Steht die Wachablösung kurz bevor? Als die Redaktion in Ausgabe 05/2015 die größten Konzerne der Welt - gemessen am Börsenwert - unter die Lupe nahm, war Apple mit mehr als 220 Milliarden Euro Vorsprung unangefochtene Nummer 1. Damals übrigens vor dem Ölkonzern ExxonMobil.

Zum Jahresende 2015 trennten den Hersteller von iPhone, iPad und Co nur noch 55 Milliarden Euro vom Zweitplatzierten, der mittlerweile Alphabet heißt. Der Internetkonzern, der bis vor Kurzem noch als Google firmierte und vor allem für die gleichnamige Suchmaschine bekannt ist, hat nicht nur Exxon, sondern auch den Softwaregiganten Microsoft und Berkshire Hathaway, die Beteiligungsgesellschaft von Börsenlegende Warren Buffett, überholt. Wenn sich der Trend fortsetzt, könnte Apple noch in diesem Jahr vom Thron gestoßen werden.

Überhaupt waren die Internetwerte unter den sogenannten Mega-Caps, das sind Unternehmen mit einem Börsenwert von mehr als 100 Milliarden US-Dollar, im vergangenen Jahr der Renner. Facebook verbesserte sich von Platz 20 auf Rang 7. Das weltgrößte Internetkaufhaus Amazon, im Vorjahr noch gar nicht in der Rangliste enthalten, katapultierte sich mit einer Kursverdopplung auf Platz 6.

Ob das die Folge einer Blasenbildung ist oder ein unaufhaltsamer Vormarsch der Internet-Geschäftsmodelle, muss die Zukunft zeigen. Zumindest bei Alphabet - mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 22 für dieses und 19 für nächstes Jahr durchaus noch akzeptabel bewertet - geht die Redaktion nicht von einer irrationalen Übertreibung aus.

Chinesen rutschen ab



Auch die Tatsache, dass nicht alle Internetwerte zulegen konnten, spricht gegen die Theorie der Blase. Der chinesische Hoffnungsträger Alibaba etwa (im Vorjahr Platz 12) blieb hinter den Erwartungen zurück und rutschte von Platz 12 auf Rang 20 ab. Und das war wohl noch nicht alles. Denn der scharfe Kurseinbruch chinesischer Aktien ist in unserer Tabelle noch gar nicht erfasst, weil wir die Auswertung zur besseren Vergleichbarkeit ab sofort immer zum Jahresende vornehmen und in einer der ersten beiden Ausgaben veröffentlichen werden. In der Zwischenzeit hat Alibaba noch einmal rund zehn Prozent eingebüßt und wäre somit noch weiter nach hinten durchgereicht worden.

Auch die drei anderen chinesischen Unternehmen, die im Konzert der 30 Schwergewichte mitspielen - der Telekommunikationsanbieter China Mobile sowie die Finanzwerte ICBC und China Construction Bank - mussten im Zuge des verheerenden Jahresbeginns Federn lassen. Ob China nach den alles dominierenden USA im nächsten Jahr noch die zweitgrößte Fraktion stellen wird, erscheint fraglich.

Würde ein chinesischer Wert herausfallen, könnte die Schweiz, die mit Nestlé, Roche und Novartis drei Vertreter ins Rennen schickt, zumindest gleichziehen. Als einziges Unternehmen aus der Eurozone schafft es mit Anheuser Busch noch ein Konzern mit Sitz in Belgien in die Top 30 der Welt. Japan hat mit Toyota ebenfalls ein Eisen im Feuer. Alle der 21 übrigen Konzerne haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, in die Top Ten schafft es kein einziger Nichtamerikaner.

Deutsche Werte: Fehlanzeige



Deutsche Aktien sind noch weiter davon entfernt als Anfang 2015, in den erlauchten Kreis der 30 wertvollsten Unternehmen aufzusteigen. Bayer und Volkswagen - im vergangenen Sommer noch relativ nah dran - sind nach der jüngsten Kursschwäche weit zurückgefallen. Auf dem heimischen Kurszettel findet sich aktuell kein einziger Mega-Cap mehr. Und dabei spielt es noch nicht einmal eine Rolle, ob man die 100-Milliarden-Hürde in Euro oder in US-Dollar ansetzt.

