186 Seiten umfasst dieses Mal der Research-Ausblicks-Bericht von Barclays, der die weltweiten Aktien-Top-Favoriten der britischen Investmentbank für 2016 enthält. Neben einer langen Liste an interessanten Titeln gehen die Analysten darin auch darauf ein, was sie allgemein in diesem Jahr von den Weltbörsen erwarten.

Eine der Hauptbotschaften von Co- Research-Chef Jon Scoffin ist dabei die Leser auf ein möglicherweise anstehendes Ende der seit Jahren vorherrschenden Periode mit einem stetigen Wirtschaftswachstum, niedrigen Inflationsraten und einer ultraexpansiven Geldpolitik einzuschwören. Die US-Notenbank hat in dieser Hinsicht mit der ersten Zinserhöhung seit Jahren bekanntlich bereits auch den ersten Einschnitt vorgenommen.

Sich verändernde Rahmenbedingungen, zu denen auch eine Wachstumsverlangsamung in China zählen, machen aus Sicht von Scoffin immer wieder einmal auftretende Phasen wahrscheinlicher, in denen die Marktteilnehmer wie im vergangenen August Risiken vermeiden werden.

Dennoch müsse alles das zunächst noch nicht zur Konsequenz führen, sich von Aktien zu verabschieden. In der Vergangenheit kamen die Börsen mit steigenden Zinsen bis zu einem gewissen Punkt gut zurecht, die Weltwirtschaft dürfte laut Prognosen von Barclays 2016 um 3,4 Prozent wachsen, die Unternehmensgewinne im Schnitt um mindestens acht Prozent zulegen und die Bewertungen an den Weltbörsen werden im historischen Vergleich als durchschnittlich bezeichnet. Denkbar sei in diesem Umfeld aber eine Rückbesinnung der Anleger auf Value-Aktien, die in den vergangenen Jahren gegenüber Wachstumswerten einen eher schweren Stand hatten.

Insgesamt werden im Global Top-Picks-Report 115 Aktien herausgestellt, denen über verschiedene Branchen und Kontinente hinweg die besten Kursaussichten zugebilligt werden. Unter Fokussierung auf auch in Deutschland handelbare Werte hat Börse Online darauf fünf Aktien herausgefiltert, deren Kurspotenzial nach Einschätzung von Barclays zwischen 32 Prozent und 84 Prozent bewegt.



Barclays Global Top-Pick Nummer fünf: China Mobile Ltd. (WKN: 909622, 82,50 Hongkong-Dollar, 9,85 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 06.01.)



Der erste Favorit kommt mit China Mobile Ltd. aus China. Die größte Mobilfunkgesellschaft des Landes, die auch weltweit gemessen an der Kundenzahl die Führungsposition innehat, ist bei Fondsmanagern sehr beliebt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die 1997 gegründete Gesellschaft als Anbieter von Mobilfunkdiensten und damit verbundenen Dienstleistungen wie Onlinebanking oder mobilen E-Commerce in allen Provinzen Festlandchinas sowie in Hong Kong vom starken Wachstum beim chinesischen Internetverkehr auf Mobilgeräten profitiert.

Das Interesse hat dem an den Börsen in Hongkong und New York gelisteten Titel aber wenig geholfen, denn seit Ende April steckt die Notiz wieder in einem Abwärtstrend. Aber auch in den vergangenen Jahren waren hier per Saldo keine Kursgewinne drin. Barclays-Analyst Anand Ramachandran ficht das aber nicht an. Er setzt darauf, dass das Unternehmen vom Vordringen der 4G-Mobilfunkgeneration begünstigt wird und es dadurch wie bereits im dritten Quartal demonstriert gelingt, das Umsatzwachstum mit mobilen Dienstleistungen zu erhöhen. Laut Barclays belief sich der Anteil der 4G-Nutzer im Oktober bereits auf 32 Prozent und mit 267,3 Millionen habe deren Zahl das Jahresziel von 250 Millionen 4G-Nutzern bereits überschritten.

