Noch Ende Dezember hatten etliche Investmenthäuser europäischen Aktien ein starkes Jahr 2016 prophezeit. Goldman Sachs traute dem Stoxx Europe 600 ein Plus von zehn Prozent zu, die Deutsche Bank erwartete bis Ende 2016 einen Anstieg von über zwölf Prozent. Die optimistischste Prognose gab Société Générale ab. Die französische Bank stellte für europäische Aktien ein Kurspotenzial von über 16 Prozent in Aussicht und riet Investoren, die Anlageregion gegenüber den USA und insbesondere den Schwellenländern in den Depots höher zu gewichten.
Nach den ersten Handelswochen des neuen Jahres ist die gute Stimmung bei Privatanlegern jedoch zunächst einmal verflogen. Bis auf den ungarischen und den slowakischen Leitindex notieren alle europäischen Börsenbarometer tief im Minus. Nicht nur die Sorge, die Konjunkturschwäche in China und in vielen anderen Schwellenländern könne sich negativ auf das Wachstum in den Industriestaaten auswirken, dämpft derzeit die Kaufbereitschaft der Anleger. Auch die schlechten Nachrichten rund um Europas Autobauer lassen Investoren derzeit vorsichtig agieren. Dennoch müssen die Investmentbanken mit ihren Vorhersagen nicht danebenliegen. Ihre Treffsicherheit hat sich durch die jüngsten Entwicklungen möglicherweise noch erhöht. So könnte die Europäische Zentralbank (EZB) als Reaktion auf den niedrigen Ölpreis ihren geldpolitischen Kurs zur Abwehr von Deflationsgefahren und der Stimulierung der Wirtschaft für die Eurozone noch einmal intensivieren. "Die EZB hat ihre Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft", sagt Didier Borowski. Außerdem werde nach Ansicht des Chefstrategen der französischen Gesellschaft Amundi das Exportwachstum europäischer Unternehmen durch den niedrigen Euro-Kurs begünstigt. Auch in die europäische Binnenwirtschaft komme Bewegung: "Die Eurozone befindet sich in einem noch sehr frühen Stadium eines Konjunkturaufschwungs", sagt Borowski. Die guten volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sprechen dafür, europäische Aktien zu halten beziehungsweise den Kursrutsch sukzessive zum Nachkaufen zu nutzen.
Der von Amundi aufgelegte Stoxx Europe 600 ETF bildet die Wertentwicklung von 600 Unternehmen aus 18 europäischen Ländern ab. Zu den Top-Positionen des ETFs zählen Nestlé, Novartis und Roche. Die Pharmabranche, die wegen ihrer großen Preismacht als defensiv eingestuft und in konjunkturell schwierigen Zeiten gesucht wird, ist im Index mit rund 14 Prozent gewichtet. Der Anteil des Konsumsektors beträgt etwa 26 Prozent. Unternehmen wie Nestlé, Unilever oder British Tobacco sollten im Laufe des Jahres von stabilen beziehungsweise steigenden Verbraucherausgaben profitieren. Im ETF finden sich aber auch Öl- und Gaswerte. Die Branche ist aber lediglich mit 5,4 Prozent gewichtet.
Ob man sofort einsteigen sollte oder lieber doch noch etwas abwartet, ist schwer einzuschätzen. Allerdings sind europäische Aktien günstig und daher sollte sich ein Einstieg mittelfristig auszahlen.