Auch wenn man daraus eine Unterbewertung des deutschen Aktienmarkts ableiten könnte, hat sich in den zurückliegenden Tagen einmal mehr gezeigt, dass die Topkonzerne der Welt - insbesondere die amerikanischen - in Abschwungphasen weniger leiden als die im DAX notierten deutschen Bluechips. Das gilt vor allem für die Werte aus der Rangliste, die BÖRSE ONLINE als Favoriten herausgefiltert hat. Alphabet und Microsoft konnten deutlich zweistellig zulegen, Nestlé trat auf der Stelle. Unterm Strich konnte das die leichten Verluste bei Berkshire Hathaway, Novartis und Apple mehr als wettmachen. Ein gleichgewichtetes Depot aus allen sechs Werten hätte ohne Dividenden ein Plus von 6,3 Prozent gebracht, während der DAX im gleichen Zeitraum um 7,5 Prozent nachgab.

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Die Favoriten der Redaktion



Alphabet, Microsoft und Nestlé schaffen es auch in diesem Jahr wieder in die Liste der Favoriten, Novartis wird gegen Roche ausgetauscht, Berkshire Hathaway gegen Walt Disney. Apple erhält im Vorfeld der Ende des Monats anstehenden Zahlen nur ein "Beobachten"-Rating, könnte aber hochgestuft werden, falls die Zahlen die inzwischen nicht mehr sonderlich hohen Erwartungen der Analysten übertreffen.

Berkshire Hathaway wäre weiter ein Kandidat für die Kaufliste, ist aber herausgefallen, da wir die Aktie bereits in Heft 01/2016 ausführlich vorgestellt haben. Dass Berkshire im vergangenen Jahr schwächelte, ist hingegen kein Hinderungsgrund. Gemäß der Gebrauchsanweisung von Warren Buffett sollte niemand in die Aktie investieren, der nicht bereit ist, sie zumindest fünf Jahre lang zu halten. Auch Schwergewichte wie Johnson & Johnson, Wells Fargo oder Coca-Cola haben wir außer Acht gelassen, weil Berkshire an all diesen Unternehmen beteiligt ist, man also mit einer Aktie mehrere abdecken kann.

Facebook und Amazon sind nur knapp vorbeigeschlittert, da wir Alphabet und Microsoft noch mehr zutrauen und nicht zu technologielastig werden wollten. Last but not least ist uns auch Toyota ein "Kaufen"-Rating wert, die Aktie wird aber schon an anderer Stelle im Heft besprochen.



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Alphabet: Große Schwester von Berkshire Hathaway



Als Fels in der Brandung erweisen sich die Aktien von Alphabet. Seit unserer Empfehlung in Heft 05/2015 - damals noch unter dem Namen Google - hat der Wert um 44 Prozent zugelegt. Auch in der aktuellen Schwächephase leidet die Aktie weniger stark als der US-Gesamtmarkt.

Analysten sind begeistert von der neuen Strategie, die die Finanzchefin Ruth Porat zusammen mit starken Quartalszahlen im Herbst 2015 verkündete: Das Unternehmen will zu einer Art Berkshire Hathaway des Internets werden - eine Holdinggesellschaft, die ihre operativen Einheiten nach den Grundsätzen des wertorientierten Investierens steuert.

Seit dem Aktiensplit, der im Frühjahr 2014 für ein (inzwischen längst korrigiertes) Steuerdesaster bei deutschen Anlegern sorgte, sind zwei Gattungen börsennotiert. Die A-Aktie (WKN: A14 Y6F) mit Stimmrecht sowie die Anteilsklasse C (WKN: A14 Y6H). Letztere hat analog zu deutschen Vorzugsaktien kein Stimmrecht und kostet etwas weniger. Da die Dividendenrendite bei Alphabet eine untergeordnete Rolle spielt, ist die A-Aktie wegen des Stimmrechts grundsätzlich vorzuziehen. Dass BÖRSE ONLINE die C-Aktie im Basisdepot führt, hat steuerliche Gründe, die mit dem Chaos rund um den Aktiensplit zusammenhingen. Die 2015er-Jahreszahlen kommen am 29. Januar auf den Tisch.



