Die weltweit brummende Konjunktur verdeckt den Blick auf ein großes Problem: In den Industriestaaten schrumpft nicht nur die Erwerbsbevölkerung, sondern auch der Produktivitätszuwachs. Was harmlos klingt, hat ernsthafte Folgen für die Aktienmärkte. Es werden nur diejenigen Unternehmen hohe Bewertungen vom Markt erhalten, die dynamisch strukturell wachsen und den technologischen Trend mitbestimmen. Alle anderen Unternehmen werden entweder vom Markt verschwinden oder deutlich niedrigere Gewinne erwirtschaften als bisher. Dieser strukturelle Wandel am Aktienmarkt wird sich allerdings nicht linear vollziehen, sondern unter größeren Ausschlägen.
Wer also für seine Altersvorsorge oder ein anderes Ziel langfristig spart, sollte in Segmente und Unternehmen investieren, die höheres Wachstum ermöglichen als der breite Markt beziehungsweise die breite Volkswirtschaft. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Shareholder-Return-Strategien der börsennotierten Unternehmen. Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre Attraktivität für Anleger steigern. So können Aktien auch für jene Investoren interessant werden, die unter den niedrigen Zinsen am Anleihemarkt leiden und andere relativ zuverlässige Erträge suchen. Derzeit haben viele Unternehmen extrem hohe Cashbestände, die sie unter anderem für aktionärsfreundliche Maßnahmen einsetzen können.
Hohe Cashbestände allein reichen für eine fundierte Aktienauswahl aber nicht aus. Wichtig ist eine Prüfung der gesamten Bilanz eines Unternehmens. Grundsätzlich sollten Unternehmen jederzeit in der Lage sein, konjunkturelle Abschwünge zu meistern und sogar antizyklisch zu investieren. Zudem erlaubt eine solide Bilanz, hohe Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu stemmen. Anleger sollten deshalb auf einen sehr niedrigen Verschuldungsgrad und hohe Cashbestände achten. Tesla beispielsweise kommt demnach als Investment allein unter diesem Gesichtspunkt nicht infrage.
Ein positiver Nebeneffekt bei wachsenden, Cashflow generierenden Unternehmen mit soliden Bilanzen ist die positive Entwicklung des Cash Asset Ratio. Ist es hoch, deutet das darauf hin, dass diese Unternehmen ihren Aktionären weiterhin Geschenke machen werden. Dazu gehören Dividenden, Aktienrückkäufe und Spin-offs. Allein die Apple-Aktionäre werden in Form von Aktienrückkäufen mit einem zusätzlichen spektakulären Geldregen von mehr als 100 Milliarden US-Dollar beglückt. Aktienrückkäufe wirken sich positiv auf den Gewinn je Aktie beziehungsweise auf die Bewertung von Unternehmen aus. Beim S & P 500 beispielsweise liegt allein die Aktienrückkaufrendite bezogen auf den Index bei etwa 2,5 Prozent. Hinzu kommt eine zusätzliche Ausschüttung an die Aktionäre in Form von Dividenden in Höhe von etwa zwei Prozent: Das ergibt eine Summe von fast fünf Prozent. Auch in Europa dürfte die Tendenz zunehmen, neben den hier üblichen Dividenden vermehrt Aktienrückkäufe ins Programm zu nehmen. Aktienrückkäufe in Europa betragen seit Längerem relativ stabil etwa 60 Milliarden Euro pro Jahr - gegenüber 500 Milliarden bis 600 Milliarden US-Dollar in den USA. In Europa gibt es also noch großen Nachholbedarf.
Unternehmen mit hohen Cashflows und einer starken Bilanz sind auch deshalb so attraktiv, weil die Märkte zunehmend das Thema Liquidität in den Bilanzen und die Verwendung dieser Liquidität honorieren: in Form überdurchschnittlich steigender Aktienkurse. Wichtig ist die Kombination von Aktienrückkäufen, hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Investitionen ins eigene Wachstum oder stetige, wachsenden Dividenden. Sich allein auf eine hohe Dividende zu fokussieren und die höchsten Dividendenzahler zu kaufen, ohne das konstante stetige Dividendenwachstum zu beachten, führt nicht zur höchsten Performance.
Andreas Dagasan:
Seine Karriere begann er 1995 bei der Hypovereinsbank, fast 20 Jahre war Dagasan dann für den Rückversicherer Munich Re im Asset-Management der Tochter Meag tätig. Seit 2017 ist er bei Bantleon Senior-Portfoliomanager Aktien und Analyst für Technologie-Investments. Bantleon ist ein Spezialist für institutionelle Investments, etwa für Banken oder Pensionskassen, seine Fonds stehen aber auch privaten Anlegern offen.