Jahr 1994 den Onlineshop Amazon - damals gab es nur Bücher im Angebot - zu gründen, zählt eindeutig dazu. Das wird vor allem jetzt in der Corona-Krise deutlich. Während sich die USA gerade in der schwersten Rezession seit der Großen Depression der 1930er Jahre befinden, verdoppelte Amazon den Gewinn im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr auf 5,2 Milliarden US-Dollar. Das war der höchste Quartalsgewinn in der Firmengeschichte. Und das obwohl Amazon zwischen März und Juni vier Milliarden Dollar für Corona-Maßnahmen wie Schutzausrüstung, Reinigung und Prämien ausgab. Der Umsatz legte um 40 Prozent auf 88,9 Milliarden Dollar zu. Bezos, reichster Mensch der Welt, sprach von einem "sehr ungewöhnlichen Quartal".

Analysten hatten mit viel weniger gerechnet. Dem Finanzdienstleister Bloomberg zufolge lag die höchste Schätzung für den Gewinn bei nur 4,15 Milliarden - mit den 5,2 Milliarden schlug Bezos das deutlich.

Amazon profitiert von geschlossenen Läden...


Weiterhin Geschäfte machen zu können, während stationäre Händler schließen mussten, bewies sich als großer strategischer Vorteil. Allein der Umsatz auf der Amazon-Online-Plattform schoss um 48 Prozent auf 45,9 Milliarden Dollar nach oben. Durch die Pandemie hatten Einzelhändler rund um die Welt ihre Läden schließen müssen oder konnten Kunden nur beschränkt in die Filialen lassen. Amazon hingegen stellte seit März weltweit 175.000 Mitarbeiter neu ein, um die explodierende Nachfrage bedienen zu können. Knapp 70 Prozent davon sollen dauerhafte Vollzeit-Arbeitsplätze werden. Amazon zählt mittlerweile zu den größten Arbeitgebern in den USA.

Die Quartalzahlen lagen nicht nur über den Erwartungen der Analysten. Selbst Amazons Finanzchef Brian Olsavsky hatte mit so einem rasanten Gewinnwachstum im Online-Handel nicht gerechnet. Im ersten Quartal hatten die Verbraucher vor allem zu Waren mit geringen Gewinnmargen wie etwa Masken, Plastik-Handschuhen oder Lebensmitteln gegriffen: "Diese Mischung ist nicht super-profitabel." Amazon hatte erwartet, dass sich der Trend fortsetzt. Aber das änderte sich im zweiten Quartal, denn die Kunden orderten auch wieder teurere Waren mit höheren Margen - und insgesamt erheblich mehr.

Im dritten Quartal peilt Amazon nun einen Umsatz zwischen 87 und 93 Milliarden Dollar an. Das wäre ein Plus von 24 bis 33 Prozent. Der operative Gewinn soll in der Spanne zwischen zwei und fünf Milliarden Dollar liegen.

... und vom Arbeiten im Home-Office


Nicht nur die gestiegenen Bestellungen in der Pandemie sorgten für klingelnde Kassen in Seattle, wo Amazon seinen Hauptsitz hat. Sondern auch das Arbeiten im Home-Office. Die vermehrte Heimarbeit lässt die Nachfrage steigen. Der Umsatz von Amazon Web Services (AWS), das Cloud-Geschäft mit IT-Services und Speicherplatz im Netz, kletterte um fast 29 Prozent auf über zehn Milliarden Dollar.

Damit flaute das Wachstum allerdings gegenüber dem Vorquartal spürbar ab. Allerdings entspricht das auch dem längerfristigen Trend. Für Amazon ist die Sparte wegen ihrer hohen Gewinnspannen sehr lukrativ, von April bis Juni lag das Betriebsergebnis bei 3,4 Milliarden Dollar.