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Apple: Nur noch mit knappem Vorsprung Nummer 1



Nicht so gut wie für Alphabet lief das Jahr 2015 für Apple. Unser langjähriger Dauerfavorit notiert gegenüber der Empfehlung aus Heft 05/2015 etwa zehn Prozent im Minus und ist dem empfohlenen Stoppkurs von 89 Euro sehr nahe gekommen. Zuvor hatte die Aktie allerdings das damalige Kursziel von 120 Euro mehrfach erreicht, doch die Hürde erwies sich als zu hoch, um übersprungen zu werden.

Folge: Zum Jahresende 2015 war Apple mit umgerechnet knapp 555 Milliarden Euro zwar immer noch das wertvollste Unternehmen der Welt, aber Alphabet hat aufgeholt. Der fundamentale Hintergrund der Kursschwäche waren enttäuschte Hoffnungen, die in die Apple Watch gesetzt worden waren. Nun hängt alles an den iPhone-Verkäufen. Die bereits veröffentlichten Zahlen von Hauptwettbewerber Samsung und einigen Zulieferern deuten darauf hin, dass der verhaltene Ausblick, mit dem Vorstandschef Tim Cook im Sommer 2015 dem Kursfeuerwerk ein vorläufiges Ende gesetzt hatte, nicht von ungefähr kam.

Dennoch: Das Unternehmen verdient weiter glänzend und die Aktie ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,5 günstig bewertet. Sollten die Zahlen am 27. Januar nicht ganz katastrophal ausfallen, dürfte die derzeitige Schwächephase langfristig eine Kaufgelegenheit darstellen. Bis dahin gilt: "Beobachten".



Auf Seite 5: Microsoft





Microsoft: Dank Cloud auf dem Weg zum Allzeithoch



Microsoft zählt zu den wenigen Aktien unter den Top 30, die ihre Rekordkurse aus dem Jahr 2000 noch nicht wieder-gesehen haben. Bis zum Allzeithoch bei knapp 60 Euro sind noch mehr als 20 Prozent Platz. Der Wechselkurs (damals fast 1 : 1) verzerrt das Bild dabei nur leicht. Auch in Dollar gerechnet hat die Aktie noch gut 15 Prozent Luft bis zur 60er-Marke. Und einige Analystenhäuser haben mittlerweile schon höhere Kursziele zwischen 62 und 64 Dollar ausgerufen.

Die jahrelange Lethargie, die der Rückzug von Firmengründer Bill Gates und der schrumpfende PC-Markt ausgelöst hatten, scheint verflogen. Die frühzeitigen Investitionen ins lukrative Cloud-Geschäft zahlen sich aus. Hier hat Microsoft die Nase gegenüber Alphabet deutlich.

Dass aus dem einstigen Wachstumswunder im Lauf der Jahre ein vermeintlich langweiliger (und dank enormer Cashreserven äußerst verlässlicher) Dividendenzahler geworden ist, muss kein Nachteil sein. Die regelmäßigen Ausschüttungen federn das Risiko deutlich ab.

Bewertungstechnisch ist Microsoft - früher stets mit einem Aufschlag versehen - nicht mehr teurer als der US-Gesamtmarkt. Das KGV von 18 in der Tabelle auf Seite 14 ist nach der jüngsten Kurskorrektur auf 17 gesunken. Die nächsten Quartalszahlen stehen am 26. Januar an.



Auf Seite 6: Nestlé





Nestlé: Starke Marken versprechen Sicherheit



Über Sinn und Unsinn von Nespresso-Kapseln lässt sich trefflich streiten. Sicher ist es bequem, sich Kaffee tassenweise vollautomatisch zubereiten zu lassen - und viele verschiedene Geschmacksrichtungen gibt es obendrein. Allerdings sind die Mehrkosten happig und die anfallenden Tonnen an Verpackungsmüll ökologisch umstritten. Für den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé - gemessen an Umsatz und Börsenwert der größte der Welt - sind die beliebten Kapseln indes ein Segen, denn sie bringen hohe Margen.

