Anlagestrategie: Glaubenskriege sind passé
· Börse Online RedaktionPassives Investieren mit börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds, kurz ETFs) liegt im Trend. Allein in den vergangenen zehn Jahren sind die Kapitalzuflüsse in passive Strategien um rund 2,6 Billionen Euro gestiegen - goldene Zeiten für die Branche. In der gleichen Zeit verzeichneten aktiv gemanagte Fonds Abflüsse von mehr als zwei Billionen US-Dollar, wie eine Analyse des Fondsdatenanbieters EPFR zeigt. Sollte man also als überzeugter aktiver Asset-Manager ETFs verteufeln? Keinesfalls! Beide Investmentansätze haben ihre Berechtigung.
Und es gibt drei wesentliche Situationen, in denen ETFs ihren Platz im Portfolio haben. Erstens ist der Performance-Vorteil beim aktiven Management nicht gleichmäßig verteilt. Konkret heißt das: Schätzt ein Portfoliomanager eine Aktie besser ein, als es der Markt tut, braucht es Zeit, bis die Aktie dieses Potenzial entfalten kann und sich die Einschätzung auszahlt - oder auch nicht. Wenn ein Anleger Geld nur vorübergehend in einem Fonds parken will, hat ein aktiv gemanagter Fonds häufig nicht die Zeit, die Expertise eines Fondsmanagers unter Beweis zu stellen - hier kann eine passive Strategie die bessere Wahl sein.
Ein zweiter Grund ist die unterschiedliche Effizienz von Märkten. In Trendmärkten haben es aktive Fondsmanager schwerer, dauerhaft einen Index zu schlagen. Das gilt zum Beispiel für die jüngste Rally am US-Aktienmarkt: Dort war die gute Performance von nur wenigen großen Technologieaktien wie Face-book, Amazon, Netflix oder Google geprägt. Hatte ein aktiver Fonds diese Werte nicht in seinem Portfolio, beispielsweise weil er nach einem langfristig orientierten Value-Ansatz investiert, konnte er die Outperformance des Marktes kaum erzielen. Generell zeigt sich für den US-Aktienmarkt, dass aktives Management in breiten Märkten erfolgreicher ist als in engen Märkten, wo die Performance von wenigen Titeln bestimmt wird.
Klar ist aber auch, dass der Bullenmarkt des vergangenen Jahrzehnts mit geringen Schwankungen nicht die Norm ist: Die Zentralbanken haben die Märkte mit Liquidität geflutet. Fällt diese Unterstützung weg, reagieren die Märkte, und die Kursausschläge nach oben wie nach unten nehmen zu. An diesem Wendepunkt befinden wir uns aktuell. Die Risikoscheu der Anleger steigt, während Aktien aus defensiven Branchen wie Gesundheit, Grundbedarfsgüter und Versorger sowie Staatsanleihen allmählich wie sichere Häfen erscheinen. In diesem Umfeld wird die individuelle Titelauswahl durch aktives Management immer bedeutender. Eine breite Ausrichtung auf den Markt ist dann kaum noch angemessen.
Schließlich empfehlen sich ETFs, wenn Anleger Positionen in ihren Fonds gegen Kursverluste absichern wollen. Solche Kurssicherungen lassen sich beispielsweise durch Terminkontrakte oder Indexoptionen auf Indizes abschließen. Deshalb ist es sinnvoll, die abzusichernden Positionen als passive Strategie zu erwerben. Viele Großanleger verfolgen genau solche Ansätze, darunter Multi-Asset-Fonds. Anleger tun indes gut daran, ETFs nicht allein wegen der niedrigen Kosten zu erwerben. In eine Anlageentscheidung sollten immer drei Komponenten einfließen: Rendite, Risiko und die Kosten. Mit zunehmend schwierigeren Märkten schwingt das Passivpendel inzwischen wieder zurück. Die Nettorendite, also die Performance nach Kosten, rückt für unsere Kunden immer stärker in den Vordergrund - auch weil das Alpha im anhaltenden Niedrigzinsumfeld wieder wichtiger wird und aktive Strategien gefragt sind.
Als Erkenntnis bleibt, dass beide Investitionsarten ihre Vorzüge, aber auch Grenzen haben - abhängig von der Anlage und Marktsituation. "Aktiv oder passiv" ist keine Glaubensfrage mehr. Es geht vielmehr darum, beide Formen optimal zu kombinieren, um die Investmentziele zu erreichen.
Ferdinand-Alexander Leisten besitzt einen Abschluss als Diplom-Kaufmann der -Universität Köln und hat 20 Jahre Berufserfahrung im Asset-Management, sowohl im Portfoliomanagement als auch im Vertrieb und im Handel. Als Leiter des Deutschland-Geschäfts von Fidelity verantwortet er das gesamte Geschäft der internationalen, inhabergeführten Fondsgesellschaft in Deutschland. Dies umfasst auch die Fondsplattform FFB.