Die Geduld der Dividendenjäger wird in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt: Aufgrund der Pandemie haben die meisten deutschen Unternehmen ihre Hauptversammlung und damit auch die Auszahlung der Dividende verschoben. Bei Volkswagen müssen die Anteilseigner sogar bis zum 5. Oktober warten. Eigentlich hätte das Geld schon im Frühjahr auf dem Konto sein sollen. Sehr spät dran sind auch die Deutsche Post, Fresenius und FMC. Dort ging die Überweisung erst Anfang September bei den Aktionären ein.
Gravierender als die extreme Verzögerung dürfte ein anderer Punkt sein: Ungewöhnlich viele Unternehmen haben ihre Ausschüttung in diesem Jahr gekürzt. Inklusive der Lufthansa, die im Juni ihren Platz im DAX an Deutsche Wohnen verlor, gibt es bei zehn Mitgliedern des Deutschen Aktienindex weniger Geld als im Vorjahr. Damit hat jedes dritte Unternehmen gekürzt.
Die Gesamtdividende des DAX schrumpft nach Berechnung von €uro am Sonntag um knapp zehn Prozent auf 33,9 Milliarden Euro. Damit würden sich Deutschlands Topkonzerne im globalen Vergleich gut halten. Weltweit werden die Ausschüttungen laut Vermögensverwalter Janus Henderson um bis zu 23 Prozent zurückgehen.
Die Zeit der schlechten Nachrichten ist allerdings noch nicht vorüber: Die Geschäftsentwicklung des laufenden Jahres ist die Basis für die 2021 fällige Dividende. Selbst wenn sich die Virus-Krise zuletzt entspannt hat, werden etliche Konzerne den Gürtel noch mal enger schnallen. Auf Basis der Analystenschätzungen droht im nächsten Jahr bei vier DAX-Mitgliedern eine Dividendenkürzung. Die Gesamtsumme im DAX dürfte um weitere sechs Prozent auf knapp 32 Milliarden Euro sinken.
Die großen Verlierer
Vor allem die Autoindustrie ist in Bedrängnis. Zwar sind die PS-Riesen aus Deutschland zuversichtlich, im Corona- Jahr 2020 rote Zahlen abwenden zu können. Der Manövrierspielraum ist dennoch gering. Beispiel Daimler: Zum Halbjahr hat der Konzern einen Verlust von 1,7 Milliarden Euro eingefahren. Die zweite Jahreshälfte wird besser ausfallen, Analysten sehen am Ende aber nur eine kleine schwarze Zahl. Das würde bei einer vom Konzern angestrebten Ausschüttungsquote von 40 Prozent nur für eine Minidividende reichen. Mindestens zwei Analysehäuser kalkulieren sogar mit einer Nullrunde. Auch bei BMW, Continental und VW erwarten zumindest einige Profis eine erneute Kürzung.
Die hartnäckigen Sorgen der Autoindustrie spiegeln sich in der Gesamtbilanz des Deutschen Aktienindex wider: Nach Berechnung der Commerzbank waren die Autokonzerne für das Geschäftsjahr 2017 noch für ein Viertel der gesamten DAX-Dividenden verantwortlich. Jetzt schrumpft der Anteil auf neun Prozent.
Die neuen Lieferhelden im DAX sind die Versicherungskonzerne. In der Assekuranz halten sich die Corona-Schäden in Grenzen. Allianz und Munich Re werden nach aktuellem Stand genug Geld erwirtschaften, um die Ausschüttung zumindest auf Vorjahresniveau zu halten. Die beiden liefern nach Einschätzung der Commerzbank rund ein Sechstel der gesamten DAX-Dividende und sind damit die wichtigste Branche für Dividendensammler.
Allerdings gibt es ein ungewöhnliches Risiko: Die Europäische Versicherungsaufsicht hat in diesem Jahr einen Dividendenverzicht gefordert. Allianz und Munich Re sind darauf nicht eingegangen, haben aber ihre Aktienrückkaufprogramme gestoppt - aufgrund der "starken Empfehlung der Regulierer".
