Ausgelöst wurde dieser Optimismus durch die Einführung von Corona-Impfstoffen. So ist zu erwarten - in der Annahme einer breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen -, dass die Menschen, sobald die Geschäfte, Restaurants und Theater wieder öffnen, wieder in die Realwirtschaft strömen und das genießen, was sie schon immer gern getan haben: einkaufen, essen gehen, Kinos und Theater besuchen und wieder reisen. Der kurzfristige Wiedereinstieg in die Realwirtschaft könnte daher sehr steil sein, weil die Verbraucher so lange abgeschnitten waren und es einen regelrechten Konsumstau gibt. Längerfristig betrachtet ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die kommenden Jahre eine typische zyklische Erholung mit Mean-Reversion-Charakter sein werden. Im Gegenteil ist es sehr wahrscheinlich, dass die Erholung so untypisch sein wird wie die Gründe für ihren Ausbruch, die Pandemie, und die Form eines K annehmen dürfte.

Der obere Arm des K wird bestimmt durch Trends, die durch die Covid-19-Pandemie bereits weit vorangetrieben wurden: etwa internetbezogene Aktivitäten und die ihnen zugrunde liegende Technologieplattform, die Cloud, oder auch das Bestreben, auf ökologische Herausforderungen zu reagieren, was durch ein großes europäisches Investitionsbudget alimentiert wird. Diese Trends könnten auch nach der Pandemie noch Rückenwind haben, da sich die Gewohnheiten geändert haben und die Menschen etwa die Bequemlichkeit des Arbeitens und Konsumierens von zu Hause aus entdeckt haben. Auf dem unteren Arm des K hingegen könnten einige Branchen langfristig sogar vor größeren strukturellen Herausforderungen stehen als zuvor - etwa der Automobilsektor, der sich bereits mitten in der technologischen Disruption befindet, durch die E-Mobilität sowie den rasant steigenden Softwareanteil in Autos. Oder die europäischen Banken, die sich mit strenger Regulierung, einem feindlichen Zinsumfeld und konkurrierenden Fintechs konfrontiert sehen.

Für Anleger wird es darauf ankommen, am oberen Arm des K zu investieren, sei es in IT- und Onlineanbieter oder auch in Real-Economy-Unternehmen wie L’Oréal oder Fast Retailing, die frühzeitig und umfangreich in die Digitalisierung investiert haben. Demgegenüber wird das Meiden von strukturell herausgeforderten Unternehmen und Sektoren auf dem unteren Arm des K, die Gefahr laufen, weiter zurückzufallen, das zweite Standbein für eine langfristig erfolgreiche Aktienauswahl sein.

Die Cloud ist ein guter Gradmesser für die zu erwartende Wachstumsdynamik entlang des oberen Arms des K, des langfristigen Digitalisierungstrends der Wirtschaft. Sie ist die IT-Infrastruktur für die Zukunft. Man kann sich die Cloud als eine Art Stromnetz für die digitale Wirtschaft vorstellen. Finanziell und technologisch starke Cloud-Unternehmen wie Amazon, Microsoft, SAP, Alibaba oder Tencent investieren in eine skalierbare Infrastruktur, die es anderen Unternehmen - vom Großunternehmen bis hin zum Lebensmittelladen um die Ecke - ermöglicht, diese anzuzapfen, wann sie wollen und wofür sie es brauchen, und zwar per Knopfdruck. Unternehmen wie Accenture, Intuit, Obic, Adyen oder GMO Payment, die digitale Dienste anbieten, sind ebenfalls am oberen Arm des K positioniert.

Es gibt weitere Unternehmen, die gut positioniert und für künftige Erfordernisse gewappnet sind. Beispielhaft zu nennen wären hier Unternehmen der Realwirtschaft und etablierte Marken, die als starke Renditequelle für unsere Portfolios weder ihre Attraktivität während der Pandemie verloren haben noch strukturell herausgefordert sind. Es gibt Dinge, die sich einfach nicht ändern, wie der Wunsch nach Schönheit und Mode, auf denen Unternehmen wie Inditex, Uniqlo oder L’Oréal langfristige Geschäftsstrategien aufbauen können. Wenn sie obendrein die Chancen des Internets nutzen, über einen starken Burggraben verfügen und in der Lage sind, Marktanteile zu gewinnen, sehen wir sie ebenfalls am oberen Arm des K fest positioniert.

 


Über Wolfgang Fickus

Fickus studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln sowie an der London Business School. Er begann seine Karriere 1995 bei Paribas Asset Management und wechselte im Jahr 2000 zur WestLB. Dort analysierte er deutsche und europäische Aktien im Technologiesektor, bevor er ab 2005 das Mid- und Small-Cap-Research leitete. 2012 kam Fickus zu Comgest, er ist Mitglied des Investment-Komitees.