Bis zum Jahr 2050 soll die EU klimaneutral werden. Um bis zum Stichjahr Nettonullemissionen zu erreichen, sind Investitionen erforderlich, die die Kosten der "Apollo"-Mondmissionen in den Schatten stellen: Allein das von der Kommission vorgestellte Investitionsprogramm hat ein Volumen von einer Billion Euro bis 2030. Diese Summe werden Staaten nicht allein schultern; der Privatsektor wird seinen Beitrag leisten müssen. Positiv ist: Die Nachfrage nach "grünen" Investments und die Bereitschaft des Finanzsektors, entsprechende Lösungen anzubieten, ist groß.

Beispielsweise hat sich das in Green Bonds, also Anleihen zur Finanzierung von Umweltprojekten, jährlich investierte Volumen binnen vier Jahren nahezu verdreifacht: auf 250 Milliarden US-Dollar zum Jahresende 2019. Auch das Volumen der nachhaltig ausgerichteten Geldanlagen insgesamt erreicht Jahr für Jahr neue Rekordwerte. Darüber hinaus orientieren sich immer mehr klassische Fonds und deren Investmentmanager an Nachhaltigkeitskriterien. Sie tragen damit den Anforderungen ihrer privaten wie institutionellen Anleger Rechnung. Und das nicht nur, um ihr Image zu verbessern: Nach Einschätzung der meisten Experten lassen sich mit Anlagen nach Nachhaltigkeitskriterien Risiken reduzieren. Gemeint sind etwa eventuelle Folgen der von Unternehmen verursachten Umweltschäden oder Verbraucherproteste. Letztlich überzeugen Firmen, die nachhaltige Strategien verfolgen, mit einer besseren Vision. So können nachhaltige Investments nicht nur im ökologischen, sondern auch im finanziellen Sinn eine kluge Anlageentscheidung sein.

Dennoch machen "grüne" Investments bislang nur einen geringen Anteil am Gesamtmarkt aus. Ein Grund dafür ist sicher, dass das Segment noch vergleichsweise jung ist: Der weltweit erste Green Bond wurde beispielsweise im Jahr 2007 von der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg aufgelegt. Auf ökologische Investments ausgerichtete Investmentfonds gibt es zwar schon seit gut 30 Jahren, im Vergleich zu klassischen Aktien, Bonds und Fonds sind sie dennoch Newcomer: Diese blicken auf eine jahrhundertelange Geschichte zurück. Das bringt es mit sich, dass auch die Entwicklung einschlägiger Kennzahlen, Definitionen und Methoden zur Bewertung bei Green Finance & Investment noch im Fluss ist. Insbesondere die Vorstellungen, was genau "grün" ist und was nicht, und die Frage, wie die einzelnen Kriterien zu gewichten sind, gehen teilweise weit auseinander. Die europäische Taxonomie soll hier ab dem kommenden Jahr Abhilfe schaffen - der Vorschlag einer von der EU eingesetzten Expertengruppe liegt nun vor. Die Taxonomie wird die Transparenz darüber erhöhen, welche Projekte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Zudem sollen Kriterien für die Dokumentation sowie eine unabhängige Prüfung festgeschrieben werden.

Das schafft die Grundlage und das erforderliche Vertrauen, damit das "grüne Segment" sein Potenzial noch stärker entfalten kann. Europa wäre mit einem solchen Rahmen weltweit Vor- reiter und könnte seine führende Stellung in Sachen Green Finance ausbauen. Das würde nicht nur zusätzliches Kapital für Investitionen in mehr Klimaschutz bedeuten, sondern zudem den europäischen Finanzsektor im Wettbewerb stärken. Deshalb ist es auch aus wettbewerbspolitischer Perspektive wichtig, dass Europas Finanzplätze ihre Ökosysteme im Bereich Sustainable and Green Finance weiterentwickeln. Der Finanzplatz Luxemburg arbeitet bereits seit einiger Zeit sehr strategisch in diese Richtung. Mit der Luxembourg Green Exchange (LGX) ging im Jahr 2016 die erste spezialisierte Plattform für börsengehandelte grüne Anleihen an den Start. Heute ist dort rund die Hälfte des weltweit in Green Bonds investierten Vermögens notiert. Mit einem Marktanteil von 35 Prozent der in erneuerbare Energie investierenden Fonds ist Luxemburg zudem im Bereich der grünen Investmentfonds in Europa führend.

Über Nicolas Mackel

Bevor Mackel CEO von Luxembourg for Finance (LFF) wurde, war er als Diplomat für das Großherzogtum unter anderem mehrere Jahre in Brüssel, Washington und Shanghai tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an der Sorbonne und dem College of Europe. LFF ist für die Entwicklung des Finanz- zentrums Luxemburg zuständig, das als einer der weltweit führenden Standorte für Green Finance gilt.