Für Amgen ist es ein psychologischer Befreiungsschlag. Das Bezirksgericht im US-Bundesstaat New Jersey hat zwei Schlüsselpatente des Rheuma- und Schuppenflechtemittels Enbrel für gültig erklärt. Damit hat sich der 1980 gegründete Biotechpionier bis 2029 die Patentexklusivität für sein umsatzstärkstes Medikament gesichert. Eine klare Niederlage für die verklagte Novartis-Tochter Sandoz, deren Biosimilar Erelzi im August die US-Zulassung erhalten hatte. Novartis will zwar das Urteil anfechten, es gilt allerdings mittlerweile als kaum wahrscheinlich, dass das Imitat der biologischen Struktur von Enbrel auf den Markt kommt.
Dass die Amgen-Aktie nach Bekanntgabe des Urteils um 15 Prozent nach oben schoss, verdeutlicht die Bedeutung von Enbrel für das weltweit größte Biotechunternehmen. 4,6 Milliarden US-Dollar und damit mehr als ein Fünftel der Gesamterlöse spielte das seit 1998 zugelassene Antikörpermedikament in Nordamerika ein. Der Anteil am operativen Gewinn liegt bei bis zu 30 Prozent. Auch wenn eine weitere Patentklage gegen ein im April in den USA zugelassenes Biosimilar von Samsung Bioepis noch am Laufen ist, wird Enbrel auch in den nächsten Jahren ein Schlüsselprodukt bleiben.
Produktzulassungen beflügeln
Noch wichtiger für die Zukunft von Amgen sind jedoch neue Milliardenprodukte, mit denen sich das weltweit größte Biotechunternehmen gegen das seit 2012 abflachende Umsatzwachstum stemmt. Von den "Amgen-Klassikern" spüren Epogen und Aranesp gegen Blutarmut den Preisdruck, seit Kurzem auch Neulasta. Dieses Präparat fördert die Bildung von Immunzellen bei Patienten, die sich einer Chemotherapie unterzogen haben. Stark schnitten zuletzt die Osteoporose-Arzneien Prolia und Xgeva mit zweistelligen Wachstumsraten ab. Das größte Wachstumspotenzial stellen jedoch die Krebspräparate, deren Umsatzanteil 2018 auf 38 Prozent kletterte.
In der Entwicklungspipeline setzen die Investoren vor allem auf den Hoffnungsträger mit dem Projektnamen AMG 510. Dieses Präparat entfaltet seine Wirkung über einen neuen Mechanismus. Blockiert wird dabei das sogenannte KRAS-Protein, das bei Genmutation ein unkontrolliertes Wachstum von Krebszellen auslöst. In einer Studie mit Lungenkrebspatienten, bei denen zwei andere Therapien nicht mehr anschlugen, führte AMG 510 zu einem Schrumpfen der Tumore.
Noch in diesem Jahr will Amgen mit einer zulassungsrelevanten Studie beginnen. Der Charme des Wirkmechanismus liegt darin, dass er unabhängig von der Tumorart das KRAS-Gen ausbremst, etwa bei Dickdarmkrebs. Als Pionier in diesem Therapieansatz könnte AMG 510 schnell jährliche Milliardenumsätze einspielen. Darüber hinaus stehen drei eigene Biosimilars vor der Zulassung, darunter ein Nachahmer für Rituxan von Roche, eines der meistverkauften Krebsmittel überhaupt. In der Aktienbewertung sind diese Perspektiven noch nicht eingepreist. Dazu wird Amgen die anhaltend hohen Mittelzuflüsse für weitere Zukäufe und noch höhere Dividendenausschüttungen verwenden. Kursrücksetzer bieten gute Einstiegschancen.