Tech-Riesen trotzen Pandemie


Auch der Konkurrent Google profitierte vom Trend zum Arbeiten aus dem heimischen Räumen. Wie auch Amazon glänzten die Tech-Riesen Alphabet, Apple und Facebook in der Corona-Krise:

  • Alphabet, die Obergesellschaft des Internet-Riesen Google, übertraf mit ihrem Quartalsumsatz ebenfalls die Erwartungen: Das Unternehmen setzte im zweiten Quartal mit 38,3 (Vorjahr: 38,9) Milliarden Dollar geringfügig weniger um als ein Jahr zuvor, blieb aber klar über dem Durchschnitt der Analystenschätzungen von 37,4 Milliarden. Zwar gewann die Google-Suchmaschine und andere zumeist kostenlose Tools etwa für Konferenzen in der Corona-Krise viele neue Nutzer. Allerdings hielten die Werbeeinnahmen damit nicht Schritt, weil große Kunden wie aus der Reisebranche von der Corona-Krise zum Sparen gezwungen wurden.
  • Auch Apple ließ die Prognosen der Marktbeobachter weit hinter sich. Der Technologiekonzern meldete dank der im Corona-Lockdown gestiegenen Nachfrage nach Kommunikationsgeräten Wachstum in allen Sparten und allen Regionen. Das Unternehmen steigerte den Umsatz im zweiten Quartal um elf Prozent auf 59,7 Milliarden Dollar und lag damit deutlich über dem Durchschnitt der Analystenschätzungen von 52,3 Milliarden. Der Gewinn je Aktie lag bei 2,58 Dollar, verglichen mit einer Schätzung von 2,04 Dollar.
  • Facebook steigerte die Erlöse im zweiten Quartal auf 18,7 Milliarden Dollar von 16,9 Milliarden ein Jahr zuvor - und lag damit ebenfalls hoch über der mittleren Analystenprognose von 17,4 Milliarden Dollar. Trotz eines Boykotts einiger großer Markenartikelhersteller wegen des Umgangs des Konzerns mit Hass-Mitteilungen sprangen die Werbeeinnahmen im Quartal um zehn Prozent auf 18,4 Milliarden in die Höhe.

Einschätzung der Redaktion


Die Quartalszahlen von Amazon kamen am Markt gut an. Die Aktie legte am Freitag mehr als sechs Prozent zu. Auf Jahressicht summiert sich das Kursplus auf rund 65 Prozent. Damit ist der Online-Riese am Finanzmarkt einer der größten Gewinner.

Angesichts der Einstellungsoffensive und den hohen Investitionen, um den Kundenansturm in der Corona-Krise zu bewältigen, wuchsen zwar die Kosten von Amazon. Allerdings hatte Bezos das bereits angekündigt. Vor drei Monaten warnte er die Investoren: "Wenn Sie Amazon-Aktien besitzen, sollten Sie sich jetzt lieber hinsetzen, denn wir denken nicht klein".

Ein Risiko für die Aktie ist indes drohende stärkere Regulierung. Bei der Anhörung im US-Repräsentantenhaus vom Vortag warfen Abgeordnete den Tech-Konzern-Chefs Bezos, Mark Zuckerberg (Facebook), Sundar Pichai (Alphabet) und Tim Cook (Apple) den Missbrauch von Marktdominanz vor. Im Kongress ist über Parteigrenzen hinweg eine wachsende Skepsis über ihre Geschäftspolitik zu erkennen. Ob sich die Angeordneten allerdings auf eine Regulierung einigen können, ist ungewiss.

Die Amazon-Aktie bleibt weiter aussichtsreich. Das Einkaufen im Internet und die Nachfrage nach IT-Diensten dürfte auch in Zukunft eine große Rolle im Alltag der Menschen - weltweit - spielen. Mit seinem krisensicheren Geschäftsmodell zeigt Bezos: So lässt sich in Zeiten der Pandemie Geld verdienen.

Wir bleiben bei unserer Kaufempfehlung.



Mit Material von Reuters und dpa