Anleger, die vor Jahren noch einen großen Bogen um sogenannte Junk-Bonds gemacht haben, legen sich nun verstärkt Anleihen von Firmen mit einer höheren Ausfallgefahr in ihre Depots. Aus Mangel an Alternativen kämen Anleger an Hochzinsanleihen nicht vorbei, meint Union-Investment-Fondsmanager Marco Salcoacci. "Investoren müssen mit mehr Risiko arbeiten, um ihre Renditeniveaus halten zu können."

In den großen Industrienationen haben die Notenbanken die Leitzinsen in den vergangenen Jahren auf immer neue Rekordtiefs gesenkt. Mit als relativ sicher geltenden Staatsanleihen lässt sich für große Investoren kaum noch etwas verdienen, Vermögensverwalter, Versicherungen und Pensionskassen haben es daher immer schwerer, auskömmliche Zinsen für ihr Geschäft und ihre Kunden zu erwirtschaften. Daher sind sie gezwungen, in immer riskantere Anlageformen wie Ramschanleihen mit niedriger Bonität zu investieren. Vereinzelt werden aber bereits Stimmen laut, die vor einer Spekulationsblase warnen.

"Ein so starker Zufluss im Hochzinsbereich wie derzeit ist außergewöhnlich", sagt Anleihespezialist Thomas Klee von der LBBW. Rechne man die Finanzbranche heraus, habe sich das Volumen der von Firmen ausgegebenen Euro-Anleihen, denen das Gütesiegel "Investment Grade" der großen Ratingagenturen fehlt, in den vergangenen fünf Jahren auf 240 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Firmen mit besserem Rating gaben zwar auch mehr Papiere aus, allerdings war der Zuwachs nicht ganz so groß.

Während Unternehmens-Anleihen mit guter Kreditwürdigkeit im Schnitt nur noch einen Zins von einem halben Prozent abwerfen, liegt der Zinssatz bei Ramschpapieren in Europa bei durchschnittlich 3,5 Prozent. Zum Vergleich: Für die als risikolos geltenden zehnjährigen Bundesanleihen müssen Investoren sogar noch Geld mitbringen.

Institutionelle Investoren fahren deshalb ihre Anlagen im Hochzins-Bereich nach oben. US-Portfoliomanager Peter Palfrey vom Vermögensverwalter Loomis Sayles stockte den Anteil auf 17 von elf Prozent auf. "Das Wichtigste ist, Rendite einzufangen wo immer es geht", sagt der Manager des sechs Milliarden Euro schweren Core Plus Bond Fonds. Die Anlagesparte der Münchener Rück, Meag, hat im Hochzins-Bereich neue Produkte und Anlagestrategien eingeführt. "Wir haben unser Engagement in diesem Bereich wegen des Niedrigzinsumfelds in den letzten Jahren verstärkt", sagt Portfoliomanager Erik Rüttinger.

Den Status "Ramsch" haben Unternehmen, die von den großen Ratingagenturen eine schlechte Bonitätsnote bekommen. Darunter sind namhafte deutsche Konzerne wie Thyssenkrupp, HeidelbergCement oder Hapag Lloyd, aber auch kleinere Mittelständler wie Phoenix Pharma. Die Ratingagenturen Fitch und Standard & Poor's stufen alle Firmen, die unterhalb der Bewertung "BBB-" liegen als Ramsch ein. Darüber und darunter gibt es etwa zehn verschiedene Einstufungen: Von der Spitzennote "AAA" bis "D" wie default, also Komplettausfall. Generell gilt: Je schlechter das Rating, desto höher der Zins.

"BESTER GESAMTERTRAG SEIT DER FINANZKRISE"

Das Risiko eines Totalverlustes durch eine Firmenpleite ist bei Hochzinsanleihen aber relativ gering. Aktuell liegt die Quote mit zwei Prozent nahe ihren historischen Tiefständen. Vor einigen Jahren waren vier bis fünf Prozent Ausfälle die Regel, während der Finanzkrise schossen die Quoten noch weiter nach oben. Inzwischen hätten viele Firmen ihre Hausaufgaben gemacht, sagt Bond-Experte Martin Hasse von M.M. Warburg. Schulden seien gesenkt worden und vor allem in den USA laufe die Konjunktur rund. Die europäische Wirtschaft komme auch langsam in Fahrt.

Die Gemengelage führt dazu, dass Renditen für Ramschanleihen fallen. Zu Jahresbeginn erhielten Anleger noch durchschnittlich 5,5 Prozent, also zwei Prozentpunkte mehr als derzeit. In den USA gingen die Renditen im Schnitt um ein Drittel auf rund 6,5 Prozent nach unten. Gleichzeitig steigen aber die Kurse. "Der Gesamtertrag für die Papiere ist in diesem Jahr einer der besten, wenn nicht sogar der beste, seit der Finanzkrise", sagt Fondsmanager Ashok Bhatia von Wells Fargo.

GENAUER HINSCHAUEN LOHNT SICH



Problematisch für Investoren ist, dass das Angebot nicht im selben Maß wie die Nachfrage steigt. Wegen der niedrigen Zinsen nehmen Firmen wieder mehr Kredite auf bei Banken oder ihr Bedarf an Fremdkapital ist gedeckt. Laut Ratingagentur Fitch wird das Volumen der Euro-Neuemissionen in diesem Jahr 30 bis 40 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres von 145 Milliarden Euro liegen. Für die wenigen Bonds stehen Investoren Schlange. "Für einen 500-Millionen-Bond gibt es nicht selten eine Nachfrage von mehreren Milliarden Euro", sagt Portfoliomanager Michael Hünseler vom Vermögensverwalter Assenagon. Er warnt davor, dass Anleger sich deshalb nicht mehr genau anschauen, welche Risiken sie sich ins Depot holen. "Es wird undifferenzierter gekauft."

rtr