Außerdem soll die anhaltende Kostendisziplin ebenfalls dabei helfen, die Profitabilität zu erhöhen. Für die Jahr 2017 bis 2019 rechnet Ramachandran beim EBITDA mit einem Anstieg von durchschnittlich 9,9 Prozent p.a. und beim Gewinn je Aktie mit plus 8,1 Prozent. Diese Annahmen bezeichnet er als Hauptgrund, warum er die Aktie mit Übergewichten eingestuft hat. Den unlängst getätigten Anteilserwerb an der China Tower Corp., die Ladestationen für Elektrofahrzeuge entwickelt, bezeichnet er als Schritt in die richtige Richtung. Als Risiko stuft er dagegen die Forderung der Regierung nach Angeboten mit höherer Geschwindigkeit und niedrigeren Tarifen ein.

Für 2016 kalkuliert Ramachandran mit einem Gewinn je Aktie von 6,19 Hongkong-Dollar, was auf dieser Basis einem geschätzten KGV von 13,3 entspricht. Als Kursziel werden 130 Hongkong-Dollar genannt, was um 57,6 Prozent über der aktuellen Notiz liegt. Die Dividendenrendite wird außerdem auf 3,4 Prozent taxiert.



Barclays Global Top-Pick Nummer vier: Sony Corp. (WKN: 853687, 2.897,50 Yen, 21,843 Euro)



In Japan setzt Barclays unter anderem auf die Sony Corp. Der japanische Elektronikkonzern hat bekanntlich eine lange Phase mit einer enttäuschenden Geschäftsentwicklung hinter sich, scheint sich inzwischen dank der jahrelang unternommenen Umstrukturierungen des Verbraucherelektronikgeschäfts aber auf dem Weg der Besserung zu befinden.

Diesen Eindruck vermittelten auch die zuletzt vorgelegten Quartalszahlen. Denn da ist es gelungen, in die Gewinnzone zurückzukehren (Nettogewinn von 33,6 Milliarden Yen). Allerdings wurde der Jahresausblick beibehalten und weil dieser mit 140 Milliarden Yen unter den Markterwartungen lag, ist das vermutlich der Grund, warum das im Mai aufgestellte Vorjahreshoch in der zweiten Jahreshälfte außer Reichweite gerückt ist.

Barclays-Analyst Kazunori Ito ist aber zuversichtlich, dass der Aktienkurs bald wieder in den Vorwärtsgang schalten kann. Er setzt auf positive Ergebnisimpulse durch die beiden wichtigsten Hoffnungsträgern, den qualitativ hochwertigen Bildsensoren, die unter anderem in den iPhones von Apple eingebaut werden und dem Spielegeschäft, nachdem sich die hauseigene PlayStation 4 sehr gut verkauft. Außerdem sollen sich auch die Restrukturierungsanstrengungen im Bereich der digitalen Haushaltsgeräte, wozu auch Digitalkameras und LCD-Fernseher gezählt werden, auf der Ergebnisseite bezahlt machen.

Als Folge daraus soll das Gewinnwachstum im Branchenvergleich künftig vorteilhaft ausfallen. Konkret sagt Ito für 2016 einen Gewinn je Aktie von 162,55 Yen voraus, nach einem Verlust von 113,04 Yen im Vorjahr und 222,02 Yen für 2017. Auf Basis der Prognose für das kommende Jahr errechnet sich somit ein geschätztes KGV von 13,05.

Barclays bezeichnet Sony als Top Pick aus der japanischen Konsumelektronikindustrie und das Übergewichten-Anlageurteil ist mit einem Kursziel von 4,200 Yen versehen. Theoretisch lässt das der Notiz bei Zielerreichung ein Aufwärtspotenzial von rund 45 Prozent.



