Was vielen Branchen in China in Sachen Regulierung noch bevorsteht, hat ein kaum beachteter, aber für die Infrastruktur unverzichtbarer Sektor schon größtenteils hinter sich: die Zementindustrie. Zementproduzenten arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung staatlicher Vorgaben und Umweltauflagen und sind im Regulierungszyklus bereits weit fortgeschritten.

Die Karten liegen mehr oder weniger auf dem Tisch. Dass dies schon vom Markt gebührlich eingepreist wurde, lässt sich an den zwischenzeitlich zusammengebrochenen Aktienkursen der wichtigsten Zementproduzenten Chinas ablesen. Mittlerweile haben sie jedoch einen Boden gefunden und sich von den Tiefs gelöst.

Auch in der Zementbranche handelt es sich bei den Regierungsvorgaben um keine Kleinigkeiten. Die Verbesserung der Luftqualität und die Reduktion von CO2 nehmen bei der Kommunistischen Partei einen hohen Stellenwert ein, deshalb greift der Staat mit harter Hand durch. Das kann von Vorgaben hinsichtlich des bei der Zementproduktion maximal zulässigen CO2-Ausstoßes bis zu erzwungenen zeitlich und regional begrenzten Produktionsstopps reichen, wenn in der betreffenden Region gerade die Luftqualität besonders schlecht ist.

Allerdings hat die Regulierung auch eine positive Seite - zumindest für manche. So überschwemmten im Zement-Eldorado des vergangenen Jahrzehnts viele, oft auch illegal operierende Kleinunternehmen den Markt. Gegen diesen Wildwuchs ist die Regierung in den vergangenen Jahren unter anderem mit scharfen Kontrollen vorgegangen. Zudem ist es inzwischen schwierig, an die erforderlichen Genehmigungen für den Bau oder Ausbau von Zementwerken zu kommen - zumindest für privat geführte Unternehmen.

Den staatsnahen Big Playern der Branche kommt das zugute. Letztlich konnte dadurch auch der Zementpreis stabilisiert werden - und weniger systemrelevante Konkurrenten können mit den Großen der Branche angesichts hoher Umweltauflagen und kleinerer Strukturen preislich kaum noch mithalten.

Für Verunsicherung sorgt indes der Fall China Evergrande Group. Der Immobilienmarkt und damit ein für die Zementindustrie wichtiger Abnehmer wird davon nicht unberührt bleiben. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die Abkühlung des Immobilienmarkts bereits vorher in den Bewertungen und Aktienkursen der Unternehmen enthalten war. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die Zentralregierung die Exzesse im Immobilienbereich bereits seit einiger Zeit im Blick hat. Und: Selbst wenn der Immobilienmarkt schwächeln sollte, laufen die Investitionen in Chinas Infrastruktur ungebremst weiter - von Straßen, Brücken, Bahntrassen über Flughäfen bis hin zu neuen Atommeilern. Bei jedem Projekt wird Zement benötigt.

Antizyklische Kaufchance

Dass bereits viel Negatives in den Kursen enthalten zu sein scheint, zeigt auch die niedrige Bewertung der drei Konzerne, die die Redaktion näher unter die Lupe genommen hat. China Resources Cement als kleinstes der drei Unternehmen, kommt für das nächste Geschäftsjahr auf ein erwartetes KGV von 6,4, Anhui Conch, gemessen am Umsatz die Nummer 2 der Branche, sogar nur auf 6,0. Noch günstiger ist die Aktie von China National Building Material (CNBM). Der Marktführer im Reich der Mitte (und nebenbei auch der weltgrößte Zementproduzent) kommt auf ein 2022er-KGV von 4,6.

Das deutet selbst unter Einbeziehung des Evergrande-Risikos auf eine Unterbewertung hin, auch wenn chinesische Aktien per se mit einem Abschlag zu ihren europäischen und US-amerikanischen Pendants gehandelt werden. Zudem sind alle drei Unternehmen wahre Dividendenmonster. So rechnen Analysten für das Jahr 2022 bei China Resources Cement und Anhui Conch mit Dividendenrenditen zwischen fünf und sieben Prozent. Und auch hier sticht CNBM als Nummer 1 mit einer erwarteten Dividendenrendite von über zehn Prozent positiv hervor.

Der Blick auf die Bilanzen

Allerdings ist CNBM auch höher verschuldet und verfügt mit einer Eigenkapitalquote von 19 Prozent über ein wesentlich kleineres Polster als Anhui Conch. Die Nummer 2 der Branche sitzt auf einem Eigenkapitalpolster von über 80 Prozent. Der Konzern ist darüber hinaus auch netto schuldenfrei. Die Hauptproduktionsstätten liegen geografisch günstig direkt am Jangtse-Fluss. So lassen sich Zement und Beton kostengünstig zu den am Flussdelta liegenden Metropolregionen Ostchinas, etwa Shanghai oder Nanjing, verschiffen. Das sorgt auch für eine bessere Profitabilität im Vergleich zu CNBM.

Auch der kleinste Wert im Bunde, China Resources Cement, steht bilanziell gut da. Die im Zuge der Finanzkrise auf 38 Prozent erodierte Eigenkapitalquote konnte sich auf inzwischen 72 Prozent deutlich erholen. Der Schuldenstand ließe sich bereits innerhalb eines mittelmäßig laufenden Geschäftsjahres auf null drücken, auch dank der relativ auskömmlichen Margen. Der ausufernde Immobilienboom der zurückliegenden 20 Jahre dürfte seinen Zenit zwar überschritten haben, nichtsdestotrotz handelt es sich bei dem Trio um Value-Titel im klassischen Stil.

Da alle drei Aktien in Hongkong notiert sind, besteht hier auch nicht die Gefahr wie bei einigen chinesischen Hightech-Werten, dass sie in Deutschland nach einem möglichen US-Zwangsdelisting eingeschränkt oder gar nicht mehr handelbar sein könnten. Wer die Möglichkeit dazu hat, sollte am besten auch in Hongkong ordern, wo der Handel am liquidesten ist.

 


Auf einen Blick

Zementindustrie