Es seien, sagt der ehemalige US-Hedgefondsmanager Whitney Tilson, nicht mehr oder weniger als "die besten Geschäftsmodelle der Welt". Gemeint sind die sogenannten FANG-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix, Google). Ein Viererpack, der grenzenloses Wachstum verheißt und an der Börse so ziemlich alle Indizes alt aussehen lässt. Politiker scheinen sich die Zähne auszubeißen.

Facebook steht unter Dauerfeuer, US-Präsident Donald Trump stänkert immer mal wieder gegen Amazon. Weltweit wächst die Sorge um die Datensicherheit und wegen einer möglichen Übermacht der Technologieriesen. Da im Internet das Prinzip "The winner takes it all" gilt, sind Monopolstrukturen quasi programmiert. Immer öfter wird bei Verbraucherschützern und Wettbewerbshütern der Ruf nach einer Zerschlagung der mächtigsten Konzerne laut.

Trotzdem setzen die Aktien aus dem FANG-Index ihre Rekordfahrt unbeirrt fort. Der Kurseinbruch vom März, als der Datenskandal bei Facebook aufflog, ist längst ausgebügelt. Alle vier haben in der Zwischenzeit neue Allzeithochs erreicht. Ob zu Recht, wird sich im Juli zeigen. Dann präsentieren die "Big Four" des Internets die Ergebnisse des zweiten Quartals.

Schicksalstag 25. Juli



Vor allem der 25. Juli hat’s in sich, wenn Facebook und der Google-Mutterkonzern Alphabet ihre Zahlen vorlegen. Denn damit wird deutlich, ob der Datenskandal in nennenswertem Umfang Nutzer, Wachstum und Geld gekostet hat. Besonders bei Facebook ist die Sorge groß, seit die Weitergabe von Millionen Nutzerdaten an die (mittlerweile insolvente) Agentur Cambridge Analytica bekannt wurde.

Weltweit verlangen Parlamente und Regierungen Erklärungen. Facebook-Chef Mark Zuckerberg musste sowohl in den USA als auch in Europa zum Rapport. Der Skandal kam erst Ende des ersten Quartals ins Rollen, ist also in den bislang veröffentlichten Zahlen noch nicht enthalten.

Der Facebook-Skandal könnte auch für Alphabet Folgen haben. Denn die Suchmaschinentüftler im Silicon Valley haben ein Geheimnis, das sie nicht lüften wollen: die Algorithmen, nach denen die Suche funktioniert und wie die Trefferreihenfolge zustande kommt. Niemand weiß genau, welche Daten die Tochter Google wie sammelt und auswertet, um den Algorithmus zu optimieren. Die Geheimniskrämerei könnte zum Bumerang werden. Zumindest wenn die Politik die Regulierung und den Datenschutz höher hängt als die Wahrung des Google-Geschäftsgeheimnisses. Zudem hat Alphabet Stress wegen der Steuer. Gerade hat Brüssel Vorschläge für eine Digitalsteuer vorgelegt, um die Praxis der Steueroptimierung seitens der US-Technologiekonzerne einzudämmen.

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Zwei günstige, zwei teure



Ob es am 25. Juli zu bösen Überraschungen kommt oder nicht - mit einem übermäßig starken Kurseinbruch ist kaum zu rechnen. Denn der FANG-Index ist zweigeteilt. Mit Alphabet und Facebook sind zwei der Aktien relativ günstig, während Amazon und Netflix sehr ambitionierte Bewertungen aufweisen. Legt man die Schätzungen fürs laufende Jahr zugrunde, bringen es Amazon und Netflix auf horrende Kurs-Gewinn-Verhälnisse (KGVs). Alphabet und Facebook hingegen werden mit dem 26-fachen Jahresgewinn bezahlt. Auf Basis der 2020er-Schätzungen sinken die KGVs der beiden Billigheimer des FANG-Index auf Werte um 20, was nur leicht über dem US-Marktdurchschnitt liegt (etwa 16).

Bei den beiden teureren FANG-Aktien hingegen sind Auswirkungen des Datenskandals nicht zu erwarten. Gleichwohl ist auch hier Gefahr im Verzug: Amazon steht wegen seiner Dumpingpolitik am Pranger - nicht nur wegen der Billiglöhne in Deutschland, sondern auch in den USA, wo der Lieferdienst laut Trump die Post knebelt. Und das Wachstumstempo, das der weltgrößte Onlinehändler zuletzt vorlegte, kostet Ertrag. So legte der Konzernumsatz 2017 zwar um mehr als 30 Prozent auf 145 Milliarden Euro zu. Doch die Kosten erhöhten sich nicht minder, weshalb das Betriebsergebnis sogar rückläufig war. Nur dank steuerlicher Effekte konnte Amazon unter dem Strich ein Gewinnwachstum ausweisen.Da die Zahlen zuletzt stets über den Erwartungen lagen, ist nach dem Gesetz der Serie jedoch davon auszugehen, dass Amazon mit dem Quartalsbericht am 26. Juli nicht enttäuschen wird.