Turbulente Zeiten sind für die Dividendenpolitik der Unternehmen ein echter Härtetest: Durchgefallen ist unter anderem Adidas. Der Sportartikelkonzern hat im vergangenen Jahr fast zwei Milliarden Euro verdient und dennoch seinen Dividendenvorschlag im Frühjahr einkassiert. Auch andere Unternehmen haben ihren Vorschlag nachträglich nach unten korrigiert, selbst die Deutsche Post, die ihren operativen Gewinn in dem von der Corona- Krise gezeichneten zweiten Quartal um knapp 19 Prozent steigern konnte.
Die Unerschütterlichen
Mehr Stehvermögen zeigte BASF: Der Chemiekonzern leidet als Zykliker stark unter der Krise, erhöhte in diesem Jahr aber dennoch seine Ausschüttung. Die Ludwigshafener gehören damit zu einem besonderen Kreis: Lediglich vier DAX-Konzerne haben über die vergangenen zehn Jahre ihre Dividende je Aktie durchgehend angehoben. Neben BASF sind das SAP, Fresenius und FMC. Der Immobilienkonzern Vonovia ist erst seit 2013 an der Börse, hat seitdem aber ebenfalls durchgehend aufgestockt.
Einige DAX-Konzerne haben bereits konkrete Aussagen für die im kommenden Jahr anstehende Zahlung gemacht. Bei der Deutschen Telekom soll es mindestens 60 Cent je Aktie geben. Der Energiekonzern RWE hat 85 Cent in Aussicht gestellt. Und der Konkurrent Eon will die Dividende bis zur Ausschüttung für das Geschäftsjahr 2022 jährlich um bis zu fünf Prozent steigern.
Trotz einiger attraktiver Dividendenwerte wird die Jagd nach Rendite für Investoren immer schwieriger. Bei steigenden Aktienkursen und einer im DAX wohl erneut sinkenden Ausschüttungssumme schrumpft die Dividendenrendite: Der Index kommt auf Basis der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Ausschüttungen gegenwärtig auf 2,8 Prozent. Das liegt mehr als einen halben Prozentpunkt unter dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre.
Gemessen an den Alternativen ist die Dividendenrendite des DAX dennoch in einer attraktiven Dimension. Denn Anleihen solider europäischer Unternehmen werfen weniger als ein Prozent ab. Und die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe liegt seit Längerem sogar im negativen Bereich.
INVESTOR-INFO
Allianz
Hohe Rendite
Die offensive Dividendenpolitik der Allianz wird durch die Corona-Krise erstmals auf die Probe gestellt. Im ersten Halbjahr schrumpfte der operative Gewinn um 21 Prozent. Für den Rest des Jahres erwartet der Vorstand stabile Geschäftsergebnisse. Die Mehrheit der Analysten geht davon aus, dass es 2021 als Dividende erneut 9,60 Euro je Aktie gibt. Die Solvency-II-Kapitalquote lag zur Jahresmitte bei 187 Prozent und damit im grünen Bereich. Die Aktie bleibt als Dividendenwert attraktiv.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 220,00 Euro
Stoppkurs: 130,00 Euro
Deutsche Post
Vorsichtig kalkuliert
Trotz guter Geschäftsergebnisse gab es auf der Hauptversammlung der Post auch Kritik: "Wir fordern für die Zukunft eine deutliche Dividendenerhöhung", so die Fondsgesellschaft Union Investment. Es stehe genügend Cash zur Verfügung. Fürs vergangene Jahr gab es eine stabile Dividende von 1,15 Euro je Aktie. Analysten erwarten für 2021 einen leichten Aufschlag auf 1,20 Euro. Damit liegt die Dividendenrendite leicht über DAX-Niveau.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 45,00 Euro
Stoppkurs: 28,00 Euro
Deutsche Telekom
Gut abgesichert
Die Fusion mit dem amerikanischen Mobilfunkkonzern Sprint hat Umsatz und Gewinn der Rheinländer kräftig gesteigert. Die Pandemie hinterlässt nur geringe Schäden, vor allem im Großkundengeschäft und beim Mobilfunk-Roaming. Analysten erwarten für das laufende und kommende Jahr jeweils 60 Cent je Aktie als Dividende. Damit kommt die T-Aktie auf eine Dividendenrendite deutlich über dem DAX-Durchschnitt.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 18,00 Euro
Stoppkurs: 12,50 Euro