Apple-Finanzvorstand Luca Maestri gab sich nach Veröffentlichung der Quartalszahlen gestern Abend betont sachlich: Man sehe ein "anderes wirtschaftliches Umfeld weltweit", sagte der Italiener in einer Telefonkonferenz mit Analysten. In China und vor allem in Hong Kong trübe sich die Lage ein. Auch in Brasilien, Kanada und Japan gebe es Gegenwind.

Die Folgen sind unübersehbar. Beim Umsatz im wichtigen Jahresschlussquartal verbuchten die erfolgsverwöhnten Kalifornier ein schmales Plus von 1,7 Prozent auf 75,87 Milliarden Dollar. Der Gewinn stieg um gleichfalls überschaubare 2,2 Prozent auf 18,4 Milliarden Dollar.

Sorgen bereitet derzeit vor allem der iPhone-Absatz - mit einem Umsatzanteil von gut zwei Dritteln das mit Abstand wichtigste Produkt des Konzerns. Zwar setzte Apple vor Weihnachten 76,8 Millionen der Apfel-Smartphones ab. Aber der Zuwachs betrug homöopathische 0,4 Prozent.

Und die Lage wird immer verzwickter. Im laufenden Quartal rechnet Apple mit einem Absatz von 50 bis 52 Millionen Geräten nach 61 Millionen im Vorjahr. Das wäre der erste Rückgang seit der Markteinführung des iPhones 2007. Auch beim Umsatz stellt sich das Unternehmen aus Cupertino auf einen herben Rückschlag ein. Von Januar bis März erwartet der Konzern Erlöse zwischen 50 und 53 Milliarden Dollar. Das wäre das erste Umsatzminus seit 2003.

Analysten waren entsprechend ernüchtert: Apple brauche einen "neuen Verkaufsschlager", mahnte etwa Joe Kinahan von TD Ameritrade. Auch der sonst für Apple eher bullishe UBS-Analyst Steven Milunovich zeigte sich ungewohnt zurückhaltend. Apple habe in der Telefon-Konferenz mit Analysten besonders die Menge an installierten Geräten und die Chancen für zusätzliches Service-Geschäft betont, wunderte sich der UBS-Mann in einer ersten Einschätzung. Das erinnere fatal an andere ehemalige Wachstumsunternehmen. So habe vor Jahren etwa "Xerox unvermittelt begonnen, die Chancen des Service-Geschäfts zu betonen - als die Wachstumsära vorüber war".

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Einschätzung der Redaktion



Apple ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Unternehmer-Genie Steve Jobs hat den Konzern mit Weitsicht, cleverem Marketing und coolen Produkten wie dem iPhone zum weltweiten Vorzeige-Konzern mit prall gefüllten Kassen und glücklichen Aktionären gemacht. Doch die Zeiten satter zweistelliger Wachstumsraten gehen dem Ende entgegen. Ausgerechnet beim wichtigen iPhone drohen nun sogar Absatz-Rückgänge, beim iPad geht es schon viel länger bergab.

Natürlich steht Apple mit solchen Rückschlägen nicht alleine. Aber Investoren reagieren auf derlei Nachrichten eines langjährigen Vorzeigeunternehmens eben besonders empfindlich und gehen lieber erst mal in Deckung. Alleine im vergangenen halben Jahr rutschte die Apple-Aktie rund 20 Prozent ab. Zum Vergleich: Der Nasdaq100 ist im selben Zeitraum lediglich um sechs Prozent geschrumpft.

Besserung ist derzeit kaum in Sicht. Denn auf dem wichtigen chinesischen Markt trübt sich die Konjunktur weiter ein. Dort hat sich Apple im abgelaufenen Quartal mit einem Plus von 14 Prozent auf 18,4 Milliarden Dollar zwar unerwartet wacker geschlagen. Doch im Vorjahr hatte die der Konzern den Umsatz in der Region verdoppelt.

Und mögliche neue Wachstumstreiber sind derzeit nicht erkennbar. Über die Absatzzahlen der im Vorjahr mit reichlich Vorschusslorbeeren präsentierten Apple Watch schweigt sich Apple bislang auffällig aus. Zwar kommt im Herbst das komplett neue iPhone 7. Aber ob das genügt, die nächste Wachstumsstufe zu zünden, ist derzeit zumindest fraglich. Und ob es das sagen-umwobene Apple Car jemals zur Marktreife bringt und dann auch noch Tesla oder gar den deutschen Premium-Herstellern Paroli bieten kann, ist derzeit ohnehin zweifelhaft.

Auch charttechnisch ist das Papier angeschlagen. Der mittelfristige Abwärtstrend ist intakt. Nach oben ist das Potenzial derzeit begrenzt. Kurzfristig lauern starke Widerstände in der Region bei 115 bzw. 116 Dollar. Dort verläuft die 200-Tage-Linie. Stopp: 91 Dollar. Ziel: 115 Dollar. Halten.