Auch am Devisenmarkt war die Entspannung zu spüren: Das Pfund Sterling verteuerte sich um bis zu 0,8 Prozent auf 1,4310 Dollar, der Euro legte ebenfalls deutlich zu. Börsianern zufolge machte sich bei Anlegern die Hoffnung breit, dass der Schock über den Tod der britischen Politikerin Jo Cox das Lager der EU-Befürworter stärken wird. Die 41-jährige Labour-Abgeordnete und Brexit-Gegnerin war am Donnerstag mit Messerstichen und Schüssen getötet worden.

Die Briten stimmen am kommenden Donnerstag darüber ab, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Der Online-Wettanbieter Betfair bezifferte die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs von Großbritannien in der EU mit 67 Prozent. Vor der Ermordung von Cox lag die Chance noch bei 60 Prozent. "Die tragische Ermordung einer britischen Parlamentarierin gestern lässt den Devisenmarkt nicht innehalten, sondern führt dazu, dass die Folgen kühl und nüchtern eingepreist werden", schrieb Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann in einem Kommentar. Sollte die Tat politisch motiviert gewesen sein, könnte dies so kurz vor dem Referendum die Zustimmung für einen Brexit verringern.

NACHHALTIGE ERHOLUNG ERST NACH BREXIT-VOTUM MÖGLICH



Börsianer sind sich allerdings sicher, dass die Kursrally nicht als Trendwende gesehen werden kann. Die jüngsten Schwankungen an den Börsen dürften bis zur Abstimmung nächste Woche anhalten und das weitere Kursgeschehen sei schwer zu kalkulieren, sagte Gregor Kuhn vom Brokerhaus IG Markets. "Eine nachhaltige Erholung würde erst im Falle eines Verbleibs Großbritannien in der EU zum Tragen kommen."

Für zusätzliche Schwankungen sorgte der sogenannte "Hexensabbat". Zu diesem Termin verfallen Futures und Optionen auf Aktien und andere Anlageklassen. Die Kurse gehen an solchen Tagen üblicherweise stärker auf und ab, weil Investoren die Preise von Wertpapiere, auf die sie Derivate halten, in eine für sie günstige Richtung bewegen wollen.

Für die Wall Street signalisierten die Futures eine etwas schwächere Eröffnung.

FINANZWERTE WIEDER GEFRAGT



Ganz oben auf der Einkaufsliste der Aktienanleger in Europa standen Finanzwerte, die in den vergangenen Tagen stark unter der Brexit-Angst gelitten hatten. Unternehmen aus diesem Sektor belegten die ersten neun Plätze der Gewinnerliste im EuroStoxx50 - allen voran Unicredit mit einem Plus von 6,8 Prozent. Deutsche Bank gewannen knapp sechs Prozent.

Im Rampenlicht stand außerdem Siemens. Der deutsche Technologiekonzern sicherte sich nach monatelangem Ringen die Mehrheit an der spanischen Gamesa und errichtet damit das weltgrößte Windkraftunternehmen. Siemens-Aktien stiegen um 1,2 Prozent. Gamesa legten mehr als fünf Prozent zu.

In den USA sorgte Elizabeth Arden für Aufsehen: Die geplante Übernahme durch den Rivalen Revlon bescherte der Kosmetikfirma den größten Kurssprung seit 21 Jahren. Die Aktien stiegen im vorbörslichen US-Geschäft um 48 Prozent.