Barclays Global Top-Pick Nummer drei: Nokia Corp. (WKN: 870737, 6,639 Euro)



Nach dem Verkauf des Handygeschäfts noch immer mitten im Umbau befindet sich mit Nokia der dritte Barclays-Favorit. Vermutlich sind die damit verbundenen Unsicherheiten mit der Grund dafür, warum der Aktienkurs seit Ende 2013 letztlich nur auf der Stelle tritt. Auch waren die zuletzt veröffentlichten Quartalszahlen nicht dazu angetan, die Notiz entscheidend zu beflügeln. Eher im Gegenteil, blieb der Nettogewinn mit 152 Millionen Euro doch deutlich hinter dem von Analysten im Schnitt erwarteten Wert von 272 Millionen Euro zurück.

Doch Optimisten wie die bei Barclays gehen von mittelfristig wieder besser laufenden Geschäften aus. Fortschritte beim Konzernumbau haben die Finnen zuletzt jedenfalls gemacht. Im Dezember wurde der Anbieter von elektronischen Karten Here mit einem Nettoerlös von 2,55 Milliarden Euro verkauft und nachdem die Aktionäre des Netzwerkausrüsters Nokia der 15,6 Milliarden Euro schweren Übernahme von Alcatel-Lucent bei einer außerordentlichen Hauptversammlung zugestimmt haben, dürfte diese wichtige Transaktion im ersten Quartal des kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Auch für die Analysten bei der britischen Investmentbank wäre das ein bedeutender Meilenstein. Schließlich bezeichnen sie die Maßnahme nicht nur als strategisch sinnvoll, sondern sie erhoffen sich davon auch positive Impulse für Umsatz und Gewinn. Auch Nokia selbst geht davon aus, die angestrebten Synergien von 900 Millionen Euro aus dem Zusammenschluss der beiden Unternehmen bereits ein Jahr früher als bisher erwartet einfahren zu können. Barclays bezeichnet das 900 Millionen Euro-Ziel sogar als konservativ. Als Werttreiber könnte sich auch das vorhandene Patentportfolio erweisen, falls es gelingt, die darin enthaltenen Patente in einem stärkeren Umfang zu Geld zu machen als das bisher allgemein angenommen wird.

Nokia wird auch zugetraut, die Ausschüttungen kontinuierlich zu erhöhen. Als Kursziel werden 8,75 Euro vorgegeben, was dem Kurs 31,8 Prozent Luft nach oben lässt. Auf dieser Basis würde sich gemessen an den Gewinnschätzungen für 2018 bei Erreichen der Kurszielvorgabe ein Verhältnis von Unternehmenswert zum Umsatz von 1,6 ergeben, ein Kurs-EBIT-Verhältnis von 11 und ein KGV von 15. Die Barclays-Analysten räumen zwar ein, dass sich diese Bewertungsrelationen über dem Branchendurchschnitt bewegen, das relativiere sich aber durch die besseren Gewinnperspektiven, die Nokio zugebilligt werden.



Barclays Global Top-Pick Nummer zwei: Royal Dutch Shell (WKN: A0D94M, 14,975 britische Pfund, 20,56 Euro)



Der anhaltende Ölpreisrückgang hat auch dem vierten Barclays-Favoriten, dem britisch-niederländischen Ölkonzern Royal Dutch Shell arg zugesetzt. Der Aktienkurs musste erhebliche Einbußen hinnehmen, im letzten Quartalsbericht musste wegen hoher Abschreibungen ein Verlust ausgewiesen werden und vor Weihnachten wurde mitgeteilt, die Investitionen im kommenden Jahr um weitere zwei Milliarden auf 33 Milliarden Dollar zu kürzen.

Nicht einfacher wird die Ausgangslage außerdem auch durch die 70 Milliarden Dollar schwere Übernahme des britischen Gaskonzerns BG Group - ein Deal der eingefädelt wurde, als Öl- und Gaspreise noch deutlich höher notierten. Allerdings steht Barclays-Analystin Lydia Rainforth diesem Geschäft dennoch positiv gegenüber. Denn sie geht davon aus, dass der Zukauf unabhängig von den Energiepreisen dabei helfen wird, den freien Cash Flow zu verbessern. Insgesamt sei die Gesellschaft mit dem künftig vorhandenen Portfolio besser als viele andere Branchenvertreter dafür gerüstet, auch schwierige Marktphasen zu überstehen.

