Fondsxpress: Frau Laud, Anfang 2019 rieten Sie Anlegern, vorsichtiger zu investieren. Mit Aktien konnten Anleger 2019 -jedoch oft über 20 Prozent Rendite erzielen. Wieso lagen Sie falsch?
Sonja Laud: Der entscheidende Einfluss auf die globalen Aktienmärkte kam von der Trendumkehr der US-Notenbank und anderer Notenbanken. Anfang Januar 2019 sah unsere Prognose ein stabiles Zinsumfeld vor und keine deutlichen Senkungen.
Welche Folgen hatten die niedrigeren Leitzinsen?
Sie haben bei Aktien zu einer massiven Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) geführt und weitaus mehr zur Kursentwicklung beigetragen als die Entwicklung der Unternehmensgewinne.
Was erwarten sie 2020 von den Notenbanken?
Die US-Notenbank hat sehr deutlich gemacht, dass sie derzeit abwartet, wie die Wirtschaftsdaten sich ändern. Das gilt auch für die EZB. Insofern dürfte 2020 nicht nochmals so hohe Kursgewinne bringen wie 2019, da die Gewinnerwartungen weiterhin mäßig sind. Es gibt allerdings auch keinen Gegenwind von den Notenbanken.
Inwiefern können die Fed und EZB ihre expansive Geldpolitik wieder beenden?
Das wird das große Thema der nächsten Jahre sein. Ob und wie gelingt ihnen eine Normalisierung der Zinspolitik? Können sie sich aus dieser Lage herausnavigieren oder haben sie sich selbst in die Ecke gedrängt? Und was bedeutet das für die Aktien- und Anleihemärkte, die von den fallenden Zinsen so stark profitiert haben? Dieser Kurstreiber dürfte nun wegfallen.
Was könnten die Federal Reserve und EZB eigentlich noch tun, falls es wieder zu einer Rezession käme?
Sie könnten Aktien kaufen wie die Notenbanken in Japan oder der Schweiz. Oder sie könnten ihr Anleiheportfolio nochmals ausweiten. Der marginale Grenznutzen daraus dürfte aber sinken. Jeder Euro oder Dollar, den sie einsetzen, erzielt eine immer geringere Wirkung.
Könnten die Staaten hier mit einer höheren Verschuldung einspringen?
Ja, eine expansivere Fiskalpolitik könnte zu einem neuen Treiber für Wirtschaft und die Kapitalmärkte werden. Der Ruf danach wird lauter und der sogenannte Green New Deal der EU könnte dies voranbringen.
Welche Anlageklassen würden gewinnen, falls die Staaten sich höher verschulden?
Aktien sollten davon profitieren, weil die Unternehmen ihre Umsätze und Gewinne steigern könnten. Anleihen könnten dagegen unter steigenden Zinsen oder einer schlechteren Bonität leiden.
Sind Aktien nach dem langen Bullenmarkt nicht schon zu teuer?
Ja und nein. Ja, wenn man Aktien allein betrachtet. Denn die KGVs haben sich in den vergangenen Jahren teils deutlich ausgeweitet, weil die Aktienkurse stärker als die -Unternehmensgewinne gestiegen sind. Das ist so kaum wiederholbar. Dies gilt besonders für die USA.
Und warum sind Aktien doch nicht teuer?
Man muss auch betrachten, welche Alternativen die Anleger haben. Im Vergleich zu niedrig verzinsten Anleihen sind Aktien relativ attraktiv. Zumal die niedrigen Zinsen in die Cashflow-Bewertungsmodelle für Aktien mit einfließen und eine höhere Bewertung zulassen.
Würden Sie auf mittlere bis längere Sicht eher Growth- oder Value-Titel favorisieren?
In den vergangenen zehn Jahren sind Growth-Titel deutlich besser als Value-Titel gelaufen. Und zwar mit einem Abstand, der historisch einmalig ist. Insofern schauen wir uns momentan einige Value-Segmente an.
Inwieweit sind Sie in diesem Bereich fündig geworden?
Wir sehen günstige Bewertungen bei einigen britischen Aktien, die sich auf den -Binnenmarkt konzentrieren. Japanische Aktien sind ebenfalls attraktiv bewertet, weil sich ihre KGVs in den vergangenen -Jahren nicht so stark ausgeweitet haben und sie damit eine positive regionale Ausnahme bilden.
Stehen Anlegern also wieder gute Value-Jahre bevor?
Können Value-Titel ihre Growth-Pendants nun im gleichen Ausmaß übertreffen wie zuvor umgekehrt? Nein, damit rechne ich nicht.
Wie beurteilen Sie IT- und Technologiewerte, die sich in den vergangenen Jahren extrem gut entwickelt haben?
Alphabet, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft sind derzeit die größten Einzelwerte im MSCI World Index. Wir wissen jedoch aus der Vergangenheit, dass Unternehmen ihre einstmals vorherrschende Stellung wieder einbüßen und andere Unternehmen an die Spitze drängen. Zudem könnten die großen US-Techwerte unter stärkeren Eingriffen der Politik leiden. Etwa durch höhere Steuern oder eine strengere Regulierung.
Abschließend: Was halten Sie von Themen-Fonds und -ETFs, die jetzt immer häufiger aufgelegt werden?
Anleger können mit thematischen Ansätzen neue Wachstumsquellen erschließen. Zum Teil wachsen die Umsätze dort langfristig um zehn bis 15 Prozent. Zudem weichen Anleger damit vom klassischen Länder- und Sektoransatz ab.
Wie geht Ihr Haus hier vor?
Wir arbeiten mit regelbasierten Ansätzen. Das gilt etwa für den L & G Cyber Security ETF, dessen Titel im Schnitt zudem noch recht günstig sind.