Apple werde zwar zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten, erklärte Branchenanalyst Michael Romer von der Privatbank J.Safra Sarasin. Die Apple Watch werde die Branche aber nicht so durchschütteln wie das in den siebziger Jahren geschehen sei, als die ersten Digitaluhren aus Japan die Schweizer Uhrenindustrie praktisch zusammenbrechen ließen. Inzwischen ist die Branche viel größer. Im vergangenen Jahr exportierten die Schweizer gut 28 Millionen Uhren im Wert von 22 Milliarden Dollar. Das Land liegt damit weltweit an der Spitze, gefolgt von Hongkong und China.
Analysten warnen aber auch, die Schweizer Branche sollte den Einfluss von Apple nicht unterschätzen. Vor großem Publikum hatte Konzernchef Tim Cook am Dienstag in Kalifornien die Apple Watch vorgestellt, die in den USA Anfang 2015 für knapp 350 Dollar in die Läden kommen soll. Die Uhr kann Fitness-Daten aufzeichnen und den Träger mit einem Impuls aufs Handgelenk über neue Nachrichten auf dem iPhone informieren. Ähnliche Produkte haben etwa auch Samsung, LG Electronics und Sony im Sortiment.
Analysten der Bank of America Merrill Lynch verwiesen darauf, dass ein Wandel in Technologie und Mode einen bedeutenden Einfluss auf traditionelle Uhren haben. In diesem Zusammenhang erinnern sie daran, dass es Apple gelungen sei, mit iTunes die Musikindustrie aufzumischen und bei den Mobiltelefonen die einst führenden Hersteller Nokia und Blackberry an die Wand zu spielen.
Spuren hinterlassen dürfte die Apple Watch vor allem im Segment der günstigeren Uhren mit einem Verkaufspreis bis zu 1000 Franken. Damit ist ein großer Teil der Schweizer Uhrenproduktion nicht betroffen. 87 Prozent der Zeitmesser liegen nach Angaben der Bank Vontobel im Hochpreissegment. Schweizer Uhren können mehrere hunderttausend Franken kosten. Preisgünstigere Uhren kommen hauptsächlich von Weltmarktführer Swatch. Der heimische Rivale Richemont mit der Marke Cartier dürfte indes kaum betroffen sein. Richemont wollte sich am Mittwoch zur Apple Watch nicht äußern.
Swatch, dessen Sortiment von hochwertigen Uhren wie Blancpain, Breguet und Omega bis hin zu den günstigeren Swatch-Produkten reicht, setzte im vergangenen Jahr rund neun Milliarden Franken (rund 7,5 Milliarden Euro) um und erzielte einen Gewinn von 1,9 Milliarden Franken. Nach Schätzungen von Analysten kommt fast die Hälfte des Umsatzes aus dem Luxussegment.
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SWATCH WILL APPLE PAROLI BIETEN
Die Bank Vontobel bezeichnete die Apple Watch als Durchbruch für die "Smartwatches". Analyst Rene Weber sieht potenziell rund 20 Prozent des Swatch-Umsatzes betroffen. Eine Antwort von Swatch werde aber nicht lange auf sich warten lassen. Die Schweizer, ist sich Weber sicher, würden mit eigenen Produkten aufwarten. Swatch-Chef Nick Hayek gab sich am Dienstag zunächst gelassen: "Wir leben nicht im Rhythmus von (Apple-Hauptquartier) Cupertino." Dadurch lasse sich Swatch nicht stören.
Der Konzern hat bereits mit Zusatzfunktionen angereicherte Uhren und Fitnessarmbänder im Programm. Im nächsten Jahr will Hayek eine "Swatch Touch", eine Uhr mit weiteren Zusatzfunktionen auf den Markt bringen, wie er kürzlich in einem Reuters-Interview ankündigte. Da soll es um Schrittzähler und das Messen des Kalorienverbrauchs gehen. Und die Schweizer setzen darauf, dass ihre Uhren zeitlosen Wert haben und über Generationen vererbt werden und auch ein Statussymbol sind. Elektronische Massengüter dagegen würden bei jedem neuen Technologiesprung mehr oder weniger obsolet. "Sie haben keinen emotionalen Wert wie eine Uhr", sagte Hayek.
Hayek, dessen vor vier Jahren verstorbener Vater Nicolas Hayek wegen der Erfindung der "Swatch" als Retter der Schweizer Uhrenindustrie gilt, sieht überdies neue Chancen durch die Apple Watch. Der Kleincomputer am Handgelenk werde vor allem junge Menschen an Armbanduhren heranführen, die bisher keine solchen Zeitmesser tragen wollten. Und dann, wenn sie besser verdienten, griffen sie auch zu einem Produkt "Made in Switzerland".
Auch den Präsidenten des Schweizer Uhrenverbandes, Jean-Daniel Pasche, beunruhigt der Vorstoß der Amerikaner nicht. Er beurteilte die Apple-Uhr als Ergänzung und nicht als Konkurrenz zu herkömmlichen Zeitmessern. "Mit unserer Erfahrung in der Nanotechnologie, Mikrotechnik und Elektronik bin ich überzeugt, dass wir die Kompetenz haben, um in diesem Markt einzutreten", erklärte Pasche. Ob die Branche diesen Schritt auch tatsächlich mache, sei eine kommerzielle Frage.
Franz Türler, Inhaber des gleichnamigen renommierten Uhrengeschäfts an der Zürcher Bahnhofstrasse, glaubt, dass die Apple Watch Erfolg haben wird. "Aber sie ist keine Konkurrenz für die klassische Uhrenindustrie. Das bereitet mir definitiv keine schlaflosen Nächte", sagte er lachend.
Reuters