Dazu scheint zu passen, dass Royal Dutch Shell die Synergieerwartungen aus der BG Group-Übernahme unlängst erhöht hat und auch allgemein Fortschritte auf der Kostenseite vermeldet hat. Für 2015 hat der Konzern in seiner bisherigen Form Kosteneinsparungen von vier Milliarden Dollar angestrebt. Außerdem sind bis 2018 Assetverkäufe im Wert von 30 Milliarden Dollar geplant.

Vor diesem Hintergrund hält Barclays die Investmentstory die Royal Dutch Shell zu bieten hat für verlockend. Zumal hausintern auch noch von einer Erholung der Energiepreise ausgegangen wird. Konkret wird der Ölpreis 2016 bei 60 Dollar pro Barrel gesehen und 217 bei 68 Dollar. Die Übergewichten-Empfehlung für den Titel ist mit einem Kursziel von 27,50 Pfund versehen, was 83,6 Prozent über den derzeit gültigen Notierungen liegt. Das KGV für 2016 bewegt sich bei unter elf und die Dividendenrendite wird bei 8,3 Prozent gesehen.



Barclays Global Top-Pick Nummer eins: Apple Inc. (WKN: 865985, 100,22 Dollar, 93,18 Euro)



Angesichts der erlittenen leichten Kursverluste war die Aktie von Apple im Vorjahr eine der größten Enttäuschungen auf dem internationalen Börsenparkett. Selbst zwölf Quartalsberichte in Folge, in denen die Analystenerwartungen geschlagen wurden, halfen dem Aktienkurs nicht mehr auf die Sprünge. Doch bei Barclays gehen die Experten trotz der am Markt kursierenden Spekulationen über eine Abschwächung der iPhone-Verkäufe davon aus, dass die Tech-Ikone auch am Aktienmarkt bald wieder in die Erfolgsspur finden wird.

Allerdings ist charttechnisch gesehen dafür ein kleiner Kraftakt nötig, schließlich bewegt sich der Titel mit Kursen, die sich praktisch mit dem 2012er-Jahreshoch decken, in einer Art charttechnischen Niemandsland. Aktuell geht es dabei sogar eher darum, wichtige Unterstützungen zu verteidigen statt von neuen Höhenflügen zu träumen, obwohl der iPhone- und iPad-Hersteller im zweiten und im dritten Quartal eigene Aktien im Wert von zehn Milliarden und 13,3 Milliarden Dollar zurückgekauft hat.

Aber Barclays-Analyst Mark Moskowitz ist weiter von den Qualitäten der Apple-Aktie überzeugt. Er sieht in dem Titel den besten Vertreter im US-IT-Hardware-Sektor und geht davon aus, dass die Gesellschaft den Gewinn auf lange Sicht im Schnitt um fast zehn Prozent steigern kann. Seine Zuversicht begründet Moskowitz unter anderem mit der engen Kundenbindung, die Apple aufgebaut habe und die für Konkurrenten nur schwer zu durchbrechen sei. Zumal dies ein wichtiger Vorteil sei, um auch bei der nächsten großen Innovation wieder vorne mitmischen zu können. Potential wird auch dem Vorhaben zugestanden, mit dem iPad Pro stärker in den Geschäftskundenbereich vorzudringen.

Der Gewinn je Aktie wird für 2015 bei 9,22 Dollar gesehen, für 2016 bei 9,97 Dollar und für 2017 bei 11,21 Dollar. Für das nächste Jahr ergibt sich somit ein geschätztes KGV von 8,9. Das ist ein Bewertungsniveau, das klar unter dem Dreijahresdurchschnitt von 11,7 liegt und ähnlich verhält es sich auch mit Blick auf das Verhältnis von Kurs zum Gewinn vor Steuern und Zinsen. Weil das betriebene Geschäft immer Service-und Software-lastiger werde, müssten die gewährten Bewertungsrelationen aber eigentlich steigen anstatt zu schrumpfen. Als Kursziel werden 155 Dollar genannt, was einem Aufwärtspotenzial von 54,7 Prozent entspricht.