Netflix wiederum profitiert von der Zusammenarbeit mit Amazon im schnell wachsenden Internet-TV-Geschäft. Das Unternehmen hat sich längst vom Streamingdienst zum Film- und Serienproduzenten entwickelt, muss also in Vorleistung gehen, um weiterhin Wachstum ernten zu können. Das schmälert die Marge, dient andererseits aber auch der Kundenbindung. Wie bei Amazon liegt das 2019er-KGV von Netflix bei 74,9. Hier könnten bei den Quartalszahlen (voraussichtlich am 16. Juli) angesichts der happigen Bewertung schon leichte Enttäuschungen zu herben Rückschlägen führen.

Wie die Redaktion die vier FANG-Aktien im Einzelnen einschätzt, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Auf Seite 3: Einschätzung der Redaktion





Alphabet-Aktie: Google bleibt die Cashcow



Das G im Akronym FANG ist seit einiger Zeit eigentlich ein A. Doch auch wenn sich der Konzern jetzt Alphabet nennt, bleibt die Suchmaschine Google die Cash-cow. Mit dem Bezahldienst Google Pay, der jetzt auch in Deutschland startet, will die profitabelste Tochter diesen Status zementieren. Die anderen Alphabet-Geschäftsbereiche kommen vergleichsweise langsam auf Touren. Für viele Politiker ist das Unternehmen ein rotes Tuch.

Ihre Kritikpunkte: wenig Transparenz, wie Daten gesammelt und verarbeitet werden, wie die Reihenfolge der Trefferlisten zustande kommt - und die Steuervermeidungspolitik des Managements. Bislang steckt der Internetgigant alle Attacken gut weg. Eine Wettbewerbsstrafe der EU in Höhe von 2,4 Milliarden Euro konnte Alphabet im zweiten Quartal 2017 komplett bezahlen und trotzdem noch 3,5 Milliarden Dollar Gewinn ausweisen. Angesichts von Googles Marktposition als weltweite Nummer 1 ist die Bewertung moderat.



Amazon-Aktie: Bequemlichkeit als Wachstumstreiber



Streiks und Proteste gegen die Arbeitsbedingungen, Verödung der Innenstädte, weil der Trend zum Onlineshopping zulasten des stationären Einzelhandels geht, - Kritikpunkte gibt es viele. Jedoch macht Amazon das Leben einfacher. Deshalb wächst das Unternehmen ungebrochen weiter. Auch Berichte über ungewollt aufgezeichnete Telefongespräche können den Boom des intelligenten Lautsprechers Amazon Echo Dot und der zugehörigen App Alexa nicht stoppen.

Bei den Zahlen fürs erste Quartal aber überraschte vor allem das Cloud-Geschäft - hier vermietet Amazon Software und Speicherkapazitäten an andere Unternehmen, die ihre Produkte übers Internet verkaufen wollen. Diese Sparte trug mit einem operativen Ergebnis von 1,4 Milliarden US-Dollar mehr als 70 Prozent zum Konzerngewinn bei. Die Erwartungen sind hoch, die Bewertung auch - trotzdem ist die Amazon- Aktie längst nicht ausgereizt. Kurseinbrüche sind Einstiegsgelegenheiten.







Facebook-Aktie: Gemischte Gefühle



Besonders mulmig dürfte den Aktionären des Social-Media-Giganten Facebook im Vorfeld der Zahlen am 25. Juli zumute sein. Bleibt es beim Reputationsschaden oder zeigen sich die Folgen des Datenskandals doch in den Zahlen? Auszuschließen ist das nicht. "Abschalten", forderten viele Politiker, erste Konzerne ziehen Konsequenzen. Continental etwa verbot rund 36 000 Mitarbeitern die Nutzung der Facebook-Tochter Whatsapp auf Diensthandys.

Angesichts des angeschlagenen Rufs dürfte es schwierig werden, künftig - wie noch im ersten Quartal 2018 - die Preise für Werbung zu erhöhen. Hinzu kommt, dass die junge Generation in den reiferen Märkten nicht mehr unbedingt affin zur Hauptplattform Facebook ist, sondern sich eher bei den Töchtern Instagram und Whatsapp tummelt (oder gar beim Konkurrenten Snapchat), wo allerdings weniger oder gar keine Werbung läuft. Wachstum kam schon vor dem Skandal fast nur noch aus Schwellenmärkten.







Netflix-Aktie: Die Konkurrenz schläft nicht



Mit rasantem Wachstum begeisterte der Streamingdienst und Serienproduzent Netflix im April die Aktionäre. Allein 7,4  Millionen Neukunden gewann das Unternehmen im ersten Quartal. Mittlerweile nutzen 130 Millionen Menschen die Online-Videoplattform. Jeder Einzelne wird an der Börse mit mehr als 1000 Euro bezahlt. Das entspricht den Abokosten von zehn Jahren, wobei niemand weiß, wie Netflix anno 2028 dastehen wird.

Die Kooperation mit Amazon Prime läuft zwar prächtig, doch die TV-Konzerne Discovery und ProSiebenSat. 1 schmieden bereits eine Allianz gegen die Übermacht. Im -ersten Halbjahr 2019 soll das Konkurrenzangebot an den Start gehen (siehe auch Seite 28). Auch RTL will angreifen. Weitere Wettbewerber dürften nachziehen, denn offensichtlich ist in dem Markt viel zu verdienen. Reüssiert die Konkurrenz, dürfte Netflix stärker leiden als Amazon, denn der Onlinehändler ist wesentlich breiter aufgestellt.