Darüber hinaus hat Nestlé zahlreiche weitere weltbekannte Marken im Portfolio, von Maggi-Suppen über Schöller-Eiscreme und San Pellegrino-Mineralwasser bis hin zu Friskies und Purina (Tiernahrung). Da eine wachsende Weltbevölkerung zu einer stärkeren Nachfrage nach Lebensmitteln führt und Nestlé größtenteils Produkte des täglichen Bedarfs verkauft, gilt der Konzern als relativ krisenresistent - auch wenn es immer wieder Kritik von Umweltorganisationen und Verbraucherschützern gibt, zuletzt etwa in Indien wegen vermeintlich überschrittener Grenzwerte für Blei in Maggi-Nudeln.

Für die Zukunft ist das Unternehmen gut gerüstet, denn das Management setzt immer stärker auf Nahrungsmittel mit medizinischem Zusatznutzen. Dieser Markt steht gerade erst am Anfang und verspricht stramme Wachstumsraten.



Auf Seite 7: Roche





Roche: Marktführer in der Krebstherapie



Die Qual der Wahl haben Anleger bei den beiden größten Schweizer Pharmakonzernen: Roche und Novartis waren zum Jahresende 2015 fast gleich viel wert.

Vor Jahresfrist hatten wir Novartis den Vorzug gegeben - zum einen, weil das Unternehmen in US-Dollar bilanziert, was die seinerzeitige Aufwertung des Schweizer Franken zumindest weniger sichtbar machte. Zum anderen, weil Roche bereits Marktführer bei Krebstherapien ist und wir Novartis zutrauten, den Wettbewerb zu verschärfen. Dabei hatten wir die Folgen des Konzernumbaus beim Herausforderer unterschätzt. Der Roche-Kurs hielt sich seit Ausgabe 05/2015 trotz des jüngsten Börsengewitters auf Vorjahresniveau, zeitweise notierte die Aktie deutlich im Plus. Novartis hingegen stieg bis zur Jahresmitte, ging dann allerdings in einen Abwärtstrend über.

Auch wenn der aktienähnliche Roche-Genussschein nach dem Abrutschen unter die 200-Tage-Durchschnittslinie charttechnisch ebenfalls leicht angeschlagen ist, geben wir diesmal dem Marktführer den Vorzug. Vor allem, weil die hohe Gewinndynamik durch den Verkauf von Krebsmedikamenten das Unternehmen in die Lage versetzt, die Forschungsarbeit auf anderen Gebieten - etwa Alzheimertherapie - zu intensivieren. Für die US-Investmentbank Goldman Sachs ist Roche das Topinvestment der Pharmabranche.



Auf Seite 8: Walt Disney





Walt Disney: Micky Maus, "Star Wars" und die Charttechnik



Trotz des Rummels um die neueste "Star Wars"-Episode hat die Aktie von Walt Disney zum Jahresauftakt kräftig nachgegeben. Da sie im Bereich zwischen 94 und 96 US-Dollar auf eine breite Unterstützungszone trifft, sollte sie aus charttechnischer Sicht langsam unten angekommen und reif für eine Erholung sein.

Nun ist Charttechnik allein sicher kein Kaufargument für langfristig orientierte Investoren. Waren die Vorschusslorbeeren, die Börsianer dem Science-Fiction-Spektakel "Das Erwachen der Macht" zugebilligt hatten, vielleicht zu groß? Wir meinen: nein. Keinem Film war es jemals zuvor gelungen, an der Kinokasse so schnell eine Milliarde Euro einzuspielen: Die siebte Star-Wars-Folge brauchte dafür lediglich zwei Wochen.

Außerdem tut der weltgrößte Medienkonzern mit einer breit angelegten Marketing- und Merchandising-Kampagne alles dafür, das Publikum schon auf die nächsten Episoden heiß zu machen. Dazu werden auch die hauseigenen Themenparks weltraumgerecht aufgerüstet.

In denen dominieren noch Micky Maus, Donald Duck und Co - sie sind bereits seit Jahrzehnten Publikumsmagneten. Der Einbruch des Ölpreises, der Börsianern derzeit die Stimmung vermiest, dürfte sich hier positiv bemerkbar machen. Er macht zumindest die Anfahrt billiger.